Berlin. Jennifer Jacoby ist Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Berlin-Reinickendorf. Sie hat sich auf Beratung Alleinerziehender spezialisiert.

Um 7.30 Uhr morgens fährt Jennifer Jacoby ihren Rechner hoch, macht sich einen Kaffee, ordnet ihren Schreibtisch, füllt die Bonbonschale auf und ruft kurz darauf ihren ersten Kunden auf. Die 31-Jährige ist Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Reinickendorf. Ihre Aufgabe ist es, alleinerziehenden Müttern und Vätern den Weg ins Berufsleben zu ebnen.

Jacoby weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig der Weg der Berufsfindung ist. Sie studierte Literaturwissenschaften und Philosophie in Aachen und schloss 2014 in Berlin das Masterprogramm „Deutsche Literatur“ ab.

„Dann kam für mich die Frage, die viele Geisteswissenschaftler umtreibt: Was kann ich mit meinem Studienabschluss machen?“ Promotion war eine Option, ins Verlagswesen gehen eine andere. Berufsberatung und Arbeitsvermittlung die dritte: „Ich arbeite sehr gerne mit Menschen und konnte mir auch vorstellen, in diesem Bereich tätig zu werden“, sagt sie.

Von privilegierten Kunden zu denen mit Problemen

Während und auch noch nach ihrem Studium in Berlin war Jacoby beim Familienservice Potsdam beschäftigt, einem Anbieter von Kinder- und Seniorenbetreuung sowie Familienpflege. Sie verantwortete den Bereich Kinderbetreuung von Firmenangehörigen.

„Dort waren meine Kunden aber in einer privilegierten Situation“, sagt Jennifer Jacoby. „Ich wollte lieber Menschen unterstützen, die meine Hilfe dringender brauchen.“ Sie ist selbst Tochter einer alleinerziehenden Mutter und hat erlebt, wie schwierig es auf dem Arbeitsmarkt sein kann.

Jennifer Jacoby kündigte ihren Job – zunächst einmal mit dem Ziel zu promovieren. Als ihre beste Freundin aus Studientagen jedoch begeistert von ihrer Stelle als Berufsberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit berichtete, überlegte sie es sich wieder anders.

„Sie sagte zu mir: Wenn du mit Menschen arbeiten willst, die wirklich deine Hilfe brauchen, dann komm zu uns.“ Die Freundin schickte ihr eine Stellenausschreibung zu, Jennifer Jacoby bewarb sich. 2015 wurde sie Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Reinickendorf.

Rechtsschulung statt Hegel lesen

Für die Geisteswissenschaftlerin, die sich im Studium mit Kant und Hegel beschäftigt hatte, brachen neue Zeiten an. Während sie angelernt wurde, standen unter anderem Rechtsschulungen an.

Sie erfuhr auch, wie man berät und welche Instrumente der Arbeitsvermittlung es gibt. Das sind beispielsweise die berufliche Eingliederung, Weiterbildung und Umschulungen. Nicht zuletzt musste sie lernen, welche Maßnahme mit welchen Mitteln gefördert wird.

Nach drei Monaten Hospitanz beriet Jennifer Jacoby das erste Mal selbstständig einen Kunden. Seitdem unterstützt sie als Arbeitsvermittlerin Menschen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartz IV.

Ihre Aufgaben: arbeitssuchende Menschen über Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt informieren, ihnen freie Stellen, Umschulungen und andere Hilfen anbieten, damit sie in der Arbeitswelt wieder Fuß fassen können.

Netzwerk aus Bildungsträgern knüpfen

„Wichtig dabei ist immer, die individuelle Situation des Menschen zu kennen und zu berücksichtigen“, sagt sie. „Ich gebe Hilfe zur Selbsthilfe, berate, unterstütze und ermutige.“ Um das zu leisten, muss sie den lokalen Arbeitsmarkt gut kennen und eng mit den verschiedenen Bildungsträgern vernetzt sein.

Schon seit Beginn ihrer Arbeit im Jobcenter unterstützt Jennifer Jacoby ihre Kollegin Lena Foege. Diese ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Die beiden Frauen entwickelten ein Konzept, das Alleinerziehende in den Fokus nimmt.

Arbeitgeber von Neuerung überzeugt

„Es sind Kundinnen und Kunden mit besonderen Bedürfnissen“, sagt Jacoby. Darunter seien Frauen, denen Gewalt angetan worden sei, Männer in einer Trennungssituation, Elternteile, die keinen Kitaplatz fänden. „Es gibt doch auch für andere Bereiche Spezialisierungen“, argumentierte sie 2016, als sie ihre Kollegen und ihren Arbeitgeber davon überzeugte, die Stelle „Projektvermittlerin für Alleinerziehende“ einzuführen.

Seitdem kann sie ihre Kunden passgenauer in Weiterbildungen vermitteln und weiter an dem Netzwerk stricken, das sie speziell für ihre Zielgruppe aufbaut.

„Ich muss wissen, welche Bildungseinrichtung Angebote hat, die konform mit der Lebenssituation der Alleinerziehenden gehen“, sagt sie. Ganztägige Umschulungen würden genauso wenig infrage kommen wie Weiterbildungen am Abend. Die Öffnungszeiten der Kitas hat sie dabei immer im Hinterkopf.

Distanz zu halten ist die größte Herausforderung

Auch bei der Stellenvermittlung muss Jacoby die jeweiligen Konditionen im Blick haben. Nur mit flexiblen Arbeitszeiten können Mutter oder Vater Kind und Beruf unter einen Hut bringen. Ihre größte Herausforderung sei, emotionale Distanz zu behalten, sagt die 31-Jährige. „Und den Spagat zu schaffen zwischen dem Gesetz, den Bedürfnissen der Kunden und dem, was ich selbst für richtig halte.“

Täglich empfängt sie fünf bis sechs Besucher. Für ein Erstgespräch plant sie 45 Minuten ein. Schließen sich die Türen des Jobcenters für die Öffentlichkeit, geht ihre Arbeit weiter: Dann schreibt Jacoby Dokumentationen, stellt Anträge für die Erstattung von Bewerbungs- oder Fahrtkosten, und sie telefoniert mit Arbeitgebern und Kunden.

Ihr Tag sei ein Erfolg, wenn sie eine Mutter ermutigen konnte, eine Weiterbildung zu machen, oder einen Vater, sich auf eine Stelle zu bewerben, findet die Ansprechpartnerin für Alleinerziehende. Gegen 17 Uhr fährt Jennifer Jacoby den Rechner runter, ordnet die Papiere und geht in den Feierabend.

Arbeitsvermittler werden – zwei Wege

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in ganz Deutschland rund 90.000 Mitarbeiter. Wer bei der Agentur Arbeitsvermittler werden möchte, sollte einen Hochschulabschluss haben, vorzugsweise in Wirtschafts-, Sozial- oder Rechtswissenschaft.

Ein anderer Weg führt über die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA). An den Standorten Schwerin und Mannheim werden Bachelor- und Masterprogramme in Arbeitsmarktmanagement und Beratung angeboten.