Berlin. Vernichtendes Urteil: Stiftung Warentest hat sich Outdoor-Jacken vorgenommen und listet zahlreiche Mängel auf. Einige sind gefährlich.

Funktionsjacken müssen einiges leisten: Wind und Regen sollen abprallen, trotzdem soll noch Sauerstoff an die Haut kommen, Schweiß aus der Jacke heraustransportiert werden. Die Outdoorbranche lässt sich diese Vielseitigkeit gut bezahlen. Doch viele der teuren Kleidungsstücke lassen ihre Käufer wortwörtlich im Regen stehen.

Bei einer aktuellen Untersuchung der Stiftung Warentest bestanden nur drei Produkte den Härtetest: Haglöfs, Schöffel und Jack Wolfskin. Alle übrigen Kandidaten hielten Feuchtigkeit nach ein paar Wäschen nicht mehr stand. Ebenfalls kritisch: Fast alle Hersteller setzen bei der Imprägnierung auf per- und polyflourierte Chemikalien (PFC), von denen einige als krebserregend gelten.

Auch Marktführer lassen Regen durch

Einer der teuersten Kandidaten – die 250-Euro-Jacke von Maier Sports – schneidet am schlechtesten ab. Sie lässt Feuchtigkeit rein, aber nicht raus – für die Tester mangelhaft. Selbst im ungewaschenen Neuzustand drang Wasser durch, während Wanderer gleichzeitig kräftig schwitzen müssen. Aber auch bekannte Konkurrenten wie Northland, Vaude, McKinley und Columbia versagten, keine der Jacken hielt im Neuzustand trocken.

Die Produkte der Branchenriesen Mammut und The North Face scheiterten erst an der zweiten Hürde. Die Tester wuschen die Jacken fünfmal, entfernten so einen Großteil der Imprägnierung, anschließend ließen auch die Marktführer den Regen durch.

„Viele Jacken sind schlecht verarbeitet“

„Eine gut verarbeitete Jacke sollte auch ohne Imprägnierung dicht halten“, erklärt Renate Ehrnsperger von Stiftung Warentest, die die Untersuchung leitete. Die Imprägnierung sei wichtig für die Atmungsaktivität, ohne sie saugten die Jacken sich voll, fühlen sich im nassen Zustand klamm an, trotzdem bleiben die Träger aber trocken.

Das Problem der Undichte könnte an einer zunehmend schlechteren Verarbeitung der Produkte liegen, vermutet die Ingenieurin. „Beim Nähen der Jacke wird die Membran oder die Beschichtung durchstochen. Diese Stellen müssen danach abgeklebt werden“, sagt Ehrnsperger. Bei vielen Jacken aber seien Nähte schlecht oder gar nicht abgeklebt gewesen, nach der Wäsche hätten sich Klebestellen gelöst.

Viele Jacken lassen Käufer nach Wochen im Stich

Mit der Note „gut“ gehen nur zwei aus der Prüfung hervor: Haglöfs Astral III Jacket für 360 Euro, die teuerste Jacke im Test, und Schöffel Easy L II für 180 Euro. In puncto Atmungsaktivität erhalten beide die Bestnote, neu kam die Haglöfs-Jacke mit Regen „sehr gut“ zurecht, die Schöffel-Jacke immerhin noch „gut“. Nach fünf Wäschen schneiden beide hier noch „befriedigend“ ab. Auch die Jack Wolfskin Shelter Jkt hält gegen Regen im Neuzustand „gut“ und gewaschen „befriedigend“ dicht. Bei der Atmungsaktivität kann sie mit den Testsiegern jedoch nicht mithalten.

Alle anderen Jacken lassen Ourdoorfreunde spätestens nach der fünften Wäsche im Stich, so das Resümee der Prüfer. Die Jacken nie zu waschen, sei auf Dauer keine ideale Lösung. Einmal im Jahr, nach intensiver Nutzung sei das unumgänglich, „sonst verstopfen Schweiß und Schmutz die Membran beziehungsweise die Beschichtung“, so Ehrnsperger. Die Imprägnierung außen lasse sich danach mit Sprays neu auftragen.

