Berlin. Die einen machen es, weil sie Geld brauchen, die anderen betreiben es mit krimineller Energie. Provozierte Crashs kosten Milliarden.

Wenn sich nachts die Straßen leeren, wenn Zeugen nicht zu sehen sind, dann schlagen die Unfall-Betrüger besonders gern zu. Eine ihrer typischen Maschen: Vor einer gelben Ampel bremsen sie unerwartet ab. Der Hintermann hat keine Chance und knallt drauf. Geht alles glatt, vergütet die Kfz-Versicherung des auffahrenden Autos den Blechschaden des angeblichen Opfers mit mehreren Tausend Euro. Repariert wird meist notdürftig in einer Hinterhof-Werkstatt, danach geht es zur nächsten Crash-Tour.

Ebenso perfide sind die weiteren Methoden: So kommen die Betrüger aus einer vorfahrtsberechtigten Seitenstraße und deuten an, auf die Vorfahrt zu verzichten. Gehen die Opfer darauf ein, gibt der Betrüger plötzlich Gas und kracht in die Seite. Die Schuldfrage wirkt klar, die Geschichte mit den Gesten erscheint unglaubwürdig. Besonders weit verbreitet ist nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) das Ausnutzen spezieller Verkehrsführungen.

In die Falle getappt

Dabei warten die Kriminellen gern an einer Fahrbahnverengung und provozieren Streifschäden beim Spurwechsel. „Die Unfallopfer ahnen oft nicht, dass sie in die Falle getappt sind“, heißt es beim GDV. Meist sähen sie sich mehreren Tätern gegenüber, die die angebliche Schuld bezeugten. Die Opfer seien oft junge oder ältere Fahrer. Oder Ortsfremde. „Und die werden dann wortreich unter Druck gesetzt. Manchmal sollen sie sogar ein Schuldanerkenntnis unterschreiben“, sagt GDV-Sprecherin Kathrin Jarosch.

Jeder zehnte Blechschaden, schätzt die Versicherungsbranche, weist Anzeichen einer Manipulation auf. Die Spannbreite des Betrugs sei groß. Oft werde der Schaden nachträglich vergrößert. Oder man rechne Macken ab, die bereits existiert haben. Rund 2,1 Milliarden Euro pro Jahr betrage der Schaden durch Betrug in der Kfz-Versicherung. „Ein Großteil davon geht auf vorsätzliche Unfälle zurück“, sagt Jarosch.

Verkehrssünderdatei in Flensburg

Das eigentliche Opfer ist dabei der Autofahrer, der den Unfall nicht vermeiden konnte: Er zahlt höhere Versicherungsprämien und bleibt auf seinem eigenen Schaden sitzen, wenn er keinen Vollkaskoschutz hat. Unter Umständen kommen sogar ein Verwarn- oder Bußgeld sowie Punkte in der Verkehrssünderdatei in Flensburg hinzu. Aber auch die anderen Versicherten sind bei der Rechnung dabei: „Es handelt sich hier um Betrug an der Versichertengemeinschaft“, sagt Jarosch. „Den Schaden tragen auch diejenigen mit, die redlich sind.“

Wie aber lässt es sich verhindern, Opfer solcher Betrüger zu werden? „Eine ganz einfache Regel kann schon helfen: die Verkehrsvorschriften beachten. Zu dichtes Auffahren, Unachtsamkeit oder zu hohe Geschwindigkeit lassen sich sehr gut für provozierte Unfälle ausnutzen“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter. Haben Autofahrer den Verdacht, Opfer von Kriminellen geworden zu sein, „ist es ratsam, die eigene Haftpflichtversicherung darüber zu unterrichten“, sagt Vetter.

Fachmännische Reparatur

Zu den Abwehrmitteln der Versicherer gehört das sogenannte Hinweis- und Informationssystem (HIS). Dort können sie nachsehen, ob mit einem Auto schon mehrfach Unfälle ohne fachmännische Reparatur abgerechnet worden sind. Im Verdachtsfall beauftragen einige Versicherer laut Rechtsanwalt Vetter sogar besonders geschulte Gutachter oder Detektive, um den Unfall genauer unter die Lupe zu nehmen. Vetter: „Vor einem Rechtsstreit mit sogenannten Autobumsern braucht man sich nicht zu fürchten: Das Risiko und die Kosten trägt allein die eigene Haftpflichtversicherung. Und stellt auch einen Strafantrag.“

Auch der GDV rät im Verdachtsfall zur Information von Versicherer und Polizei: „Betroffene, Polizei und Versicherer müssen zusammenarbeiten, um den Betrügern auf die Schliche zu kommen“, sagt Jarosch. Die Polizei werde zu provozierten Unfällen geschult, sie kenne die beliebten Tatorte und könne spezielle Fragen stellen. „Für sie ist das ja längst kein Neuland mehr“, so Jarosch. Darüber hinaus empfiehlt der GDV eine Dokumentation von Schäden und Unfallspuren mit der Fotokamera sowie die Suche nach Zeugen. Vielleicht habe der Betrüger ja einen Spaziergänger oder Anwohner im Fenster übersehen