Katrin Suder soll Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei den Problemen der Bundeswehr beraten. Ein Rezept, das schon mehrfach scheiterte

Berlin. Seit der Amtszeit von Helmut Schmidt (SPD) als Verteidigungsminister wird es versucht: Wann immer es im Rüstungsbereich der Bundeswehr hörbar knirscht, soll es ein kompetenter Seiteneinsteiger aus Wirtschaft oder Wissenschaft richten. So auch wieder unter Ursula von der Leyen (CDU). Seit dem 1. August dieses Jahres ruht die ganze Hoffnung der Verteidigungsministerin, die Defizite bei der Ausrüstung der Bundeswehr in den Griff zu bekommen, auf der von der Unternehmensberatung McKinsey abgeworbenen Physikerin Katrin Suder.

Die neue Staatssekretärin hat bei einem ihrer ersten Auftritte die Messlatte für das, was sie erreichen will, sehr hoch gehängt: „Es muss uns gelingen, uns so aufzustellen, dass es keine zeitlichen Verzögerungen und keine Kostenexplosionen gibt.“ Ihr Ziel, eine „Rüstungsindustrie 4.0“, soll mit den Erfahrungen aller westlichen Industriestaaten seit dem Zweiten Weltkrieg brechen. Deren Quintessenz lautet so: Die Produktion technologisch anspruchsvoller Großwaffensysteme dauert doppelt so lange wie vorgesehen, ihr Preis ist doppelt so hoch wie ursprünglich vereinbart, und ihre Leistung ist nur halb so gut wie versprochen. Aber gibt es eine reelle Chance auf Erfolg?

Die Geschichte der externen Experten im Rüstungsbereich des Wehrressorts begann im Sommer 1970, als es dem damaligen Minister Schmidt gelang, den ihm nahestehenden Industriemanager Ernst-Wolf Mommsen für ein symbolisches Gehalt – „One-Dollar-Man“ – als Staatssekretär für Rüstung zu verpflichten. Milde, aber vielsagend beurteilte der damalige Generalinspekteur Ulrich de Maizière die Aktivitäten Mommsens: „Seine oft unkonventionellen Vorschläge bildeten ein belebendes Element in der Leitung des Ministeriums.“ Im Klartext: Mommsens Sachkunde hielt sich in Grenzen. Seine Welt war der Umgang mit den Großen der deutschen Rüstungsindustrie. Noch heute erinnern sich ehemalige Mitarbeiter Mommsens an diese Zeit – weil es überall, wo er auftauchte, „Champagner bis zum Abwinken“ gab.

Schmidt war mit der Leistung Mommsens dennoch zufrieden. Er empfahl auch dem 1978 ins Amt des Verteidigungsminister gekommenen Hans Apel, sich von einem Industriemanager beraten zu lassen. Apel folgte dem Rat im März 1981, indem er den Manager Manfred Emcke als seinen „Berater des Ministers in industriellen Fragen“ einstellte. Auch er war ein „One-Dollar-Man“, erhielt aber nicht den Rang eines Staatssekretärs. Noch ehe er sich richtig eingearbeitet hatte, war die sozialliberale Koalition gescheitert – und mit Apel verschwand auch sein Berater Emcke.

Der neue Verteidigungsminister hieß Manfred Wörner (CDU). Wörner hatte während eines Winterurlaubs in St. Moritz den in St. Gallen lehrenden Professor für Betriebswirtschaftslehre, Manfred Timmermann, kennengelernt. An der Bar eines Nobelhotels trug Timmermann dem deutschen Verteidigungsminister seine Vorstellungen über eine Neuorganisation des Rüstungsbereichs vor – und Wörner war begeistert. Tage später verkündete er der staunenden politischen Führung seines Hauses die Absicht, Timmermann zum Staatssekretär Rüstung zu ernennen. Wörner überging nicht nur mögliche Kandidaten aus der Rüstungsabteilung, sondern präsentierte auch einen Kandidaten, der mit der Materie Rüstung nie etwas zu tun gehabt hatte. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Rüstungsabteilung leistete passiven Widerstand. Timmermann hatte keine Chance, etwas von dem wahr zu machen, was er Wörner angekündigt hatte.

Eine neue Variante, aushäusigen Sachverstand zu aktivieren, hatten sich Rudolf Scharping (SPD) und sein militärischer Chefberater Harald Kujat ausgedacht: „Outsourcing“, das heißt in diesem Fall die Teilprivatisierung der Bundeswehr durch Auslagerung wesentlicher Aktivitäten in eine private Gesellschaft, an der das Ministerium zunächst nur Minderheitsbeteiligter war. Im August 2000 wurde die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH (g.e.b.b.) als ein „unternehmerischer Arm des BMVg“ gegründet. Das Konzept stammte von der Unternehmensberatung Roland Berger, die ein jährliches Einsparpotenzial von 1,9 Milliarden Mark prognostizierte. Dementsprechend plante Scharping bereits für die Jahre 2001 und danach jährliche „Privatisierungserlöse“ von einer Milliarde Mark im Haushalt ein. Doch es kam anders: Bis heute ist strittig, ob die g.e.b.b. jemals Geld verdient hat. Nachzuweisen ist allerdings, dass sie in großem Stil Geld ausgegeben hat – so zum Beispiel 50.000 Mark für Beratung „bei der Unterstützung einer Betriebsphilosophie mit dem Betriebsrat“. Geschäftsführerin der g.e.b.b. wurde die gerade in Berlin als Finanzsenatorin gescheiterte Annette Fugmann-Heesing. Sie verkündete bei ihrem ersten Auftritt vor den versammelten Granden der Bonner Hardthöhe: „Die Bundeswehr muss völlig neu gedacht werden.“ Nach eineinhalb Jahren war der Spaß beendet. Abgefunden mit 600.000 Mark verschwand Fugmann-Heesing wieder aus der Bundeswehr. Zurück blieb eine vor sich hin dümpelnde Agentur mit hoch bezahlten Geschäftsführern.

Trotz all dieser Erfahrungen hat von der Leyen entschieden, die Geschichte der Seiteneinsteiger mit der Berufung Suders als Rüstungsstaatssekretärin fortzusetzen. Erreicht sie ihre selbst gesteckten Ziele, wird sie als Wunderkind in die Geschichte des Ministeriums eingehen. Wahrscheinlicher ist, dass es ihr wie Mommsen, Emcke, Timmermann oder Fugmann-Heesing ergeht – und sie scheitert.