Im Anschluss an die Demo in Leipzig mit 15.000 islamkritischen Teilnehmern kam es zu Tumulten. Pegida-Chef Lutz Bachmann stürzt über ausländerfeindliche Äußerungen - die er indirekt bestätigt.

Leipzig/Dresden. Die Erwartungen waren groß gewesen: Bis zu 60.000 Teilnehmer hatte Legida, der Leipziger Ableger der islamkritischen Pegida-Bewegung, zu seiner Kundgebung am Mittwochabend erwartet, nachdem die für Montagabend geplante Pegida-Demo in Dresden wegen Terrordrohungen von der Polizei verboten worden war. Später war von 40.000 Unterstützern die Rede gewesen. Am Ende waren es nach Angaben der Stadt 15.000 Demonstranten, die sich auf dem Leipziger Augustusplatz vor der Oper verloren – schummrig beleuchtet, denn die Lampen des Konzerthauses waren aus Protest ausgeschaltet worden. Etwa 20.000 Gegendemonstranten gingen auf die Straße; 4000 Polizisten waren im Einsatz.

Überschattet wurde der Aufmarsch von der Nachricht, die sich wenige Minuten vor Beginn verbreitete: Pegida-Gründer Lutz Bachmann, die Führungsfigur der Bewegung, tritt zurück. Er zog die Konsequenzen aus heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen an Fotos, die ihn in Hitler-Pose zeigen, und an ausländerfeindlichen Äußerungen im Internet. „Es tut mir leid, dass ich damit den Interessen unserer Bewegung geschadet habe, und ziehe daraus die Konsequenzen“, sagte Bachmann.

Der 41-Jährige war auch intern massiv in die Kritik geraten. Das müsse „Konsequenzen haben“, forderte Pegida-Vize Rene Jahn in der „Bild“-Zeitung. Im Internet veröffentlichte Fotos zeigen Bachmann mit einem „Hitler-Bärtchen“. Er hatte zunächst versucht, dies als Scherz abzutun.

Der Druck auf die Führungsfigur der Islamkritiker stieg im Tagesverlauf zudem, weil die Dresdner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung gegen ihn einleitete. Auslöser dafür waren Berichte über Facebook-Einträge und Kommentare von Bachmann, in denen dieser Flüchtlinge und Asylbewerber beschimpft und beleidigt haben soll, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Bachmann entschuldigt sich für Äußerungen

„Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Bürgern, die sich von meinen Postings angegriffen fühlen“, erklärte Bachmann und bestätigte damit indirekt, dass die Äußerungen von ihm stammen. „Es waren unüberlegte Äußerungen, die ich so heute nicht mehr tätigen würde.“ Die Pegida-Bewegung verliert somit ihren bekanntesten – und umstrittensten – Vertreter. Die für diesen Montag geplante Pegida-Demonstration in Dresden war unter anderem abgesagt worden, weil es Morddrohungen gegen Bachmann gegeben hatte.

Dass er den Rückhalt innerhalb der Pegida-Führung verlor, lag offenbar an den Äußerungen über Flüchtlinge und Asylbewerber – und nicht an den Fotos in Hitler-Pose. Das „Hitler-Selfie“ sei Satire gewesen, die jedem Bürger freistehe, erklärte Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel. „Die pauschale Beleidigung fremder Menschen allerdings nicht mehr.“ Pegida weise die bekannt gewordenen Facebook-Postings Bachmanns „aufs Schärfste zurück“, sagte Oertel. Vokabeln wie „Viehzeug“, „Dreckspack“ und „Gelumpe“ gehörten nicht „in einen politischen Diskurs“.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) rief wegen der Enthüllungen alle Pegida-Anhänger zur Umkehr auf. „Wer sich in der Politik wie Hitler maskiert, ist entweder ein ziemlicher Idiot oder ein Nazi. Jeder sollte sich überlegen, ob er solchen Rattenfängern hinterherläuft“, sagte er der „Bild“. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte: „Solchen Leuten läuft man nicht hinterher.“

In Leipzig fliegen Böller und Flaschen

Gegen die Legida-Kundgebung in Leipzig waren insgesamt 19 Gegendemonstrationen angemeldet worden, viele Tausend Legida-Gegner blockierten den Zugang zum Augustusplatz. Anhänger der Islamkritiker wurden mit Trillerpfeifen und „Haut ab, haut ab“-Rufen empfangen und am Weiterkommen gehindert. Die Polizei sprach von einer gespannten Stimmung. Beim Abmarsch der Legida-Anhänger kam es laut Polizei vereinzelt zu Tumulten. Es flogen Böller und Flaschen, Journalisten wurden angegriffen. Ob es Verletzte gab, ist noch unklar. Zuvor hatte die Stadtverwaltung den Kundgebungsveranstaltern einen Demonstrationszug über den gesamten Leipziger Stadtring untersagt. Legida wollte ursprünglich die historische Strecke der Montagsdemonstrationen vom Wendeherbst 1989 nutzen. Vor der Demonstration hatte es zudem Brandanschläge auf die Bahnstrecke zwischen Dresden und Leipzig gegeben. „Die Strecke ist bis auf Weiteres gesperrt“, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn sagte, Züge aus Dresden könnten nicht in den Leipziger Hauptbahnhof einfahren. Aus Dresden anreisende Sympathisanten könnten so an einer Teilnahme an der Demonstration gehindert werden.

Sachsens Verfassungsschutz äußerte sich besorgt über extremistische Aktivitäten im Umfeld des Leipziger Pegida-Ablegers. „Legida gebärdet sich im Vergleich zu Pegida entschlossener und viel radikaler“, sagte der sächsische Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath. In Leipzig hätten parteigebundene Rechtsextremisten, Angehörige der Kameradschaftsszene und rechtsextremistische Hooligans mehrfach gemeinsame Sache gemacht. „Diese Kräfte versuchen jetzt, im Rahmen von Legida eine Plattform zu finden“, sagte Meyer-Plath.

Und auch zwischen Pegida und Legida wurden am Abend tiefe Differenzen deutlich. Pegida-Sprecherin Oertel kündigte rechtliche Schritte gegen Legida an. Deren Organisatoren hätten bislang keine klare Erklärung abgegeben, „dass sie den Forderungskatalog von Pegida Dresden übernehmen“. „Alles, was heute Abend in Leipzig gesagt und gefordert wird, ist nicht mit uns abgesprochen. Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen. Daher prüfen wir eine Unterlassungsklage“, sagte Oertel.