Hamburg. Vorgesetzte und Kollegen können trauernde Mitarbeiter unterstützen. In Hamburg gibt es dazu Beratungsstellen für Unternehmen.

Ich hätte mir gewünscht, dass man mir bei der Arbeit etwas abgenommen hätte oder mich gefragt hätte, wie es mir geht“, sagt Iris Hellweg (Name geändert). „Dann hätte ich das Gefühl gehabt, nicht so allein zu sein. Man will ja trotz Trauer weiter alles schaffen.“ Ende November des vergangenen Jahres starb der Vater von Iris Hellweg an Krebs. Sie wusste, dass dieser Moment kommen würde. „Und doch gibt es keine Vorbereitung, es zerreißt dich.“ Iris Hellweg arbeitet in der Personalabteilung eines Unternehmens in Hamburg, gab ihrem Chef Bescheid und rief auch ihre engsten Kollegen an. Zurück im Büro, gab es die eine oder andere Kondolenzbekundung, ihre eigene Mitarbeiterin hatte eine Karte geschrieben. Sehr viel mehr kam nicht. Der Umgang mit einem Menschen in Trauer fällt dem Umfeld oft schwer. Selten ist es böse Absicht, Kollegen und Vorgesetzte wissen schlichtweg nicht, was sie sagen sollen. Und der Trauernde will nicht zur Last fallen und hat Sorge, dass er als schwach betrachtet wird. Unsicherheit auf allen Seiten. Verständlich, aber unnötig.

Überforderung nach einem Todesfall zurückzufinden

Rund 17.000 Menschen sterben jährlich in Hamburg, 24 Prozent von ihnen im erwerbstätigen Alter, wie die Beratungsstelle Charon der Hamburger Gesundheitshilfe angibt. Annika Schlichting ist bei Charon Ansprechpartnerin für das Thema Trauer am Arbeitsplatz. Die Diplom-Sozialpädagogin und Trauerbegleiterin bietet Beratung in Einzelgesprächen für Trauernde, hilft aber auch Gruppen, etwa Teams, die einen Kollegen verloren haben. Ebenso geht sie bei einem akuten Todesfall in eine Firma und unterstützt Vorgesetzte, Personalabteilungen oder Kollegen – doch sie setzt ebenso auf Workshops, um aufzuklären, was Tod, Sterben und Trauer bedeuten. Ein Thema, das in unserer Gesellschaft ein Tabu ist – obwohl oder gerade weil es irgendwann jeden trifft, weil er selbst sterben oder liebe Menschen verlieren wird. So weiß kaum einer so recht mit Tod und Trauer umzugehen.

Menschen, die einen Verwandten oder Freund verloren haben, sind oft damit überfordert, wie sie nach einem Todesfall wieder in den Job zurückfinden. „Trauer ist individuell, es gibt kein Patentrezept“, antwortet Schlichting. „Manchen tut es gut, bald wieder zu arbeiten und am Alltag teilzunehmen, einen Rhythmus zu haben.“ Sie rät Betroffenen, in sich hineinzuhorchen: Was kann ich, was schaffe ich?

Wichtig ist es, dass der Vorgesetzte auf seinen Mitarbeiter zugeht und aufrichtige Teilnahme zeigt. So wie der Chef von Manfred Skov. „Die Frage ,Wie geht es Ihnen‘ darf keine hohle Phrase sein, es muss ernst gemeint sein“, bestätigt Skov. Der 58-Jährige verlor in kurzen Abständen seine Schwester, seinen Bruder und seinen Neffen – und dann starb seine Ehefrau. Skov ging wieder arbeiten, er ist in der Betriebslenkung der Hamburger Hochbahn tätig. Seine Kollegen hörten zu, fragten, was sie für ihn tun könnten. „Darauf sollte man auch ehrlich antworten.“ Die wichtigste Regel: Raus aus der Sprachlosigkeit!

