Attentat befeuert in Deutschland die Debatte um Pegida. Medien solidarisieren sich. Mehrheit für weitere Aufnahme von Flüchtlingen

Berlin. Der Anschlag auf das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ hat in Deutschland eine Welle der Anteilnahme ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Donnerstag in der französischen Botschaft in Berlin der Opfer des Angriffs gedacht und sich in ein Kondolenzbuch eingetragen. „Unser Mitgefühl gilt den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs, besonders den Opfern dieses barbarischen Anschlags“ schrieb Merkel. „Gemeinsam werden Deutschland und Frankreich unsere Werte der Freiheit und der Demokratie verteidigen.“ Pressefreiheit sei ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften, fügte Merkel hinzu. „Wir werden alles tun, sie zu schützen.“

Merkel hat den Angehörigen aller Glaubensrichtungen in Deutschland Schutz zugesichert. „Wir tun alles, Menschen jeden Glaubens, egal ob jüdischen, christlichen, muslimischen oder gar keinen Glaubens, in gleicher Weise ... zu schützen“, sagte Merkel in Berlin. Zugleich warnte sie vor einer allgemeinen Debatte über den Islam. „Wir haben mit der über-, übergroßen Mehrheit der Muslime ein sehr gutes Verhältnis. Alle haben sich hier auch klar geäußert zu terroristischen Angriffen“, sagte sie. Vor den vereinzelten Muslime, die sich auch in Deutschland radikalen Gruppen anschlössen, müsse man sich aber schützen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ordnete eine dreitägige Trauerbeflaggung der deutschen Behörden an. De Maizière (CDU) warnte in der „Süddeutschen Zeitung“ vor „populistischen Brandstiftern“ in Deutschland: „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.“ Auch die Bundesrepublik sei aber nicht vollkommen geschützt vor einem Terrorakt wie in Paris. „Ein solcher Anschlag ist auch in Deutschland nicht auszuschließen“, sagte der Minister in der ZDF-Sendung „Was nun, Herr de Maizière?“.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) unterstrich: „Einen Kampf der Kulturen dürfen wir nicht zulassen.“ Maas beklagte, die Art und Weise, wie Pegida, die Partei Alternative für Deutschland (AfD) und die NPD versuchten, diesen Anschlag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sei „widerlich“. Unter anderem waren Aussagen von AfD-Vize Alexander Gauland auf heftige Kritik gestoßen, der den Anschlag als Rechtfertigung für die Anti-Islam-Proteste sah.

Das Verbrechen sei durch nichts zu rechtfertigen, erst recht nicht im Namen einer Religion, sagte der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Jochen Bohl. Der Landesbischof der evangelischen Nordkirche, Gerhard Ulrich, rief dazu auf, an der Seite der Muslime zu stehen, die sich für ein friedliches Miteinander engagieren. Der Koordinationsrat der Muslime verurteilte den Anschlag als „feigen Akt“. Terror habe keinen Platz in irgendeiner Religion, sagte Sprecher Erol Pürlü in Köln. Der Zentralrat der Muslime rief dazu auf, nicht dem „perfiden Plan der Extremisten auf den Leim zu gehen“, die die Gesellschaft spalten wollten: „Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Dreck gezogen.“

Viele deutsche Medien zeigten demonstrativ Solidarität mit „Charlie Hebdo“. Berliner Zeitungen druckten Karikaturen oder Aufmacherseiten der Satirezeitschrift ab. Andere Blätter veröffentlichten geschwärzte Titelseiten und das Bekenntnis „Je suis Charlie“ („Ich bin Charlie“).

Viele Redaktionen hatten zudem ihre Mitarbeiter zu einer Schweigeminute aufgerufen. Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, sagte der „Berliner Zeitung“: „Die Satire muss verteidigt werden als elementarer Bestandteil unserer Auffassung von Meinungsfreiheit.“

In der derzeitigen Debatte um die Zuwanderung ist die Mehrheit der Bürger ist dafür, dass Deutschland weiterhin Flüchtlinge aufnimmt. Angesichts von Kriegen und Verfolgung in der Welt sind 30 Prozent der Bürger dafür, mehr Flüchtlinge als bisher aufzunehmen; das sind zwei Prozentpunkte mehr als noch im Dezember 2014. Daneben sind 43 Prozent (plus vier) dafür, genauso viele Flüchtlinge wie bislang aufzunehmen. Nur jeder Fünfte (21 Prozent, minus eins) spricht sich für weniger Flüchtlinge aus. Dies ergibt der aktuelle Deutschlandtrend von Infratest Dimap im Auftrag der ARD-„Tagesthemen“ und der „Welt“. Dafür wurden am Montag und Dienstag, also vor dem Terroranschlag in Paris, 1000 Bürger befragt.

94 Prozent der Bürger akzeptieren die Einreise von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, 83 Prozent wegen Hunger- oder Naturkatastrophen, aus politischen oder religiösen Gründen 82 Prozent – oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe 79 Prozent. Nur 41 Prozent aber nennen es richtig, diejenigen aufzunehmen, weil sie in ihrer Heimat kein Auskommen haben; 55 Prozent lehnen deren Aufnahme ab. Die Pegida-Anhänger halten die Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten, vor Naturkatastrophen oder aus politischen oder religiösen Gründen mehrheitlich ebenso für richtig, wenn auch zu einem geringeren Anteil. Nur 23 Prozent der Pegida-Sympathisanten aber wollen Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen aufnehmen.