Die Ströme nach Deutschland ebben nicht ab. Bundesinnenminister bringt Zugangskontrollen in Zügen ins Gespräch – ähnlich wie in Flugzeugen

München. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rechnet auch für die kommenden Monate mit Flüchtlingszahlen auf Rekordniveau – und erhöht deshalb den Druck auf die EU-Mittelmeerstaaten, allen voran Italien. Die Länder müssten ihre Verpflichtungen bei der Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen nachkommen, verlangte der Minister am Dienstag bei einem Besuch in München. Er brachte dabei Zugangskontrollen für Züge ähnlich wie bei Flugzeugen ins Gespräch. Zugleich bekräftigte de Maizière seine Forderung nach einer gleichmäßigeren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU.

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sprach sich nach Beratungen seines Kabinetts mit de Maizière für eine nationale Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen aus. Als Modell nannte Seehofer das gemeinsame Vorgehen nach der Hochwasserkatastrophe 2013. Ein guter Startpunkt dafür sei die für kommende Woche geplante Ministerpräsidentenkonferenz, erklärte er.

De Maizière klagte, es könne auf Dauer nicht sein, dass nur zehn von 28 EU-Staaten überhaupt Flüchtlinge aufnehmen und dass 75 Prozent der Menschen in vier oder fünf Staaten unterkommen, darunter Deutschland. Ziel sei es, eine Verteilung auf alle Staaten der EU zu erreichen.

Unabdingbar ist nach Worten des Ministers aber, dass Italien Flüchtlinge nicht unkontrolliert in andere EU-Staaten ausreisen lässt. Italien wisse, welche Verpflichtungen es zu erfüllen habe, betonte er. „Und darauf setze ich jetzt.“ Ein mögliches Mittel könnten Zugangskontrollen für Züge sein. „Ein Beförderungsunternehmen ist verpflichtet, nur diejenigen zu befördern, die eine Fahrkarte haben“, erklärte de Maizière. Bei Flügen werde vor dem Einsteigen geklärt, ob jemand ein Ticket habe – bei Zügen aber bisher nicht.

Mit einer merklichen Entspannung rechnet der Minister auf absehbare Zeit nicht. Die Flüchtlingszahlen seien derzeit so hoch wie seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr. „Und es ist nicht zu erwarten, dass sich in sehr kurzer Zeit diese Zahlen erheblich reduzieren.“ Mit dieser großen Herausforderung müsse man gemeinsam fertig werden. Auch der Bund müsse seine Hausaufgaben machen – etwa kürzere Asylverfahren und mehr Stellen beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dabei lobte er: „Die Länder tun das ihnen Mögliche, um die Flüchtlinge und Asylbewerber anständig unterzubringen.“ Der Minister betonte einerseits, dass politisch Verfolgte Asyl bekommen müssten – und hier anständig und menschenwürdig untergebracht werden müssten. Andererseits müssten die, die keinen Schutz bräuchten, schneller in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. „Wir brauchen Platz für die wirklich politisch Verfolgten“, sagte Maizière

Auf Forderungen nach einem Flüchtlingsgipfel reagierte der Minister, der in München unter anderem die Erstaufnahmeeinrichtung in der Bayernkaserne besuchte, zurückhaltend. Er lehne die Idee zwar nicht von vornherein ab, sagte er. Man müsse dies aber in Ruhe überlegen. „Die Forderung nach einem Gipfel wundert mich etwas. Vor allem weil diejenigen, die jetzt einen Gipfel fordern, in der Vergangenheit uns immer vorgeworfen haben, wir würden zu viele Gipfel machen“, sagte der CDU-Politiker in München. „Dass wir uns gegenseitig Vorwürfe machen, hilft uns nicht weiter.“

Angesichts der sprunghaft gestiegenen Flüchtlingszahlen in Deutschland hatten vor allem die Grünen ein Spitzentreffen aller Verantwortlichen gefordert. Mit einem Rückgang des Flüchtlingsstroms sei auf absehbare Zeit nicht zu rechnen, sagte de Maizière. Die Zahlen seien derzeit so hoch wie Anfang der 90er-Jahre nicht mehr. Für das laufende und das kommende Jahr rechne er mit jeweils gut 200.000 Asylsuchenden.

Die Misshandlung von Flüchtlingen durch private Wachleute in Nordrhein-Westfalen bezeichnete de Maizière als bestürzend, er hielt sich aber mit Schuldzuweisungen zurück: „Ich bin zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen die bestürzenden und bedrückenden Vorfälle restlos aufklären wird, und ich bin ebenso zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen diese Mängel unverzüglich abstellen wird.“ Es sei aber nicht sein Stil, öffentlich Zensuren zu erteilen, Ratschläge zu geben oder zu kritisieren. Er sei sich zudem „ganz sicher, dass andere Länder das zum Anlass nehmen, zu gucken, ob es bei ihnen ähnliche Probleme geben könnte. Da bedarf es keiner öffentlicher Ratschläge durch mich.“

Aus Horst Seehofers Sicht machen mehrere Problemfelder, von der Kontrolle der EU-Außengrenzen bis zur Verteilung der Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge, das Zusammenwirken aller politischen Ebenen in Deutschland nötig. „Deswegen plädiere ich dafür, das zur nationalen Gemeinschaftsaufgabe zu machen“, sagte der CSU-Chef. Vom Bund forderte er, EU-intern auf eine bessere Kontrolle der Außengrenzen zu dringen: „Wenn die Außengrenzen nicht mehr kontrolliert werden, ziehen die Menschen den Schluss: Es gibt keine Kontrollen mehr. Was heißt das für die innere Sicherheit?“