Nach dem Entschluss der EZB zum Kauf von Anleihen rutscht die Gemeinschaftswährung weiter ab. Außerhalb Deutschlands wird das positiv gesehen

Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) will in den nächsten eineinhalb Jahren Anleihen im Volumen von 1,14 Billionen Euro kaufen. Dabei sollen ab März erstmals auch europäische Staatsanleihen im großen Stile gekauft werden. Das monatliche Volumen soll 60 Milliarden Euro umfassen. Der Milliarden-Coup soll ein Abrutschen in die Deflation verhindern – und damit eine gefährliche Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und stagnierender Wirtschaft. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Euro, dass die EZB zu diesem Instrument greift.

Zwar hat die Zentralbank schon inmitten der Euro-Krise der Jahre 2010 bis 2012 sporadisch Staatsanleihen gekauft, um die Finanzmärkte zu beruhigen und Banken zu unterstützen. Im Unterschied zu damals will die Notenbank diesmal systematisch Schuldtitel der einzelnen Euro-Länder kaufen. Das Programm zur quantitativen Lockerung der Geldpolitik, kurz QE genannt, hat damit eine ganz andere Qualität als die früheren Maßnahmen. Das müssen Sie dazu nun wissen:

Warum greift die EZB zu diesem Mittel?

Das klassische Instrument der Zinspolitik ist ausgereizt: Der Leitzins liegt bei 0,05 Prozent und der für die Banken wichtige Einlagenzins bei minus 0,2 Prozent sogar schon im negativen Bereich. Über den Zins als qualitatives Instrument lässt sich damit nichts mehr ausrichten. Deshalb muss die EZB zum Mittel der quantitativen Lockerung greifen. Ziel ist es, auf diese Weise noch mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu bringen, damit die Preise wieder steigen. Zuletzt lag die jährliche Teuerungsrate mit minus 0,2 Prozent weit unterhalb dem Ziel der EZB von plus zwei Prozent.

Wie reagieren die Finanzmärkte?

Der Euro rutschte unter das Niveau von 1,15 Dollar. Die Börsianer haben mit kräftigen Kursgewinnen auf die Nachricht der EZB reagiert. Die monatlichen Aufkäufe von 60 Milliarden Euro lagen über den Erwartungen der Märkte. Experten hatten im Vorfeld im Schnitt mit einem Volumen von 625 Milliarden Euro gerechnet, es wurden jetzt mehr als eine Billion Euro.

Wie ist das Programm ausgestaltet?

Die EZB wird ab März öffentliche und private Anleihen im Volumen von 60 Milliarden Euro monatlich kaufen. Der Ankauf soll nach dem Kapitalschlüssel der Notenbanken bei der EZB erfolgen. Damit werden am meisten Bundesanleihen gekauft, weil die Bundesbank den höchsten Anteil an der EZB hält. Dabei wird sie nicht allein am Markt auftreten, sondern die nationalen Notenbanken beauftragen. Auf diese Weise soll jedes Mitgliedsland einen Teil des Risikos tragen. Lediglich das Risiko für ein Fünftel der Aufkäufe soll geteilt werden. Sprich: Jede nationale Notenbank haftet für einen Teil der gekauften Papiere selber.

Wie wirkt es?

Der Kauf von Staatsanleihen treibt die Kurse der Papiere. Damit sinken die Renditen sicherer Anlagen immer weiter. Investoren, die noch etwas verdienen wollen, werden in riskantere Investments getrieben. Das wiederum kann auch die Realwirtschaft beleben, wenn Unternehmen und Haushalte sich günstiger verschulden können. Außerdem – und das ist der wichtigere Aspekt im Moment – belasten sinkende Zinsen tendenziell den Wechselkurs. Wenn mehr Euro gedruckt werden, sinkt nach dem klassischen Gesetz von Angebot und Nachfrage der Außenwert der Gemeinschaftswährung. Der fallende Euro wiederum macht den europäischen Exporteuren das Leben leichter, weil ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit dadurch steigt und sie auf diese Weise mehr im Nicht-Euro-Ausland absetzen können.

Warum ist das Programm so umstritten?

Vor allem in Deutschland gilt die Milliardenmaßnahme als verpönt. Viele Kritiker befürchten, dass die EZB auf diese Weise Staatsfinanzierung durch die Hintertür betreiben könnte, was der Zentralbank laut den EU-Verträgen strengstens untersagt ist. Zudem befürchten sie, dass die EZB sich auf diese Weise viel zu stark in das Wirtschaftsgeschehen einmischt, statt es den europäischen Regierungen zu überlassen, Europa und den Euro zu retten.

Wie bewerten Experten das Vorhaben?

Nur in Deutschland scheint ein Anleihenkaufprogramm so umstritten zu sein. Außerhalb des Landes stehen die Experten Bondskäufen viel aufgeschlossener gegenüber. Das zeigt sich auch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, wo die meisten Teilnehmer das Programm befürworten. So verweist etwa die IWF-Chefin Christine Lagarde auf das erfolgreiche QE-Programm in Amerika. Die dortige Wirtschaft habe die Finanzkrise weit hinter sich gelassen, während die Euro-Zone noch immer nicht das Vor-Krisen-Niveau zurückerobert hat. Zwar werden durchaus auch die Risiken gesehen. Jedoch ist der Tenor, besser diese Risiken einzugehen, als die Euro-Zone in eine Deflation abgleiten zu lassen. „Auch wenn ein solches Programm in Europa nicht die gleichen positiven Effekte wie in den USA haben wird, bin ich ganz klar für QE“, sagte der frühere US-Finanzminister Larry Summers in Davos. Allerdings seien Bondskäufe allein kein Allheilmittel. Diese müssten mit einer klugen Finanzpolitik gekoppelt werden.

Machen das andere Notenbanken auch?

Das Instrument der quantitativen Lockerung gehört seit dem Ausbruch der Finanzkrise fast schon zum Standardrepertoire der Notenbanken. Vor allem die US-Notenbank Federal Reserve hat solche Käufe in den Jahren 2008 bis 2014 immer wieder einmal erfolgreich eingesetzt, um die US-Wirtschaft auf Trab zu bringen. Insgesamt hat die Fed zwei Billionen Dollar eingesetzt, das entspricht etwa elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA. Deutlich kleiner fällt das QE-Programm der Bank of England mit bisher 375 Millionen Pfund – gut fünf Prozent des BIP – aus. Unangefochtener QE-Spitzenreiter ist indes die Bank of Japan. Sie hat bisher 125 Billionen Yen zusätzlich gedruckt – das entspricht immerhin 26 Prozent des BIP –, um das Land aus der Deflation zu retten.