Berlin. Laut einer Studie kann Ibuprofen in hohen Dosen die Fruchtbarkeit von Männern beeinflussen. Doch es gibt einige Zweifel an der Studie.

Schmerzen Kopf oder Glieder, Muskeln, Gelenke oder Zähne, hat der Deutsche keine Scheu, in die Apotheke zu gehen und ein frei verkäufliches Schmerzmittel zu erwerben. Mehr als eine Milliarde Euro gaben die Verbraucher laut dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller allein 2015 für Medikamente mit Wirkstoffen wie Azetylsalizsäure (ASS), Paracetamol, Diclofenac oder Ibuprofen aus. Nun jedoch warnt ein internationales Forscherteam in einer aktuellen Studie vor einer allzu sorglosen Einnahme von Ibuprofen. Der Wirkstoff könne bei Männern möglicherweise zu Unfruchtbarkeit führen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Proceedings oft he National Academy of Sciences“ (PNAS).

Die Forscher hatten 14 gesunden Männern im Alter zwischen 18 und 35 Jahren über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg zweimal täglich 600 Milligramm Ibuprofen gegeben, also insgesamt 1200 Milligramm am Tag. Eine Kontrollgruppe erhielt ein Placebo. Nach den sechs Wochen zeigte sich, dass die Einnahme von Ibuprofen die Funktionsfähigkeit der Hoden beeinflusst hatte.

Medikament erzeugt Effekt, der sonst nur ältere Männer betrifft

Die Probanden entwickelten eine Funktionsstörung, die eigentlich eher ältere Männer betrifft: sogenannten Hypogonadismus, eine eingeschränkte Funktion der Geschlechtsdrüsen. Es zeigte sich bei den Probanden ein negativer Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem sogenannten luteinisierenden Hormon (LH), das die Produktion der Spermien regelt, und dem Sexualhormon Testosteron. Dessen Produktion werde in der Folge unterdrückt und die Fruchtbarkeit dadurch beeinflusst.

Die Wissenschaftler betonten zwar, diese Funktionsstörung sei mild und nur vorübergehend, doch „unsere Sorge gilt der Fruchtbarkeit von Männern, die diese Schmerzmittel für eine lange Zeit nehmen“, sagte David Møbjerg Kristensen von der Universität Kopenhagen dem „Guardian“.

Übertragung auf Alltagsgebrauch nicht möglich

Den Grund zur Sorge sieht ein deutscher Experte nicht. Die Studie sei methodisch aufwendig und das verwendete Verfahren seriös und etabliert, sagt Professor Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie und Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

„Allerdings erlaubt das Setting keinerlei Übertragung auf den Alltagsgebrauch von Ibuprofen“, sagt Smollich: Insgesamt 31 Probanden seien statistisch nicht aussagekräftig. Außerdem sei die gewählte Dosis des Schmerzmittels in dieser Altersgruppe vollkommen unrealistisch. „Mehr als ein Impuls für weitere Studien ist diese Studie sicher nicht“, sagt der Pharmazeut.

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    Andere Mittel haben erwiesene Nebenwirkungen

    Zwar sei ein negativer Einfluss auch bei einer üblichen Dosierung von 400 bis 800 Milligramm ein- bis zweimal die Woche nicht auszuschließen, „aber davon, das zu zeigen, ist die Studie meilenweit entfernt“. Auch einen Zusammenhang mit einer Zunahme männlicher Fortpflanzungsstörungen sieht Smollich nicht. Das sei ein seit Jahrzehnten anhaltender Trend, „Ibuprofen hat dagegen bis vor 15 Jahren im Alltag kaum eine Rolle gespielt“.

    Nach Angaben der Deutschen Schmerzgesellschaft gehört Ibuprofen zu den sogenannten nicht steroidalen antientzündlichen Antirheumatika. Sie werden „Antirheumatika“ genannt, weil die Substanzen ursprünglich vor allem zur Behandlung von Rheumapatienten dienten. Der Begriff „nicht steroidal“ dient als Abgrenzung zu entzündungshemmenden Mitteln, die das Steroidhormon Kortison enthalten und teils schwere Nebenwirkungen haben.

    Ibuprofen belastet die Magenschleimhaut

    Ibuprofen, aber auch die Schmerzmittel Diclofenac und ASS hemmen den Angaben zufolge das Enzym Cyclooxygenase (Cox), das die Herstellung einer Gruppe von Gewebshormonen, den sogenannten Prostaglandinen, regelt. Ist Gewebe verletzt oder entzündet, werde eine Unterform des Cox-Enzyms – Cox2 – besonders aktiv und produziere die Prostaglandine. Diese machten die Schmerzrezeptoren der umliegenden Nerven reizempfindlich, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin.

    Die Crux: Prostaglandine haben nicht nur negative Effekte. Sie sorgen etwa für die Durchblutung der Nieren und schützen die Magenschleimhaut vor der Magensäure. Wird die Produktion der Prostaglan­dine dauerhaft durch die Einnahme der Antirheumatika gehemmt, könne es zu Magengeschwüren und -blutungen oder Nierenversagen kommen. Ebenfalls sei bei den meisten Antirheumatika das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt höher, weil die Mittel die Durchblutung beeinflussen.

    Die Stiftung Warentest, die mithilfe einer Expertenkommission diverse Schmerzmittel bewertet hat, hält Ibuprofen nur bei leichtem bis mäßig starkem Schmerz für geeignet. Der Wirkstoff, der sowohl bei Kopf-, Glieder-, Gelenk, aber auch bei Regel-, Wund- und Zahnschmerzen zum Einsatz kommt, belaste aber die Magenschleimhaut sowie das Herz-Kreislauf-System. Das Mittel sollte „stets nur kurzfristig und in der geringstmöglichen Dosis“ eingenommen werden.