Trauer kann oft in „Wellen“ kommen

Aus dem Kreis der Kollegen kann derjenige Kontakt aufnehmen, der mit dem Trauernden engeren Kontakt hat. Viele Menschen wissen nicht, was sie sagen sollen – oder haben Angst, etwas Blödes zu sagen. Tatsächlich sollte man sich ein „Kopf hoch!“ verkneifen. „Wer nicht weiß, was er sagen soll, kann genau das sagen: ,Mir fehlen die Worte‘“, rät Schlichting. Ehrlich sein, erklären, dass es einem leid tut, Hilfe anbieten und konkret Termine übernehmen, Tränen aushalten – das ist besser, als vor lauter Unsicherheit zu schweigen.

Manfred Skov und sein Chef besprachen, wie die nächste Zeit im Job aussehen soll. Vorbildlich. „Man kann die Arbeitszeit eine Zeit lang verändern, sie zum Beispiel verkürzen“, schlägt Schlichting vor. „Auch kann der Mitarbeiter andere Aufgaben übernehmen, denn oft ist bei Trauer die Konzentrationsfähigkeit vermindert.“

Ebenso wichtig ist es auch, zu verstehen, dass die Stimmungen eines Trauernden schwanken. „An einem Tag ist er offen für Zuwendung, am anderen Tag ist er zurückhaltend“, erklärt Frauke Zimmermann. Sie ist in der betrieblichen Sozialberatung von Beiersdorf tätig. Reagiert ein Betroffener schroff, sollte man sich nicht vergraulen lassen. „Dann ist es gut, trotzdem den Kontakt aufrecht zu halten und der Person zu signalisieren: Ich nehme deine Trauer wahr“, so Schlichting. Auch kann eine Mail oder ein Zettelchen auf dem Schreibtisch mit den Worten „Ich denke an dich!“ eine herzliche Geste sein. Das gilt vor allem für diejenigen, die enger mit dem Kollegen sind. Entscheidend ist es, nicht von sich auszugehen und was man selbst bräuchte, sondern im Blick zu haben, was der Betroffene sich wünscht.

Vor allem aber sollten alle Beteiligten wissen: Trauer ist nicht nach ein paar Wochen oder Monaten erledigt. Sie kommt oft in „Wellen“ – auch, wenn es eine Zeit lang besser geht, kann der Schmerz wieder hochkommen. Es ist zuviel verlangt, sich dann zusammenzureißen. Selbst, wenn der Mitarbeiter gefasst wirkt, sollten Vorgesetzte in Abständen immer wieder auf ihren Mitarbeiter zugehen und hören, wie es ihm geht. Gleichzeitig kann eine Führungskraft natürlich nicht nur den einen Mitarbeiter im Blick haben. „Der Chef hat auch eine Fürsorgepflicht für den Rest des Teams“, sagt Zimmermann. Es kann zu Unmut führen, wenn die Kollegen über Monate die Aufgaben des trauernden Mitarbeiters übernehmen.

Wird sich um Betroffene gekümmert, kommt das bei der Belegschaft gut an

Sinnvoll ist es daher, dass eine Firma ihre Belegschaft und Führungskräfte sensibilisiert und ein Vorgehen im Trauerfall grob umreißt – das gilt auch für den Fall, dass ein Mitarbeiter stirbt. Verankert werden kann dies im betrieblichen Gesundheitsmanagement. „Wenn jemand keine Möglichkeit hat, seine Trauer zuzulassen, kann er krank werden“, erklärt Schlichting. Abgesehen davon sieht die Belegschaft aufmerksame Chefs, die auch zum Todestag ein Kärtchen schreiben und erleben eine Firma, die sich kümmert – das wirkt sich positiv auf die Unternehmenskultur aus.

Iris Hellweg schickt mittlerweile jedem Mitarbeiter, der längere Zeit krank ist, eine Nachricht, geht zu jedem trauernden Kollegen und bietet ihre Hilfe an. Auch hat sie eingeführt, Kondolenzkarten zu schicken. „Ich weiß, wie gut jede einzelne Karte tut.“