Union: SPD sucht wohl ein „Bauernopfer“. Vorgang belastet das Koalitionsklima

Berlin. Nach der überraschenden Behauptung des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy, er sei von seinem Parteifreund Michael Hartmann vor den Kinderporno-Ermittlungen des Bundeskriminalamts (BKA) gewarnt worden, macht sich in der Union neuer Unmut breit. „Der jetzige Zustand ist unerträglich, weil Personen wie Michael Hartmann und der frühere BKA-Präsident Ziercke tief in die Affäre hineingezogen werden“, sagte der Unions-Innenexperte Stephan Mayer (CSU) der „Bild“-Zeitung.

Die SPD selbst müsse Interesse daran haben, „dass die Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Aussagen möglichst schnell aus der Welt geschafft werden“, fügte Mayer hinzu. Edathy habe am Donnerstag im Untersuchungsausschuss Gelegenheit, die Affäre endlich aufzuklären, sagte Mayer. „Dort muss er, wenn er aussagt, wahrheitsgetreu und umfassend aussagen.“

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wies die scharfe Kritik der CSU an seiner Partei zurück. „Ich kann Teile der Koalition nicht daran hindern, ihr SPD-Bashing fortzusetzen“, sagte Gabriel nach Sitzungen der Parteispitze in Berlin. Ob das für die Koalition klug sei, werde sich zeigen. Die Spekulation, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann sei in der Affäre ein „Bauernopfer“, um prominente Sozialdemokraten zu schützen, sei „absurd“, so Gabriel. Die SPD-Führung sei aber bereit, im nächsten Jahr früher als geplant vor dem Edathy-Ausschuss des Bundestags zu erscheinen, wenn das Gremium dies wünsche.

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Michael Frieser, hatte gemutmaßt, dass der SPD-Abgeordnete Hartmann wohl die Rolle als „Bauernopfer für andere in der SPD“ zu spielen habe. Deren Führung habe die Pflicht, auch außerhalb des Untersuchungsausschusses aufzuklären. Frieser: „Irgendjemand scheint hier die Unwahrheit zu sagen.“

Die Hauptperson der Affäre, Sebastian Edathy hatte gegenüber dem „Stern“ behauptet, Hartmann habe ihn am Rande des Leipziger SPD-Parteitags Mitte November über die BKA-Ermittlungen informiert. Hartmann bestreitet das. Edathy hatte im Februar sein Bundestagsmandat niedergelegt, die Affäre löste eine Vertrauenskrise in der Großen Koalition aus. Der damalige Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) trat zurück, nachdem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann öffentlich gemacht hatte, dass Friedrich in seiner früheren Funktion als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel über den Kinderpornoverdacht informiert hatte. Oppermann wusste nach eigenem Bekunden selbst davon, weil er darüber durch Gabriel informiert worden sei.