Angela Merkel verbreitet beim CDU-Parteitag Optimismus – und reitet Attacken gegen den Koalitionspartner SPD

Köln. Wie immer bei der CDU ist das Wichtigste schon vorbei, wenn der Parteitag beginnt. 1001 Delegierte haben sich in der Kölnmesse versammelt, aber sie nicken nur noch ab, was die Parteispitze am Vorabend beschlossen hat. Das hat es in sich: Die CDU will nun doch Steuern senken. Schon in dieser Legislaturperiode soll die kalte Progression, eine automatische Steuererhöhung bei Gehaltssteigerungen für Durchschnittsverdiener, angegangen werden. „In einem ersten Schritt“, wenn „Spielräume“ entstanden sind – lauter Einschränkungen und Eventualitäten, aber: Die vom Vorsitzenden des Wirtschaftsflügels, Carsten Linnemann, angeführten „Steuerrebellen“ haben der Parteiführung eine vage Festlegung abgetrotzt. Die „Steuerrebellen“ hätten öffentlich aufgemuckt, Reden und eine Debattenstrategie lagen schon bereit. Doch sie wurden nicht gebraucht, die offene Debatte war wieder einmal durch den Formelkompromiss vermieden.

Deshalb konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Rede der Bundeskanzlerin: Angela Merkel zeichnete darin ein Land, das vor großen Herausforderungen steht. Bei der Digitalisierung, so die CDU-Vorsitzende, „werden die Karten neu gemischt“. Die kommenden Jahre seien vergleichbar mit der industriellen Revolution: „Die einen haben die Chance aufzuholen, die anderen müssen aufpassen.“ Die anderen – das sind die Deutschen. Zwar vermied Merkel Kritik am Wahlvolk, doch schien durch, was sie über die vielen Ängste ihrer Landsleute denkt: „Lassen Sie uns die Mutigen in diesen spannenden Zeiten sein!“, appellierte sie.

Merkel hat dafür gesorgt, dass die CDU auf gleich drei Feldern optimistisch ist, auf denen andere Parteien pessimistisch sind: Digitalisierung ist für die CDU nicht nur eine Bedrohung für den Datenschutz, Grüne Gentechnik ist nicht ausgeschlossen, und selbst das Fracking, die umstrittene Technologie, Öl und Gas zu gewinnen, wird nicht rundheraus abgelehnt. Merkel deutet diesen Optimismus nur für die Digitalisierung an. Hier gibt sie sogar ein sehr mutiges Versprechen: „Wenn wir es richtig anstellen, wird sie mehr Arbeitsplätze schaffen, als wir an anderer Stelle verlieren.“

Wie die Digitalisierung ist auch der zweite Schwerpunkt von Angela Merkels Rede ein Megatrend: die Demografie. Ein schwieriges Thema für die CDU, die gerade mit der Erhöhung der Mütterrente einen teuren Beschluss gefasst hat, der allen Erkenntnissen zur Überalterung der Gesellschaft Hohn spricht. Die Parteichefin hielt offensiv dagegen: „Diese Mütterrente sagt sehr viel über uns aus, sie steht symbolhaft dafür, wie wir Lebensleistung anerkennen.“ Merkel forderte auch, beim demografischen Wandel ebenfalls „vor allem an die Chancen zu denken“.

Die Konzentration auf die Langzeitthemen Digitalisierung und Demografie dementierte auch das Gerücht, die Kanzlerin strebe noch in dieser Legislaturperiode den Ausstieg aus dem Amt an. Die Botschaft ihrer Rede lautete: Angela Merkel hat noch einiges vor. Wenn das Land vor großen Herausforderungen steht, kann sie nicht von Bord gehen. Der Parteitag dankte es ihr mit einem langen Applaus – und einem guten Wahlergebnis von 96,72 Prozent.

Bei den Passagen von Merkels Rede, in denen sie die politische Konkurrenz angriff, jubelten die Christdemokraten: „Wie viel kleiner will die SPD sich eigentlich noch machen?“, fragte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf die Juniorrolle der Sozialdemokraten unter einem Linkspartei-Ministerpräsidenten in Thüringen. Dies sei eine „Bankrotterklärung an den eigenen Anspruch, als Volkspartei wirklich Zukunft gestalten zu wollen“.

Merkel klang, als denke sie schon an den Wahlkampf 2017: „Nur unsere eigene Stärke, nur eine starke CDU wird Rot-Rot-Grün im Bund unmöglich machen, und daran haben wir zu arbeiten.“ Hingegen bedauerte sie, dass es nicht zu Schwarz-Grün kam: „Wir waren bereit, eine solche Koalition zu wagen. Manche Grünen waren es nicht – schade drum.“

Bei der Wahl des weiteren Führungspersonals überraschte der Parteitag zunächst nicht. Julia Klöckner, die Oppositionsführerin in Rheinland-Pfalz, bleibt Liebling der Partei. Mit 96,5 Prozent wählten sie fast so viele wie die Kanzlerin. Volker Bouffier aus Hessen, der einzige Ministerpräsident in der Stellvertreterrunde und Chef eines weitgehend geräuschlos arbeitenden schwarz-grünen Bündnisses, erhielt mit 89 Prozent ein gutes Ergebnis, NRW-Landeschef Armin Laschet mit 76 Prozent ein eher bescheidenes, obwohl sein Landesverband die meisten Delegierten stellte.

Thomas Strobl aus Baden-Württemberg hatte seine Niederlage schon hinter sich: In einer Mitgliederbefragung war er dem kaum bekannten Gegenkandidaten Guido Wolf unterlegen. Bei seiner Bewerbungsrede zeigte sich Strobl wieder obenauf. „Ich kenne nur einen Gegner. Und dieser Gegner steht links“, sagte er mit Blick auf die grün-rote Landesregierung. 75 Prozent Zustimmung waren dann aber auch nicht gerade aufmunternd. Aber immer noch besser als bei Ursula von der Leyen. Sie ist bei Medien und Basis beliebt, unter CDU-Funktionären aber nicht. Lediglich 70,5 Prozent stimmten für sie als Vizevorsitzende.

Auch wenn beim Parteitag das Augenmerk auf Merkels Rede, ihrem Wahlergebnis und dem ihrer Stellvertreter lag: Am Rande deutete sich bereits das nächste Konfliktthema an: Der „Steuerrebell“ Carsten Linnemann forderte, der Solidaritätszuschlag solle 2019 auslaufen. „Wir haben damals gesagt, dass der Soli ausläuft, daran muss man sich auch halten“, sagte er im Phoenix-Interview: „Wir müssen jetzt den Staat effizienter machen. Dann, bin ich mir sicher, brauchen wir den Soli nicht mehr.“ Angela Merkel hatte vor drei Tagen einen Verzicht auf den Zuschlag ausgeschlossen.