Politiker und Medien sprechen von einer “nationalen Tragödie“ und “Zerstörungen biblischen Ausmaßes“. Und noch immer wütet die Flammenhölle weiter.

Athen. Im Minutentakt gehen die Anrufe bei den griechischen Radio- und Fernsehsendern ein. "Um Gottes willen, helft uns. Lassen Sie uns nicht im Stich. Wir verbrennen bei lebendigem Leibe", schreien die Menschen in ihrer Verzweiflung. "Das Feuer ist 50, nein 40, nein 20 Meter von unserem Haus entfernt." Es ist eine Tragödie beispiellosen Ausmaßes, die sich zurzeit in Griechenland abspielt. "Apokalyptische Bilder - 50 Meter hohe Flammen", titeln die Zeitungen in Athen und versuchen so das Unfassbare in Worte zu kleiden: Mehr als die Hälfte des Landes steht in Flammen.

Mindestens 56 Menschen haben bisher in diesem Inferno den Tod gefunden - die meisten von ihnen bei Zacharo auf dem westlichen Peloponnes: Sie verbrannten auf der Flucht in ihren Autos. Erst am Sonntagabend kamen fünf junge Menschen auf Euböa ums Leben: Sie hatten versucht, ihr Dorf auf eigene Faust vor dem Feuer zu retten.

Allein auf dem westlichen Peloponnes haben die riesigen Feuerwalzen überdies mehr als 3000 Menschen obdachlos gemacht. So wie Giorgos Tagaris. "Hier haben die Menschen das verloren, was ihre Väter, Großväter und Ururgroßväter in den vergangenen Jahrhunderten aufgebaut und kultiviert hatten", sagt er. "Weißt du, wie lange ein Olivenhain braucht, um wieder Oliven zu geben? Mindestens zehn Jahre! Wovon sollen jetzt diese Menschen leben?" Das fragt sich auch Nachbar Stelios Giannakopoulos: "Ich habe 800 Zitrusbäume verloren. Ich habe nichts mehr zum Leben". Jetzt will er nur noch weg und zu seinen Kindern nach Athen. "Vielleicht kann ich als Pförtner arbeiten."

Die Regierung in Athen hatte bereits am Sonnabend den Notstand und eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. "Es ist eine nationale Tragödie", sagte der griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis. Oppositionsführer Georgios Papandreou sprach von "Szenen biblischer Zerstörung". Noch allerdings kann niemand das ganze Ausmaß der Verwüstung ermessen. Nach inoffiziellen Schätzungen verbrannten allein in den vergangenen drei Tagen 70 000 Hektar Land - und die Flammen wüten weiter.

Am Sonntag rollte die Feuerwalze auch auf die antiken Stätten von Olympia zu, am Nachmittag erreichten die Flammen die ersten Häuser der antiken Stätte. "Olympia brennt! Helft uns! Die Front kommt auf die antike Stätte zu. Wir müssen weg", schrie der Direktor der Museumsanlage, Christos Giannaras, ins Telefon. Auch das Gebäude des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werde von den Flammen bedroht.

Stürmischer Wind peitschte das Flammenmeer unaufhörlich in Richtung der Weltkulturerbe-Stätte. "Der Brand ist außer Kontrolle. Die Flammen werden regelrecht in Richtung Olympia gedrückt", berichtete ein Radio-Reporter aus dem Dorf Platanos, das nur etwa zwei Kilometer nördlich von Olympia liegt.

Dort versuchten die Bewohner mit Gartenschläuchen ihre Häuser vor den Flammen zu retten - wegen der starken Winde konnten keine Löschflugzeuge mehr eingesetzt werden. "Hier brennen alle Dörfer rund um Olympia. Schickt uns Hilfe", flehte eine verzweifelte Frau aus Pelópion.

