Mit seinem Einsatz für freies Internet befremdet Guttenberg nicht nur Netzaktivisten. Piraten-Chef: “Er hat vom Netz keine Ahnung.“

Brüssel/Berlin. Und er polarisiert schon wieder: Karl-Theodor zu Guttenbergs Engagement für Internetfreiheit ist unter Netzaktivisten auf heftige Kritik und Häme gestoßen, bei Politikern stößt das neue Betätigungsfeld des CSU-Mannes zumindest auf Verwunderung. Mit Blick auf die Beratertätigkeit des früheren Verteidigungsministers bei der EU-Kommission sagte der mögliche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, er finde dieses Engagement "etwas merkwürdig“.

Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, sieht zu Guttenbergs Beratertätigkeit beim Thema Internetfreiheit kritisch. "Dass er jetzt Netzpolitik machen soll, finde ich eher bedenklich“, sagte Nerz im TV-Sender Phoenix.

Eine neue politische Heimat in der Piratenpartei kann sich Nerz für den ehemaligen Bundesverteidigungsminister nicht vorstellen. "Ich glaube nicht, dass Herr zu Guttenberg zu uns käme, und ich glaube auch nicht, dass er bei uns angenommen würde.“ Zum einen gebe es "einen Dissens im Urheberrecht“. Zum anderen habe "zu Guttenberg demonstriert, dass er vom Netz keine Ahnung hat“. Er habe keine Ahnung, was das Netz für die Gesellschaft bedeute, was es verändern werde und wie sich das Netz verändern werde.

Netzaktivisten empören sich über Guttenberg

Guttenberg solle so ein wichtiges Thema nicht für sein politisches Comeback benutzen, erklärte die internationale Gruppe Telecomix. "Ich persönlich kann nicht glauben, dass Sie dieses Thema ernst nehmen“, sagte der Aktivist Stephan Urbach, der auch der Piratenpartei angehört. Der frühere Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsminister unterstützt EU-Kommissarin Neelie Kroes als Berater in Fragen der Internetfreiheit in autoritären Regimen.

Während Netzaktivisten im Arabischen Frühling für ein unzensiertes Web gekämpft hätten, habe sich zu Guttenberg in Deutschland für Netzsperren eingesetzt, kritisierte Urbach - das sei ein Widerspruch. Telecomix versucht, Nutzern in diktatorisch regierten Ländern einen freien Internetzugang zu ermöglichen und Zensur zu umgehen.

Der Initiator des GuttenPlag-Wikis , das maßgeblich zur Aufdeckung der Plagiate in Guttenbergs Doktorarbeit beigetragen hatte, sprach dem Politiker die Kompetenz für die Aufgabe ab. "Diesem Mann ist das Internet bislang egal gewesen“, sagte der Doktorand am Montag. Zu Freiheitsrechten habe sich der Ex-Minister bisher praktisch gar nicht geäußert. Der Initiator, der anonym bleiben möchte, sieht zudem ein Problem darin, dass Guttenberg nach wie vor für die amerikanische Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) arbeitet: "Das wirft die Frage auf: Wessen Interessen vertritt er da tatsächlich?“

Zu Guttenbergs Verweis, er habe persönlich Erfahrungen mit der Macht des Internets gemacht, sagte der GuttenPlag-Initiator: "Wenn ich mich mitten auf die Straße stelle und vom Auto angefahren werde, heißt das nicht, dass ich Automechaniker bin.“

Etliche Twitter-Nutzer begleiteten die Diskussion mit den Schlagworten (Hashtags) "Lügenbaron“ und "fraudster“, deutsch: Betrüger. Mathias Schindler (@presroi), im Hauptberuf Projektmanager bei Wikimedia Deutschland, kommentierte sarkastisch, Guttenberg führe "als Qualifikation für Netzsperrenkampf seinen Kampf für Netzsperren an“. Vom "Guttenbock zum Gärtner“ habe Kroes den Politiker gemacht, meinte Nutzer @ekkemel. Und der Verein Digitale Gesellschaft (@digiges), verriet, wie er sich Hilfe für "echte Netzaktivisten“ vorstellt: in Form einer Spende.

Auch die Piratenpartei sieht Guttenbergs neues Engagement für die EU-Kommission mit großer Skepsis. An sich sei jedweder Einsatz für die Internetfreiheit zu begrüßen, sagte Parteisprecher Christopher Lang am Montag in Berlin. "Die Frage ist aber, aus welchem Hintergrund so ein Engagement entsteht“, fügte Lang hinzu, "und der derzeitige Hintergrund, der sich hier zu ergeben scheint, ist mehr als fragwürdig.“

So sähen die Piraten bei Guttenberg zum einen nicht die Kompetenz für das Thema. Zum anderen verwies Lang auf das umstrittene Engagement von Guttenbergs Ehefrau Stefanie im Fernsehsender RTL2 gegen Kinderpornografie im Internet. Diese Kampagne sei "ziemlich perfide“ gewesen. Bedenklich sei auch, dass Guttenberg "bis zuletzt gelogen hat und schlussendlich die Wahrheit so hindreht, das sie ihm in seine Realität passt“, sagte er mit Blick auf die abgeschriebene Doktorarbeit des früheren CSU-Hoffnungsträgers.


Guttenberg: "Dies ist kein politisches Comeback"

Guttenberg selbst will seinen Auftritt in Brüssel derweil nicht als Comeback in die Politik bewertet sehen. "Dies ist kein politisches Comeback", sagte der CSU-Politiker. Er bleibe vorerst in den USA. "Sie sehen mich nicht in Deutschland“, sagte er. "Ich plane nicht, in den kommenden Wochen oder Monaten zurückzukehren.“

"Ich habe Karl-Theodor vor dem Sommer gebeten, mir zu helfen“, erklärte die für das Internet zuständige EU-Kommissarin Kroes. "Es war meine Wahl. Ich will keine Heiligen, sondern Talente.“ Damit spielte sie auf zu Guttenbergs in weiten Teilen abgeschriebene Doktorarbeit an. Sie habe "volles Vertrauen“ in den Deutschen. Der Ex-Minister werde die richtigen Gespräche führen, um der Internetfreiheit die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Dazu soll Guttenberg, der im März wegen seiner abgeschriebenen Doktorarbeit von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetreten und später in die USA gezogen war, Verbindungen mit EU-Mitgliedsländern, Nichtregierungsorganisationen und Staaten außerhalb der EU herstellen.

Von Nachfragen, ob die Diskussion über seine Glaubwürdigkeit seinem Auftrag nicht schaden werde, zeigte sich Guttenberg unbeeindruckt. "Der Sache tut es gut, wenn man mit Inhalten überzeugen kann. Und das will ich tun.“ Seine Aufgabe will der Ex-Minister vor allem aus den USA ausüben. Kroes stellte klar, dass er für seine Tätigkeit kein Gehalt bekomme, sondern nur eine Erstattung der Reisekosten.

Mit Material von dpa und dapd