Ehemaliger Parteichef Edmund Stoiber begeistert mit leidenschaftlicher Rede. Athen, Islam und AfD bekommen Fett weg. Horst Seehofer bleibt blass

Passau. Horst Seehofer gibt beim politischen Aschermittwoch in Bayern den starken Mann: Als er in der Passauer Dreiländerhalle ans Rednerpult tritt, lobt er zuerst sich selbst. Und er erteilt sich „am größten Stammtisch der Welt“ selbst den Segen von höchster Stelle für seine Politik: von Franz Josef Strauß. Der legendäre CSU-Chef, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, sei sein Vorbild, in seinen Arbeitszimmern stünden Strauß-Büsten, berichtet Seehofer. Und immer frage er sich, wie Franz Josef entschieden hätte. Seehofer kennt natürlich die Antwort: „Ich bin mir ganz sicher, dass er mir immer mit Wohlgefallen über die Schulter geschaut hat. Er hätte als Anhänger des Facebooks immer geklickt: Gefällt mir.“

Der Applaus für Seehofers Rückversicherung auf FJS hält sich in Grenzen, aber seine Botschaft ist klar: Zweifel an seinem Führungsanspruch sind nicht statthaft. Die Gefahr, dass dies ausgerechnet beim bierseligen Hochamt der Partei geschieht, ist allerdings gering. Wie in den vergangenen 63 Jahren sind die CSU-Anhänger erwartungsfroh nach Niederbayern gereist. Auch Fans des klaren Wortes aus anderen Bundesländern.

Die gewünschte klare Ansage lässt nicht lange auf sich warten: Sie kommt aber von Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber. Während der amtierende Parteivorsitzende Seehofer in 30 Minuten – der wohl kürzesten Aschermittwochsrede überhaupt – sein Regierungsprogramm abspult, heizt Stoiber als „Vorgruppe“ leidenschaftlich das Publikum an. „Mister Aschermittwoch“, wie Stoiber in Passau angekündigt wird, gibt vor, womit die CSU im Bierzelt trotz Terrorgefahr, Ukraine-Krieg und Koalitionsräson Stimmung machen kann: Es sind die Griechen, die Islamisten und die Konkurrenz der Alternative für Deutschland (AfD) von rechts, die der CSU den politischen Abschluss der Karnevalszeit retten. Sie liefern die Feindbilder, an denen sich die Christsozialen abarbeiten, während SPD-Chef Sigmar Gabriel keine 20 Kilometer donauaufwärts in Vilshofen das SPD-Bierzelt unterhält.

Stoiber hetzt in seiner knapp einstündigen Rede routiniert von Reizthema zu Reizthema. So darf auch der Standardspruch, dass nicht die Scharia, sondern das Grundgesetz in Deutschland gelte, nicht fehlen. Er beschwört die deutsche Leitkultur und das Grundgesetz: „Wer das nicht gelten lassen will, der muss raus.“ Deutlich geht er auf Distanz zu liberaleren Thesen aus der CDU: „‚Der Islam gehört zu Deutschland‘ – diesen Satz mache ich mir persönlich auf keinen Fall zu eigen.“ Der Satz sei falsch, schon weil nicht klar sei, welcher Islam gemeint sei. „Da muss man sauber differenzieren.“ Stoiber schreit ins Auditorium.

Noch mehr Applaus bekommt er für seine unverblümte Kritik an der „Rüpelpolitik“ der griechischen Regierung, deren aggressive Töne nicht zur EU passten: „Wie viele Tritte kann man der Kuh geben, die man melken will?“ Assistiert wird Stoiber dabei von Manfred Weber, dem niederbayerischen CSU-Chef, der auch Vizevorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament ist. „Wir sind es leid, die Provokationen aus Griechenland jeden Tag zu hören.“ Europa sei „nicht mehr bereit, die Wahllügen der Griechen zu bezahlen“.

Wie Weber macht Stoiber „eine ganz große Sorge in Deutschland aus, es ist die Sorge um die Stabilität des Geldes“. Das ist ureigenes Unionsgebiet. Deshalb schont Stoiber auch die Schwesterpartei und lobt ausdrücklich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: „So hart und knorrig, wie er gerade auftritt, besser könnte es auch der bayerische Finanzminister nicht machen.“ Wenn Stoiber davor warnt, dass die Politik der Europäischen Zentralbank dazu führen kann, „dass der Euro so hart wie die Lira“ wird und dass es nicht sein kann, „dass der Sparer der Dumme ist“, tobt der Saal.

Die Rede des ehemaligen CSU-Chefs ist eine direkte Reaktion auf die aufkeimende Konkurrenz der AfD. Deren Parteichef Bernd Lucke wettert im bayerischen Osterhofen gegen die etablierten Parteien – vor allem gegen die CSU –, und das nicht ohne Grund: Gerade ihnen will Lucke Wählerstimmen abnehmen. „Natürlich ist es so, dass das die Hauptbeute ist, die man erlegen kann“, formuliert er in seiner Aschermittwochsrede, auf die er sich nach eigenen Angaben auch mit YouTube-Videos von Reden der CSU-Konkurrenz vorbereitet hat.

Lucke kritisiert, dass AfD-Politiker völlig anders beurteilt würden als Mitglieder anderer Parteien. „Wenn ein Grünen-Politiker mit Cannabis auf dem Balkon erwischt wird, dann werden medial alle Augen zugedrückt“, meint Lucke mit Verweis auf Grünen-Chef Cem Özdemir. „Wenn ein Kommunalpolitiker der AfD vor zehn Jahren mal falsch geblinkt hat, dann ist die Empörung groß.“ AfD-Bundesvorstandsmitglied Verena Brüdigam langt ebenfalls zu, sie nennt Seehofer einen „heiligen Ritter des Schwachsinns“.

Auch die Grünen holen in Landshut zum Rundumschlag gegen die CSU und ihren Vorsitzenden Seehofer aus. Selbst wenn man sich mit Argumenten auf Seehofer vorbereite, habe man keine Chance – weil der seine Position schon wieder geändert habe, lästert Parteichef Özdemir. Bayerns Landeschef Eike Hallitzky schmäht Seehofer als „Nullleiter der Energiewende“.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat dagegen die Handbremse angezogen. Der Franz Josef Strauß sei der Letzte, „den ich mir für meine Kinder als Vorbild vorstelle“, witzelt er zwar. Und Seehofers Widerstand gegen neue Stromtrassen sei „Unsinn“. Zuvor aber hat er Kompromissbereitschaft beim Verlauf der geplanten Trassen vom Norden in den Süden signalisiert.

Seehofer bleibt blass. Er wirkt wenig motiviert und spricht in fast gemäßigtem CSU-Tonfall die zentralen Parteithemen an: die Energiepolitik, die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, eine Verschärfung des Asylrechts. Auf Angriffe gegen die SPD verzichtet Seehofer, vielleicht aus Rücksicht auf die Koalitionsdisziplin. Gar als „stinklangweilig“ bezeichnet der Passauer Politikprofessor und CSU-Exeget Heinrich Oberreuter die Rede.