Dresden. Die Parteispitze um Annalena Baerbock und Robert Habeck treibt die Sorge um, dass die SPD und CDU im Endspurt grüne Wähler abziehen.

So groß wie ein Fußballtor war ein pink-grünes Wahlplakat, vor dem die grüne Doppelspitze Annalena Baerbock und Robert Habeck unweit des weltberühmten Dresdner Zwingers für die Fotografen posierte. Ziemlich groß waren über Wochen auch die Erwartungen der Grünen, was an diesem Sonntag bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen für sie herausspringt.

Doch mitten im Endspurt wächst bei der Ökopartei die Nervosität, dass die Ergebnisse etwas magerer ausfallen könnten. Die Grünen sind gebrannte Kinder. In der Vergangenheit waren sie häufig nur Umfrage-Weltmeister. Vor zwei Monaten schien zum Beispiel in Brandenburg eine Sensation möglich zu sein.

SPD profitiert in Brandenburg vom Präsidentenbonus

Die dortige, weithin unbekannte Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher wurde als erste grüne Ministerpräsidentin gehandelt. Jüngsten Wahlumfragen zufolge kann davon wohl keine Rede mehr sein. Die SPD mit ihrem Regierungschef Dietmar Woidke hat zugelegt und liefert sich mit der AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Dieser Ministerpräsidentenbonus könnte sich in Sachsen auch für Michael Kretschmer von der CDU bezahlt machen. Fast schon etwas zerknirscht analysierte Habeck während einer zweitägigen Klausurtagung des Grünen-Vorstandes in Dresden, dass hinter dem Trend strategische Überlegungen der Wähler stecken: „Daraus spricht sicherlich ein Stück weit die Sorge, dass die AfD die stärkste Kraft in den jeweiligen Ländern werden kann.“

Kretschmer kämpft in Sachsen um die Macht

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    CDU schließt Zusammenarbeit mit Grünen plötzlich nicht mehr aus

    Von Katzenjammer bei den Grünen zu sprechen, wäre sicher übertrieben. Prognostizierte 14 Prozent in Brandenburg und um die 10 Prozent in Sachsen wären vor einem Jahr Ergebnisse gewesen, bei denen Habeck zweifellos glückselig ins Publikum gesprungen wäre, wie er es mit seiner legendären Stagediving-Einlage nach der erfolgreichen Bayern-Wahl im Herbst 2018 vollführt hatte. Denn in beiden östlichen Ländern spielten die Grünen über Jahrzehnte so gut wie keine Rolle. Nun könnten sie jeweils Zünglein an der Waage sein, um Dreier-Koalitionen gegen die AfD zu bilden.

    In Brandenburg könnte es für ein rot-rot-grünes Bündnis unter Führung der SPD reichen. Zu sicher sollte sich Ministerpräsident Woidke jedoch nicht sein. Die Grünen würden nach rot-roten Regierungsjahren liebend gern einen Politikwechsel in Potsdam erzwingen. Dafür müsste es eine Mehrheit für CDU, Linke und Grüne geben. CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben jedenfalls schließt eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht aus – was bemerkenswert ist, weil genau das ein Parteitagsbeschluss der Bundes-CDU von Ende 2018 verlangt.

    Woidke will Ministerpräsident bleiben

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      Kenia-Koalition in Sachsen?

      In Sachsen könnten die Grünen in einer Kenia-Koalition mit CDU und SPD landen. Schwarz-Rot-Grün, das gibt es bislang nur in Sachsen-Anhalt. In Magdeburg fanden die drei Parteien vor zweieinhalb Jahren nur zusammen, weil die AfD bei 24 Prozent gelandet war. Besonders harmonisch arbeitet die Kenia-Koalition nicht zusammen. Deshalb sehen die Grünen das Kenia-Modell für Dresden äußerst kritisch - wie die CDU übrigens auch.

      So verschärfte Habeck nochmals den Ton gegenüber der CDU. Für ein Bündnis gebe es „überhaupt keinen Automatismus, im Gegenteil“, sagte er in Dresden. Wahrscheinlich habe es „noch nie so schwierige Sondierungen“ gegeben, weil „die Gegnerschaft lange geübt und die inhaltlichen Schnittmengen gleich null“ seien. Angesichts der Lage seien die Grünen zu Gesprächen bereit, obwohl Äußerungen aus Teilen der sächsischen CDU gegenüber den Grünen „Übelstes befürchten“ ließen.

      Wahlbeteiligung der Schlüssel zum Erfolg

      Mit seiner harten Ansage will Habeck vor allem grüne Wähler mobilisieren, damit seine Partei am Sonntag möglichst viel Gewicht auf die Koalitionswaage bringen kann. Eine hohe Wahlbeteiligung ist außerdem der Schlüssel, um die AfD als stärkste Kraft zu verhindern. Vor fünf Jahren gaben in Brandenburg nur 47,9 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, in Sachsen waren es 49,1 Prozent.