Karlsruhe/Hamburg. Hat Hamburg mit der Klage gegen das umstrittene Gesetz Erfolg? Die höchsten Richter stellen kritische Fragen zum Betreuungsgeld.

Die Debatte um das umstrittene Betreuungsgeld geht weiter – allerdings mit anderen Vorzeichen. Denn die als "Herdprämie" für zu Hause erziehende Mütter diffamierte Leistung wird nun vor dem höchsten deutschen Verfassungsorgan verhandelt. Und nun steht das Betreuungsgeld in seiner bisherigen Form auf der Kippe. Denn das Bundesverfassungsgericht äußerte am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung massive Zweifel daran, ob der Bund überhaupt das entsprechende Gesetz erlassen durfte (Aktenzeichen 2 BvF 2/13). Der Erste Senat verhandelt über eine Klage Hamburgs gegen die am 1. August 2013 eingeführte Sozialleistung. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Das Betreuungsgeld wird an Eltern gezahlt, die ihre ein- und zweijährigen Kinder zu Hause erziehen und nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagestätte oder zu einer Tagesmutter geben. Das Betreuungsgeld von derzeit 150 Euro im Monat erhalten derzeit fast 400.000 Familien in Deutschland.

Richter: Was passiert, wenn das Betreuungsgeld wegfällt?

Gerichtsvizepräsident Ferdinand Kirchhof hob hervor, dass der Bund nur dann ein Gesetz auf dem Gebiet der "öffentlichen Fürsorge" erlassen dürfe, wenn die Regelung "zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erforderlich" sei. Die Bundesregierung hatte in der Verhandlung jedoch große Mühe, dies zu belegen. Ein Unterschied in den Lebensverhältnissen sei "in der Tat nicht so einfach nachzuweisen", räumte der Prozessbevollmächtigte der Regierung, Michael Sachs, ein.

Die Berichterstatterin des Verfahrens, Richterin Gabriele Britz, hatte zuvor betont, für eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes müsste die Differenz der Lebensverhältnisse "erheblich" sein. Beispielsweise müsste der Ausbau von Kita-Plätzen in alten und neuen Bundesländern unterschiedlich stark vorangekommen sein. Die Bundesregierung argumentierte jedoch fast nur damit, dass das Betreuungsgeld "Teil eines Gesamtkonzeptes" zur Bewältigung der Probleme von Familien bei der Kinderbetreuung sei. Verfassungsrichter Johannes Masing fragte daraufhin, ob tatsächlich "problematische Entwicklungen" zu befürchten wären, wenn das Betreuungsgeld nicht gezahlt würde.

Hamburg: Betreuungsgeld verfestigt alte Rollen von Mann und Frau

Die vormalige SPD-Alleinregierung Hamburgs hatte das auf Betreiben der CSU von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Betreuungsgeld auch deshalb als grundgesetzwidrig bezeichnet, weil es traditionelle Rollenbilder verfestige. Mütter würden deshalb vom Erwerbsleben ferngehalten. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung.

Der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sagte, dieses Gesetz sei eine „ungewollte Belohnung für Eltern mit Migrationshintergrund, die wenig oder schlecht Deutsch sprechen“. Mit dem Betreuungsgeld von monatlich 150 Euro würden deren Kinder von frühkindlicher Bildung ferngehalten.

Das Betreuungsgeldgesetz falle in den Aufgabenbereich der Länder sagte Margarete Schuler-Harms als Bevollmächtigte für die Stadt Hamburg. Der Bund hätte die Sozialleistung gar nicht beschließen dürfen. Das Betreuungsgeld widerspreche außerdem dem Verfassungsziel der Gleichberechtigung der Geschlechter, denn es fördere traditionelle Rollenmuster, bei denen Frauen für das Zuhausebleiben belohnt werden. Derzeit sind nach offiziellen Zahlen 94 Prozent der Bezieher des Betreuungsgeldes Frauen und nur sechs Prozent Männer.

Befürworter: Eltern wollen selbst entscheiden

Das Betreuungsgeld gewährleiste die Wahlfreiheit der Eltern, betonte Bayerns Familienministerin Emilia Müller (CSU). „Viele Eltern in Deutschland wollen selbst entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für die staatliche Betreuung ihres Kindes ist.“

Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg (Hamburg), sagte: "Wir haben als Parlament das Betreuungsgeldgesetz verabschiedet und sind überzeugt, dass es in seiner Ausgestaltung den Anforderungen an unsere Verfassung entspricht." Auch Weinberg sprach von einem Gesamtkonzept, zu dem das Betreuungsgeld gehöre. (HA/rtr/dpa)

Senat klagt gegen Betreuungsgeld

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