Berlin. Stiftung Warentest ist Deutschlands bekannteste Verbraucherorganisation. Wie kommt sie zu ihren Ergebnissen? Zu Besuch im Geheimlabor.

Der Mitarbeiter im Waschmaschinenprüflabor befüllt die Trommel: die kleinen Handtücher längs hinein, die Kopfkissenbezüge quer darüber, ganz obenauf das Laken, geformt zu einem Z. Die weiße Wäsche ist ein bisschen schmutzig. „Normanschmutzung“ sagen sie hier.

„Sie denken, hier werden einfach Waschmaschinen getestet?“, sagt der Mitarbeiter. „Aber es steckt ziemlich viel dahinter.“ Ein bis zwei Jahre dauere es, bis man die Versuchsanordnung fehlerlos beherrsche.

Risiko der Einflussnahme minimieren

Das Waschmaschinenprüflabor liegt auf einem der labyrinthischen Gänge eines weißen Zweckbaus, irgendwo im Rhein-Main-Gebiet. Hier lässt die Stiftung Warentest elektronische Geräte auf Herz und Nieren prüfen, derzeit sind es die Waschmaschinen.

Wie das Prüfinstitut heißt, wo genau es seinen Standort hat, soll undokumentiert bleiben, bittet die Verbraucherorganisation – um das Risiko einer Einflussnahme durch die Hersteller zu minimieren.

An diesem Ort geht es um die Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen und Normen, geschaffen von der Europäischen Union, oft noch verschärft von der Stiftung Warentest. Um Abkürzungsungetüme wie RoHS 2011/65/EC, um REACH Annex XVII. Um die PAK Aufnahme in REACH 1272/2013/EU und die PoP Verordnung 850/2004/EG.

Es geht um Normteppich und Normstaub, um die Beeinträchtigung „organoleptischer Eigenschaften“, wie es ein anderer Mitarbeiter des Instituts der Gruppe Journalisten zu erklären versucht. Was er meint: Schmeckt zum Beispiel der Kaffee aus der Filtermaschine nach Plastik, weil sich Stoffe aus den Materialien lösen?

„Vertrauen, weil wir uns nicht manipulieren lassen“

In dem Institut ohne Namen entsteht ein Teil der Testergebnisse für die Zeitschrift „test“. Sie wird von Millionen Deutschen gelesen und gehört mit „Finanztest“ zu vielen Haushalten dazu wie die Fernsehzeitschrift. Die Stiftung Warentest genießt Vertrauen in der Bevölkerung: Fragen Sie Ihren Arzt, fragen Sie Ihren Apotheker, fragen Sie Stiftung Warentest.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat im letzten Jahr ermittelt, dass 82 Prozent derjenigen, die Stiftung Warentest kennen, großes Vertrauen in ihre Arbeit haben. Bekannt war die Stiftung 98 Prozent der Befragten.

Zum Vergleich: Den Deutschen Mieterbund kennen 74 Prozent, das Vergleichsportal Verivox 56 Prozent. „Die Menschen vertrauen uns, weil wir uns nicht manipulieren lassen“, sagt Anita Stocker, Chefredakteurin der Zeitschrift „test“.

Die Produkteinkäufer zahlen mit privaten Kreditkarten

Damit das nicht passiert, gibt sich die Stiftung redlich Mühe. So gibt es in den Publikationen und auf der Webseite test.de keine Produktwerbung. Als Ausgleich gibt der Staat als Stifterin Geld dazu. Zuletzt waren es fünf Millionen Euro.

Außerdem sind die Namen der Prüfinstitute, in denen auch die Hersteller ihre Produkte testen lassen, genauso geheim wie die der Institutsmitarbeiter. Das Team der Produkteinkäufer zahlt bei seiner Shoppingtour durch die stationären Geschäfte und Online-Shops mit privaten Kreditkarten, um nicht mit der Stiftung in Verbindung gebracht werden zu können.

