Polizeikontrollen statt närrischem Treiben in Braunschweig. Informant aus der islamistischen Szene hatte gewarnt

Braunschweig. Mit solchen Bildern hatten die Braunschweiger und 250.000 erwartete Teilnehmer nicht gerechnet: Polizeibeamte sperrten am Sonntag den historischen Altstadtmarkt ab, Spürhunde schnüffelten nach Sprengstoff – und viele Karnevalisten weinten. Keine zwei Stunden vor dem für 12.20 Uhr am Sonntag geplanten Start wurde der sogenannte Schoduvel in Braunschweig, Norddeutschlands größter Karnevalsumzug, wegen der Gefahr eines drohenden Terroranschlags mit islamistischem Hintergrund abgesagt.

„Die konkrete Gefahr bezieht sich ausdrücklich auf den heutigen Tag und die heutige Veranstaltung“, sagte Braunschweigs Polizeipräsident Michael Pientka. In der Nacht zum Sonntag hatte der niedersächsische Staatsschutz der Braunschweiger Polizei den entscheidenden Hinweis gegeben.

Nach Beratungen mit Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth und den Karnevalisten wurde der Umzug am Sonntagvormittag abgesagt.

„Die Sicherheit geht vor, obwohl es bitter für den Braunschweiger Karneval ist“, sagte Markurth. Die Entscheidung löste große Betroffenheit in Stadt und Region aus, traf jedoch wegen der Sicherheitsaspekte überwiegend auf Verständnis. Zwischenfälle blieben bis auf kleinere, auch alkoholbedingte Reibereien aus.

Die Enttäuschung ist den Menschen ins Gesicht geschrieben. Ein Jahr lang wurde auf das Ereignis hingearbeitet, alles umsonst. „Ich bin sehr traurig – aber auch froh, dass bis jetzt nichts passiert ist und kein Mensch zu Schaden gekommen ist“, sagt der Präsident der Braunschweiger Karnevals-Gesellschaft, Bernd Ratayczak.

Nach Informationen der „Braunschweiger Zeitung“ hat ein Informant aus der islamistischen Szene die Sicherheitsbehörden vor einem „schädigenden Ereignis“ konkret bezogen auf den Braunschweiger Karnevalsumzug gewarnt. Diese Warnung wurde als so ernst zu nehmend eingeschätzt, dass der Stadt die Absage nahegelegt wurde. Befürchtet wurde ein Terroranschlag auf dem Altstadtmarkt, dem Kristallisationspunkt des Karnevals mit mehr als 10.000 Menschen und Liveübertragung im Fernsehen.

Intensive Suche und Personenkontrollen der Polizei blieben ohne Ergebnis. Es wurden zwar zwei auffällige Gegenstände, ein Karton in einem Mülleimer und ein Stück Stoff, gesichert und untersucht – doch Sprengsätze, Waffen oder Munition wurden nicht gefunden. Sprecher der Muslime zeigten sich bestürzt über die Absage und die Terrordrohung. Sie bekundeten den Karnevalsvereinen ihre Solidarität. Avni Altiner, Vorsitzender des Landesverbands der Muslime in Niedersachsen, sagte: „Im nächsten Jahr werden wir selbst am Braunschweiger Karneval teilnehmen. Das ist unser Signal des heutigen Tages.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil twitterte: „Es tut mir leid für die Karnevalisten in Braunschweig, aber Sicherheit muss vorgehen. Ich habe Hochachtung vor den Sicherheitsbehörden.“ Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) rechtfertigte die Absage: „Wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass Menschen gefährdet sein könnten, muss die Sicherheit dieser Menschen Vorrang haben.“

Dass die Landesbehörden in Bezug auf den Braunschweiger Karneval von einer konkreten Gefährdung ausgingen, sei deren Einschätzung, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums in Berlin „Das ist für die Polizei vor Ort eine schwierige Entscheidung, letztlich trägt sie die Verantwortung“, heißt es in Berliner Sicherheitskreisen. Es sei nicht einfach, aus den vielen Hinweisen auf mögliche Terroranschläge „die Spreu vom Weizen zu trennen“.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ist seit Monaten bemüht, eine Beunruhigung der Bevölkerung zu dämpfen: Es gebe Grund zur Sorge, „aber nicht zu Angst und Panik“, sagt er.