Eine Woche Reisediplomatie: Washington, Moskau, Minsk, Brüssel – und zwischendurch kaum Schlaf

Berlin. Siebzehn Stunden hatte Angela Merkel im weißrussischen Minsk mit François Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko verhandelt. Anschließend flog sie nach Brüssel zum informellen EU-Rat und den nächsten langen Verhandlungen. Obwohl Merkel nun schon neun Jahre Kanzlerin ist und in dieser Zeit, etwa bei der Euro-Rettung, zahlreiche dramatische und lange Nachtsitzungen absolvierte, taucht immer wieder die Frage auf: Wie schafft die Kanzlerin das eigentlich? Offenbar traut man einer Frau immer noch nicht die gleiche Belastbarkeit zu wie männlichen Kollegen. Frankreichs Präsident François Hollande, der das identische Programm wie die deutsche Kanzlerin absolviert, wird – obwohl er nicht gerade durchtrainiert aussieht – nicht nach seiner Belastbarkeit gefragt.

Merkels Fitnessgeheimnis ist seit Jahren bekannt und sehr einfach: Es gibt keins. Die Kanzlerin verfährt nach dem legendären Motto Winston Churchills: „First of all: No sports!“ Sie joggt nicht, macht kein Pilates, geht nicht einmal schwimmen. Seit sie nach einem Sturz Anfang 2013 eine langwierige Reha absolvierte, empfängt sie allerdings einmal in der Woche eine Physiotherapeutin im Kanzleramt. Angeblich nennt Merkel diese Stunde selbstironisch: „Mein Work-out.“

Auch sonst gibt es keine Geheimnisse. Merkel trinkt in Maßen Alkohol, am liebsten guten Rotwein, isst Fleisch und auch sonst alles. Ihr Arbeitsalltag ist perfekt durchorganisiert wie bei jedem Spitzenpolitiker. Eine kleine Heerschar von Beamten bereitet ihre Reisen minutiös vor. Auf langen Flügen findet Merkel in den Maschinen der Flugbereitschaft ein Bett, in dem sie schlafen kann. Auch das war bei ihren Vorgängern Gerhard Schröder und Helmut Kohl nicht anders. Deren Strapazier- und Leidensfähigkeit wurde allerdings, vielleicht weil sie Männer waren, weniger öffentlich bewundert.

Merkel erlangte Durchhalteruhm vor allem in den Sitzungen des Euro-Rates, in denen über neue Hilfen für Pleiteländer entschieden wurde. Bekannt ist, dass sie in solchen Verhandlungen gerne ihr Pulver trocken hält. Das bedeutet, dass sie erst andere vorpreschen lässt und sich selbst erst später zu Wort meldet, wenn andere schon müde sind.

Merkel selbst macht unterschiedliche Angaben zu ihrem Schlafbedürfnis. Zwischen vier und sechs Stunden pro Nacht schwanken die Angaben. Bekannt ist, dass sie manchmal den verpassten Schlaf am Sonnabendmorgen nachholt. Der Sonntag ist ihr hingegen nicht heilig. Gern ist sie schon am späten Nachmittag wieder im Kanzleramt und trifft Vertraute, etwa Unionsfraktionschef Volker Kauder. Im Gespräch mit der „Brigitte“ erzählte Merkel im vergangenen Wahlkampf, sie habe die Möglichkeit, Schlaf zu speichern, „wie ein Kamel“ Wasser speichere. Zwischen Weihnachten und Neujahr schlafe sie sich so einen Vorrat an, der ihr später zugutekomme.