Schadstoffe können in die Nahrungskette gelangen

Um die Jacken wasser- und schmutzabweisend zu machen, setzen fast alle Anbieter im Test per- und polyflourierte Chemikalien (PFC) ein. „Die Stoffe können aus Textilien auswaschen oder auch ausgasen. Sind sie einmal in der Natur, werden PFC nicht abgebaut, sie verbleiben für immer dort. Insbesondere langkettige PFC gelangen in die Nahrungskette“, sagt Chemikalienexpertin Lena Vierke vom Umweltbundesamt (UBA), „sie reichern sich etwa in Fischen an, landen schließlich auch auf unseren Tellern“.

Die bekanntesten Vertreter dieser Stoffgruppe sind perfluorierte Oktansulfonsäure (PFOS) und perfluorierte Oktansäure (PFOA). Beide können die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen, gelten als potenziell krebserregend. PFOS wurde deshalb bereits weitgehend verboten.

Für PFOA gilt bislang nur in Norwegen ein Grenzwert. „Eine ähnlich starke Einschränkung könnte dieses Jahr auch noch EU-weit gesetzlich festgelegt werden“, hofft Vierke, „der von Deutschland und Norwegen eingereichte Vorschlag liegt der Europäischen Chemikalienagentur seit 2014 vor“.

Hersteller verzichten kaum auf Chemikalien

Aus Imagegründen hätten viele Anbieter den Stoff mittlerweile verbannt, so die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die seit 2011 Outdoorartikel auf die kritischen Chemikalien testet. Trotzdem ist sowohl PFOS als auch PFOA nach wie vor in vielen Produkten nachweisbar, wie die jüngste Untersuchung aus diesem Jahr zeigte. „Sie können als Abbauprodukte von anderen PFC entstehen“, erklärt Vierke.

Anstatt generell auf die Chemikalien zu verzichten, steigen viele Hersteller schlicht auf andere Vertreter der Gruppe um – von den gesundheitsschädlichen langkettigen Verbindungen auf kurzkettige. „Diese sind nach heutigen Erkenntnissen zwar nicht ganz so schädlich wie ihre langkettigen Verwandten, tauchen aber in den Produkten in deutlich höheren Konzentrationen auf“, so Greenpeace. „Kurzkettige PFC lösen das Problem nicht“, sagt auch Vierke, „sie werden in der Umwelt ebenso wenig abgebaut, verteilen sich aber besser, können etwa ins Grundwasser sickern“.

Lange und kurze Verbindungen von Atomen

Das Testergebnis der Stiftung Warentest dürfte viele Umweltschützer enttäuschen: In zwölf von 14 Jacken wiesen die Tester PFC nach. Der Großteil des Testfeldes kommt deshalb im Prüfpunkt Schadstoffe nicht über ein „befriedigend“ hinaus. Lediglich die Jacken von Vaude und Maier Sports Drava schneiden hier „sehr gut“ ab.

Beide versagten allerdings bei ihrer eigentlichen Funktion. „Dass PFC-freie Jacken schlechter sind, kann man daraus nicht schließen“, gibt Projektleiterin Ehrnsperger Entwarnung. Die betroffenen Produkte seien nicht gut verarbeitet oder nicht gut konfektioniert gewesen, sonst hätten sie wahrscheinlich den Regentest auch ohne Imprä­gnierung widerstanden. „Dass PFC-freie Produkte grundsätzlich weniger gut schützen, ist mir nicht bekannt“, bestätigt auch UBA-Expertin Lena Vierke.

Stoffe verbleiben in der Umwelt

Per- und polyfluorierte Chemikalien kommen nicht natürlich vor. Sie bestehen aus Kohlenstoffketten, also langen und kurzen Verbindungen von Atomen. Kohlenstoffketten setzen sich üblicherweise aus Kohlenstoff und Wasserstoff zusammen. Bei fluorierten Kohlenstoffketten werden die Wasserstoffatome ganz (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt.

Die künstlich hergestellte Verbindung zwischen Kohlenstoff und Fluor ist so stark, dass sie Textilien dauerhaft wasserfest machen kann. Sie ist so stabil, dass natürliche Abbauprozesse sie nicht lösen können – sie verbleiben in der Umwelt, gelangen über Luft und Nahrung auch in den Körper. Im Blut können sich die Stoffe zu perfluorierten Carbonsäuren abbauen, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen.