Berlin. Die Mehrheit im Bundestag hat für die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer gestimmt. Die Grünen kritisieren das.

Der Bundestag hat einer Einstufung der nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten zugestimmt. Mit deutlicher Mehrheit gab das Parlament am Freitag grünes Licht für das umstrittene Gesetz, das im Juni aber noch vom Bundesrat verabschiedet werden muss.

Dort verfügt die Koalition über keine eigene Mehrheit und setzt daher auf Stimmen auch von Ländern, an denen die Grünen beteiligt sind. Im Bundestag übten Grüne und Linke scharfe Kritik an dem Gesetz. Insgesamt stimmten 424 Abgeordnete für die Änderung, 143 votierten mit Nein, drei enthielten sich.

Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, die Asylverfahren von Menschen aus den drei Maghreb-Staaten zu beschleunigen und abgelehnte Bewerber aus diesen Staaten schneller in ihre Heimatländer abschieben zu können.

Grünen gegen Neuregelung

Die Grünen wollten die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten nach Angaben ihres Außenexperten Jürgen Trittin im Bundestag geschlossen ablehnen. „Um die Menschenrechte ist es in den Maghreb-Staaten schlecht bestellt. Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt“, sagte Trittin der „Saarbrücker Zeitung“. Auch die Spitzen der großen Sozialverbände befürchten, dass das individuelle Asylverfahren durch die geplante Neuregelung ausgehebelt wird.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verteidigte die Neuregelung. „Die Menschen aus den Maghreb-Staaten kommen zum ganz überwiegenden Teil aus asylfremden Gründen nach Deutschland“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. Bei ihnen müsse der Aufenthalt rasch beendet werden. De Maizière verwies darauf, dass im ersten Quartal dieses Jahres nur 0,7 Prozent der Antragsteller aus den Maghreb-Staaten einen Schutzstatus erhalten hätten.

Sozialverbände appellieren an de Maizière

Trittin appellierte an die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Grünen, sich am Abstimmungsverhalten der Bundestagfraktion ein Beispiel zu nehmen. Zwar könne man den Kollegen in den Ländern nicht vorschreiben, was sie zu tun hätten. „Ich gehe jedoch davon aus, dass die Länder in ihrer Abwägung das grüne Votum im Bundestag gebührend berücksichtigen, wenn im Juni die Abstimmung im Bundesrat ansteht.“

Die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg hatte sich aber bereits darauf festgelegt, in der Länderkammer für die Neuregelung zu stimmen, sofern dem keine verfassungsrechtlichen Hürden entgegenstehen. Das damals noch grün-rot regierte Land hatte 2014 schon die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina ermöglicht. Bei vielen Grünen stieß das auf massive Kritik.

Pro Asyl nennt Reform verfassungswidrig

Auch die Sozialverbände sehen das nun beschlossene Gesetz kritisch. „Es rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl – dem Recht auf individuelle Prüfung –, diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen und über die Asylanträge Schutzsuchender von dort künftig in einem Schnellverfahren zu entscheiden“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie den Zeitungen der Madsack-Mediengruppe. In den drei nordafrikanischen Ländern würden die Menschenrechte von politisch Andersdenkenden, Homosexuellen, Frauen und Behinderten regelmäßig verletzt. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, äußerte die Befürchtung, „dass das Ergebnis des individuellen Asylverfahrens vorweggenommen wird“.

Kritik kommt auch von Menschenrechtsexperten: Pro Asyl bezeichnet das Gesetz als verfassungswidrig. Staatliche Repression, Folter und die Verfolgung von Minderheiten seien asylrelevante Tatsachen, die nicht aus politischem Opportunismus bagatellisiert werden dürften. „Die Bundesregierung beschönigt die Lage und ignoriert Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern“, hatte die Organisation vor der Abstimmung kritisiert. (rtr/dpa)