Sprachwissenschaftler bewerten das Vokabular als eindeutig nationalsozialistisch. Justizminister nennt Anhänger von Pegida „Heuchler“.

Berlin/Hamburg. An diesem Montagabend marschieren sie wieder, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz Pegida. In Dresden werden Tausende auf die Straße gehen, um gegen eine vermeintliche Islamisierung zu protestiern. Nach den islamistischen Anschlägen in Frankreich hat die Auseinandersetzung um die Islamgegner an Schärfe zugenommen. „Ihr seid alle Heuchler“, warf Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) den Pegida-Anhängern im Deutschlandfunk vor. Eine Gruppe französischer Karikaturisten zeigte sich „angewidert“, dass Pegida den Anschlag auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ für ihre Zwecke instrumentalisieren wolle.

Dabei gerät in Vergessenheit, mit welchem Vokabular Pegida arbeitet. Sie schimpfen über „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ und rufen „Wir sind das Volk“: Experten der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) haben die Begriffe unter die Lupe genommen – und stufen einige davon als „ideologisch sehr bedenklich ein“.

Abendland: Sie nennen sich selbst „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ – kurz Pegida. Der Begriff Abendland stammt aus dem 16. Jahrhundert. Er wurde zunächst rein geografisch, also im Gegensatz zum östlichen Morgenland gebraucht. Eine ideologische Bedeutung erhielt das Wort im 1922 erschienenen Buch „Der Untergang des Abendlandes“ des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler. Darin trägt der Begriff klar antidemokratische Züge. Spengler war der Ansicht, dass die freiheitliche Demokratie eine Art Stadium auf dem Weg zum unausweichlichen Niedergang einer Kultur sei.

Lügenpresse: Der Begriff war bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geläufig, gehörte später auch zum gängigen Vokabular der Nationalsozialisten. Als „Lügenpresse“ wurden Medien verunglimpft, die als unpatriotisch galten und die nationale Interessen – also im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung – angeblich zu wenig vertraten. Der Begriff wurde aber nicht nur von den Nationalsozialisten gebraucht. Auch in der DDR und anderen sozialistischen Ländern war das Wort von der „westlichen Lügenpresse“, die sich kritisch mit Vorgängen in diesen Ländern auseinandersetzte, geläufig.

Volksverräter: Der Volksverrat wurde als Straftatbestand im Nationalsozialismus eingeführt. Der heutige Gebrauch des Wortes Volksverräter zielt darauf ab, die gewählten Volksvertreter als Verräter an „ihrem“ Volk zu bezeichnen. Dabei wird auch klar zwischen Deutschen und Nichtdeutschen unterschieden. Vor den Nazis gab es einen vergleichbaren Straftatbestand, den Landesverrat. Erst mit dem Wort Volksverrat ergibt sich der Bezug zum Völkisch-Nationalen.

Überfremdung: Im Duden taucht das Wort schon 1929 auf, 1993 wurde es zum Unwort des Jahres gewählt. Auch hier gibt es einen klaren Bezug zur Sprache des Nationalsozialismus. Heutzutage sind vor allem Flüchtlinge aus muslimischen Ländern, aber auch Sinti und Roma gemeint, wenn vor „Überfremdung“ gewarnt wird.

„Wir sind das Volk“: Der Ruf auf den Montagsdemonstrationen in der DDR war der Wendeslogan schlechthin. Bei den Montagsdemos in Leipzig gingen im Herbst 1989 Zehntausende Menschen auf die Straße und boten den Sicherheitskräften mit den Rufen „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“ die Stirn. Später wurde der Ruf abgewandelt zu „Wir sind ein Volk“ im Hinblick auf die Wiedervereinigung nach dem Mauerfall. Pegida hat sich den Ruf und auch die Tradition der Montagsdemos heute wieder zu eigen gemacht, um sich gegenüber Zuwanderern und vor allem Muslimen abzugrenzen.

Die Stadt Leipzig hat derweil das umstrittene Verbot von Mohammed-Karikaturen auf der Legida-Demonstration wieder aufgehoben. „Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut, und vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris kann sie nicht hoch genug eingeordnet werden“, erklärte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Die Auflage sei an dieser Stelle zu weit gegangen.

Ursprünglich hatte die Stadt die Auflage erlassen, dass Mohammed-Karikaturen auf der Kundgebung des Pegida-Ablegers Legida nicht gezeigt werden dürfen. Die Stadt betonte, dies sei „einvernehmlich“ zwischen dem Anmelder und dem Ordnungsamt geschehen, um nach den Anschlägen von Paris mögliche Provokationen zu unterbinden. Die Entscheidung hatte für einige Kritik gesorgt.

In Leipzig gehen am Montagabend erstmals Pegida-Anhänger auf die Straße. Es wird mit starken Gegenprotesten gerechnet. Insgesamt sind sieben Gegendemonstrationen angemeldet.

Mehr als 405.000 Menschen haben sich bisher an einer Unterschriftenaktion im Internet gegen das islamfeindliche Pegida-Bündnis beteiligt. Unter der Überschrift „Für ein buntes Deutschland“ sammelt der Organisator der Aktion, Karl Lempert aus Hannover, auf der Plattform „change.org“ seit dem 23. Dezember Unterschriften. Das Ziel: eine Million Unterstützer.