„Eine Waschmittelrezeptur lässt sich leicht verändern“

Auch sogenannte Presseexemplare der Produkte, die Redaktionen häufig zur Verfügung gestellt bekommen, schließen die Tester aus. „Denn Sie glauben gar nicht, wie leicht sich eine Waschmittelrezeptur verändern lässt“, sagt Holger Brackemann beim Rundgang durch das Institut ohne Namen.

Brackemann ist gelernter Chemiker und so etwas wie der Obertester der Stiftung. Auch bei Fahrrädern sei es durchaus Praxis der Hersteller, dass die Presseexemplare einen anderen Rahmen hätten als die Modelle, die der Verbraucher im Geschäft bekommt.

Die Kriterien, die Stiftung Warentest für ihre Tests anlegt, gehen meist über die gesetzlichen Vorgaben hinaus, und sie orientieren sich stärker an der Realität der Verbraucher. Beispiel Staubsauger: Ein Mitarbeiter, dessen Name nicht genannt werden darf, bereitet in einem der zahllosen Räume des Prüfinstituts einen Test vor.

Wolle einer einizgen irischen Schafsherde

20 Gramm Normstaub werden auf einer Bahn roten Normteppichs verteilt und ins Gewebe eingewalzt. Der Teppich stammt aus Irland, gewebt aus der Wolle einer einzigen Schafsherde, „damit er möglichst gleichmäßig ist“, sagt der Mitarbeiter.

Im Raum herrschen konstant 23 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Bei Gewitter wird nicht geprüft – dann sei die Luftfeuchtigkeit zu hoch, der Staub würde im Gewebe kleben bleiben und der Test „ist für die Katz“. Eingespannt in eine Maschine fährt der Staubsauger nun röhrend über den Teppich, fünfmal hin, fünfmal her.

Damit der Staubsauger in der EU verkauft werden darf, muss er 75 Prozent des Staubes auf Teppich und 98 Prozent auf Hartböden aufsaugen. Nur, um das zu erreichen, gibt es Spielräume.

Tests mit Spezialdüsen und leeren Beuteln

So verwenden die Hersteller für ihre Tests Spezialdüsen, „aber mal ehrlich, wer wechselt im Alltag beim Saugen der Wohnung ständig den Aufsatz?“, fragt Brackemann. Stiftung Warentest testet mit der Universaldüse. Oder die Hersteller führen ihre Tests nur mit leeren Beuteln durch – was zu besserer Saugleistung führt als mit vollem Beutel.

Auch bei den EU-Energielabels wird der Verbraucher immer wieder ganz legal in die Irre geführt. So sieht der Versuchsaufbau für den Energietest von Kühlschränken nicht vor, dass auch mal die Tür des Geräts geöffnet wird. Oder dass leicht gewärmte Speisen hineingestellt werden. Dinge, die im Alltag ganz normal sind und den Stromverbrauch natürlich in die Höhe treiben.

Die Stiftung mit Hilfe von PR-Agenturen in schlechtes Licht stellen

Bei aller Vorsicht gebe es jedoch auch bei Stiftung Warentest Versuche der Einflussnahme, sagt Brackemann. Zwar würden die Anbieter selten den Rechtsstreit suchen – sind sie doch ohnehin bei der Entwicklung von Testideen und Versuchsanordnungen beteiligt.

Einige gehen jedoch den Weg über die Öffentlichkeit, um die Stiftung mithilfe von PR-Agenturen in schlechtes Licht zu stellen. „Man merkt, dass einige Branchen Druck machen“, sagt Brackemann und nennt zwei: die Fahrrad- und die Matratzenbranche.

Letztere leidet unter einem ewigen Testsieger: Ein Modell eines Anbieters gewinnt den Test, der zudem noch der beliebteste unter den Verbrauchern ist, immer und immer wieder. „Langsam ist es uns beinahe schon unangenehm“, sagt Holger Brackemann. „Aber sie ist nun mal die Beste.“

Ob er selbst auf dem Modell schläft, verrät er nicht. Aber die Testsieger-Quote bei ihm zu Hause sei schon eine sehr hohe, sagt er lachend. Der Obertester weiß um die Güte der Tests.