Bundeskanzlerin warnt in ihrer Neujahrsansprache scharf vor Pegida-Demonstrationen

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Teilnehmer der Pegida-Aufmärsche zur Abkehr von der islamfeindlichen Bewegung aufgerufen. In ihrer Neujahrsansprache fand Merkel ihre bislang deutlichsten Worte gegen die seit Monaten laufenden Pegida-Demonstrationen. Diejenigen, die montags auf die Straße gingen und wie die Menschen vor 25 Jahren in der DDR wieder „Wir sind das Volk“ riefen, meinten tatsächlich etwas anderes, warnte Merkel. Ihnen gehe es um Ausgrenzung aufgrund von Hautfarbe oder Religion.

„Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen!“ Merkel warnte: „Zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!“

An den islam- und asylkritischen Aufmärschen der Pegida-Gruppierung hatten zuletzt kurz vor Weihnachten in Dresden mehr als 17.000 Menschen teilgenommen. Auch in anderen Städten gibt es ähnliche Protestbewegungen, allerdings mit deutlich geringerem Zulauf. Inzwischen haben sich auch Gegenbewegungen gebildet, die ebenfalls wachsenden Zustrom verzeichnen.

Merkel selbst war vor einigen Tagen vom CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich der Vorwurf gemacht worden, sie trage mit ihrem Kurs der Mitte eine Mitschuld am Erstarken von Pegida. Statt der AfD und Pegida die Themen wegzunehmen und sie damit zu schwächen, habe Merkel sich entschieden, auf die Themen von SPD und Grünen zu setzen, kritisierte Friedrich.

Merkel allerdings setzte in ihrer Neujahrsansprache auf strikte Abgrenzung zu Pegida: Sie verwies auf die aktuellen Krisen und Kriege, die das zu Ende gehende Jahr prägten – wie etwa das Wüten der Terrororganisation Islamischer Staat besonders in Syrien und im Nordirak. Eine Folge sei, dass es weltweit so viele Flüchtlinge gebe wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. „Viele sind buchstäblich dem Tod entronnen“, sagte Merkel. „Es ist selbstverständlich, dass wir ihnen helfen und Menschen aufnehmen, die bei uns Zuflucht suchen.“

In eindringlichen Worten schilderte die Kanzlerin die Erlebnisse eines Kurden, der vor vielen Jahren unter Lebensgefahr aus dem Irak nach Deutschland geflohen sei und heute Deutscher sei: Er habe gesagt, das Wichtigste sei für ihn, dass seine Kinder hier ohne Furcht aufwachsen könnten. „Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man unserem Land machen kann“, sagte Merkel: „Dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden können.“

Das Lob für die bisherige Hilfsbereitschaft und Offenheit der Bevölkerung hierzulande und ihre klare Hilfszusage für Flüchtlinge aus Krisengebieten können als Machtwort der Kanzlerin in der wochenlangen Debatte um die Aufnahmefähigkeit Deutschlands und um den Kurs der Union gegenüber Pegida verstanden werden. Denn anders als andere Spitzenpolitiker aus CDU und CSU spricht Merkel nicht davon, auf die Pegida-Anhänger und ihre Ängste vor einer Islamisierung zuzugehen. Stattdessen fordert die CDU-Chefin die Pegida-Anhänger zur Umkehr auf. Sie unterstrich, Zuwanderung sei „ein Gewinn für uns alle“.

Merkel appellierte, im kommenden Jahr alles daran zu setzen, den Zusammenhalt im Land zu stärken. „Er macht unsere Gesellschaft menschlich und erfolgreich.“ Dabei zog sie eine Parallele zur Teamleistung der Nationalmannschaft, die zum Gewinn der Fußball-WM im Sommer geführt hatte. „Wir spüren, welchen Wert der Zusammenhalt in unserem Land hat. Er ist die Grundlage unseres Erfolgs.“

Dies gelte auch bei der digitalen Revolution, die unser Leben fundamental verändere und ganz neue Möglichkeiten für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit biete. Ebenso für die demografische Entwicklung, die nicht nur Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt habe, sondern unser gesamtes Leben erfasse, „denken wir nur an die Pflege unserer Angehörigen“. Und schließlich auch für den Welthandel, bei dem es darum gehe, große Wettbewerbschancen für Deutschland zu nutzen und dabei gleichzeitig soziale und ökologische Standards zu behaupten.

Auch auf europäischer Ebene beschwor Merkel Geschlossenheit – vor allem als entschiedenes Signal gegen Russland in der Ukraine-Krise. „Es steht völlig außer Frage, dass wir Sicherheit in Europa gemeinsam mit Russland wollen, nicht gegen Russland“, sagte Merkel. „Aber ebenso steht völlig außer Frage, dass Europa ein angebliches Recht eines Stärkeren, der das Völkerrecht missachtet, nicht akzeptieren kann und nicht akzeptieren wird.“ Europa habe sich entschlossen, sich nicht spalten zu lassen, sondern stärker denn je als Einheit zu handeln, um seine Friedensordnung und seine Werte zu verteidigen. Diese Einheit sei der Schlüssel, um die Stärke des Rechts durchzusetzen.

Für die deutsche G7-Präsidentschaft der sieben führenden Industrienationen im kommenden Jahr kündigte Merkel an, sich „mit aller Kraft“ für verbindliche Vereinbarungen zum Klimaschutz einzusetzen.