Immer mehr Käufer wollen Käse und Marmelade aus ihrer Umgebung. Doch was auf den Packungen steht, ist oft nur die halbe Wahrheit.

Berlin. Wenn es nur so einfach wäre: In den Hallen der weltgrößten Agrarmesse Grüne Woche in Berlin gibt es Stände für Bayern, Niedersachsen und Brandenburg. Und angeboten werden dort Spezialitäten aus diesen Ländern. Im Supermarkt locken ebenfalls immer mehr Produkte mit dem Charme des Regionalen. Doch die Lage im Regal ist oft unübersichtlich – ob die Wurst, die Salatsoße und die Zutaten wirklich aus der beworbenen Gegend kommen, können Kunden teils nicht erkennen. Die Politik will jetzt mehr Klarheit schaffen.

„Regionalität ist voll auf dem aufsteigenden Ast“, erläutert Armin Kullmann, Agrarexperte an der Uni Frankfurt. Kurze Transportwege, durchschaubare Produktionsketten, Schutz der regionalen Wirtschaft - was früher vor allem Idealisten interessierte, überzeuge immer mehr Verbraucher. Quer durch die Republik gibt es Vermarktungs-Initiativen und eine Vielzahl an Siegeln von „Gutes vom See“ am Bodensee bis „Feinheimisch“ in Schleswig-Holstein.

Das Interesse ist groß. Fast jeder zweite Kunde achtet darauf, dass ein Produkt aus einer bestimmten Region stammt, wie eine Umfrage des Bundesverbraucherministeriums ergab. Das hat auch der Handel erkannt. Neben Äpfeln aus Neuseeland liegt in Supermärkten immer öfter Obst aus der näheren Umgebung, gern mit Schildern wie „Gutes von hier“. „Warum soll auch der Knochenschinken aus Westfalen nach Italien gebracht werden, wo Parma-Schinken daraus wird, der dann bei uns verkauft wird?“, sagt NRW-Agrarminister Johannes Remmel (Grüne).

+++Die Grüne Woche 2012+++

+++Sachsen-Anhalt Tag auf der Grünen Woche+++

Doch was genau ist ein regionales Produkt? Nur knapp jeder fünfte Kunde fühlt sich verlässlich informiert, was damit gemeint ist, wie die Ministeriumsumfrage zeigte. Verbraucherschützer beklagen ein ziemliches Durcheinander. Meist könne man nur vermuten, ob es sich um die Herkunft oder lediglich um besondere Rezepturen handele. Dabei ist vieles legal, was verwirrt – etwa, dass Kalbswiener nicht nur aus Kalbfleisch bestehen müssen. Viele kämen auch kaum darauf, dass Schwarzwaldschinken vielleicht nur dort verpackt worden ist, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband, der im vergangenen Jahr ein Beschwerdeportal für Etikettenschwindel startete.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will jetzt mehr Transparenz anstoßen, wie sie auf der Grünen Woche ankündigte: „Wenn jemand mit regional und Heimat wirbt, sollte er kenntlich machen, was die Region eigentlich ist, was der Bezug zur Region ist, was aus der Region kommt und auch, wer es überprüft hat.“ Angaben dazu sollen Hersteller in einem einheitlich gestalteten Rahmen auf die Packung drucken können – freiwillig und neben schon existierenden Siegeln.

Der Arbeitstitel dafür lautet „Regionalfenster“. Darin könnte zum Beispiel bei einem Fruchtjoghurt aufgelistet werden, dass die Milch aus der Region kommt, die exotischen Früchte aber aus Übersee stammen. Details will Aigner mit ihren Ministerkollegen aus den Ländern besprechen, die teils eigene Regionalkonzepte haben.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hält die freiwillige Extra- Kennzeichnung für zu unverbindlich. „Lebensmittelhersteller können weiterhin ganz legal von Regionalität oder Heimat fabulieren – und das Siegel eben nicht verwenden“, sagt Sprecher Andreas Winkler. „Das sieht schön aus und tut niemandem weh, verändert aber rein gar nichts.“

Für Regionalpioniere ist klar: Ein Schwein muss in der Region aufwachsen, in der es der Metzger verarbeitet. Und der soll die Wurst dann auch vor allem in der Umgebung vermarkten, wie Ilonka Sindel vom Bundesverband der Regionalbewegung erklärt. Ausnahmen müssten aber möglich sein: „Nicht in jeder Region gibt es noch einen Schlachthof, und Zucker für die Marmelade findet auch nicht jeder in der näheren Umgebung.“ Der Verein, der Vermarktungsinitiativen, vertritt, fordert eine Kennzeichnung, die nicht nur großen Handelsketten dient.

„Die Gefahr ist, dass das Ministerium die Kennzeichnung vor allem einzelhandelstauglich macht“, sagt Agrarforscher Kullmann. Wer regional kaufen möchte, müsse sich darauf einstellen, dass er etwa im Winter keine Erdbeeren bekommt. Eine gewisse Saisonalität gehöre dazu: „Dann ist es eben so, dass es im Winter mal wieder Kohlsuppe gibt.“