Am Abend war es den Brandbekämpfern dann offenbar gelungen, zumindest im historischen Olympia die Flammen unter Kontrolle zu bringen. "Das Feuer kam bis auf den Hügel, wurde aber gestoppt, bevor es die archäologischen Stätten erreichen konnte", sagte ein Feuerwehrsprecher am Sonntag. 45 Feuerwehrleute, 15 Löschfahrzeuge, sechs Flugzeuge und zwei Hubschrauber seien an dem Einsatz beteiligt gewesen.

Auch in Mittelgriechenland flammten am Sonntag immer wieder Feuer auf. Die wichtigste Eisenbahnverbindung des Landes von Athen in die Hafenstadt Thessaloniki im Norden musste geschlossen werden.

Unterdessen kündigte die Regierung in Athen Hilfsmaßnahmen für Betroffene an. Danach soll jeder Obdachlose 3000 Euro Soforthilfe erhalten. Jede Familie, die ihren Haushalt verloren hat, bekomme 10 000 Euro, teilte der griechische Finanzminister Giorgos Alogoskoufis mit und rief zu Spenden auf. Kinder und Ehepartner von Todesopfern werde der Status eines Verwandten von im Kriegsdienst Gefallenen zuerkannt. Jeweils ein Mitglied der Familie solle die volle Rente des Verstorbenen erhalten. Zudem würden fällige Zahlungen der Brandopfer an den Staat und die Rentenkassen für sechs Monate ausgesetzt, versicherte Alogoskoufis.

Nach drei Tagen im Dauereinsatz brachte die Wettervorhersage den erschöpften Feuerwehrleuten wenig Hoffnung. Wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) am Sonntag mitteilte, werden die Temperaturen in Griechenland auch in den nächsten Tagen kaum unter 30 Grad sinken. Eine wochenlange Hitzewelle mit Temperaturen um die 40 Grad hatte das Land austrocknen lassen, seit Monaten hat es nicht mehr geregnet.

Im Kampf gegen das Flammeninferno kamen den erschöpften Feuerwehrleuten am Sonntag auch 13 Löschhubschrauber und -flugzeuge aus europäischen Ländern zu Hilfe, weitere Länder sagten Hilfe zu - darunter auch Deutschland, das drei Transporthubschrauber CH-53 mit großen Löschwasserbehältern schicken wird.

Die Bürgermeister vieler betroffener Regionen machten Brandstiftungen durch Bodenspekulanten verantwortlich für die Katastrophe. Das staatliche griechische Fernsehen NET zeigte ein Amateur-Video eines am Sonnabend ausgebrochenen und mittlerweile gelöschten Waldbrandes nahe Athen.

Darin waren zwei Gestalten auf einem Hügel zu erkennen - nur Minuten, nachdem das Feuer ausgebrochen war. Die Polizei untersuche die Bilder, hieß es. In Athen entdeckte die Feuerwehr am selben Tag drei Gasflaschen, die an ein Mobiltelefon gekoppelt waren. Der Brandsatz lag mitten im Wald am Stadtrand des Stadtteils Papagou, wo am Sonnabend ein Feuer wütete.

"Es kann kein Zufall sein, dass wir so viele Waldbrände innerhalb kürzester Zeit haben", sagte Ministerpräsident Karamanlis in seiner Fernsehansprache. Seine Regierung werde alles tun, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Für Hinweise, die zur Festnahme von Brandstiftern führen, setzte Athen mittlerweile Belohnungen zwischen 100 000 und einer Million Euro aus.

Sieben Verdächtige wurden schon am Sonnabend von der Polizei verhört - darunter ein 64-jähriger Mann, der in den Brand in der Ortschaft Areopolis verwickelt sein soll. Allein dort kamen sechs Menschen ums Leben.

Die Medien des Landes bringen Wut und Trauer über die Tragödie auf drastische Weise zum Ausdruck. Die linksliberale Zeitung "Eleftherotypia" erschien am Sonntag mit einer rußschwarzen Titelseite. Unten rechts steht in glutroten Buchstaben: "Es fehlen die Worte".

Und das konservative Blatt "Eleftheros Typos" druckte ein Foto eines verbrannten Baumes auf seiner Titelseite - darunter die Zeile: "Auf der Suche nach Hoffnung."