Niedersachsens SPD-Landeschef Weil greift Parteivize Stegner nach dessen Kritik scharf an

Hannover. Stephan Weil, Niedersachsens Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender, hält sich selbst für einen „absolut friedfertigen“ Zeitgenossen. Kein böses Wort kommt dem Juristen in der Öffentlichkeit über die Lippen, schon gar nicht gegen die eigenen Leute. Loyalität. Der Ärger muss also ausgesprochen groß gewesen sein, als Weil am Montag sein Hannoveraner Stammlokal „Vater und Sohn“ betrat, wo er regelmäßig die Journalisten der Landespressekonferenz über seine zumeist wenig überraschende Sicht der Dinge informiert. Weil hat sich dieses Mal noch gar nicht richtig hingesetzt, da legt er auch schon los.

Er wolle aus aktuellem Anlass ein paar Sätze zu den Fragen des Bundespräsidenten an die politisch Verantwortlichen in Thüringen sagen. Zu dessen leiser Kritik an der bevorstehenden rot-rot-grünen Regierungsbildung in Erfurt. Zu einem möglichen Ministerpräsidenten von der Linkspartei. Im Jubiläumsjahr des Mauerfalls. Er, Stephan Weil, sei da nämlich, ganz anders als zum Beispiel sein Parteifreund Ralf Stegner, der Meinung, dass „Gauck jedes Recht habe, solche Fragen zu stellen“. „Verfassungsrechtlich wie verfassungspolitisch“ habe dieser richtig gehandelt. Dagegen, so Weil weiter, sei es keineswegs „Sache eines stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden, den Bundespräsidenten zur Zurückhaltung aufzufordern“. Zurückhaltung sei also in der Tat geboten – „allerdings nur für Ralf Stegner“. Ende der Durchsage?

Nicht ganz. Quasi im Vorbeigehen stellt Niedersachsen Regierungschef auch gleich ein großes Stoppschild für alle Gedanken an eine rot-rot-grüne Regierung im Bund auf, ein Planspiel für die Zeit nach der Bundestagswahl 2017, das vor allem Stegner seit der Bildung der großen Koalition in Berlin regelmäßig pflegt. Rot-Rot-Grün, betont jetzt Weil, sei, „so weit ich schauen kann“, im Bund überhaupt keine Option. Zu groß die Unterschiede zwischen den Parteien „in fast allen Bereichen“, in der Außen- und Sicherheitspolitik seien die Linken „meilenweitest entfernt“.

In Erfurt aber, sagt Weil, jetzt wieder ganz der Diplomat, müsse am Ende die dortige Landespartei die richtige Lösung für Thüringen finden. „Ich würde es mir auch verbitten, wenn die Thüringer sich in die niedersächsische Regierungsbildung einmischen würden.“

SPD-Vize Stegner, auch Landeschef der schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten, hatte sich zu Wochenbeginn wiederholt dezent kritisch mit den Einlassungen des Bundespräsidenten auseinandergesetzt. „In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik“ sei für das Staatsoberhaupt „Zurückhaltung klug und geboten, zumal dessen Amtsautorität auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht“. Auf das Gebot der Überparteilichkeit beharrt auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Weil hat sich mit seiner Intervention in Sachen Gauck schon zum zweiten Mal innerhalb nur weniger Monate als Gegenspieler Stegners auf Ebene der SPD-Landeschefs positioniert. Zuletzt hatte er die von Stegner propagierte stark sozialpolitische Ausrichtung der Partei kritisiert und auf mehr Wirtschaftsfreundlichkeit in der SPD-Spitze gepocht.