Bund und Länder ordnen Finanzen für Zukunft neu. Scholz und Schäuble führen Gespräche, stoßen aber auf Widerstand

Hamburg/Berlin. Wie immer, wenn es in der Politik um Geld geht, wird es laut. Und die Rufe von Ministerpräsidenten, Finanzpolitikern und Opposition sind gerade ziemlich laut. Es geht ja auch um sehr viel Geld. Um etliche Milliarden. Manche sagen: Deutschland ordnet in diesen Wochen seine Finanzen für die Zukunft neu.

Denn die alten Finanzierungsmodelle der Bundesrepublik laufen aus: 2019 der Solidaritätspakt mit einem Volumen von rund 14 Milliarden Euro jährlich. Ebenfalls 2019 endet der Finanzausgleich zwischen armen und reichen Bundesländern, knapp neun Milliarden wurden 2013 umverteilt, Tendenz steigend. Hamburg war 2013 eines der vier Geberländer. Gleichzeitig dürfen die Länder ab 2020 laut Verfassung keine neuen Schulden machen. Berlin, Bremen oder das Saarland setzt das unter Druck. Reiche Bayern und Hessen klagen vor dem Verfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich – sie zahlen jedes Jahr Milliarden ein.

Wenn nun die Finanzen der Republik für die Zukunft neu geordnet werden, geht es nicht nur um Milliarden. Im Zentrum steht auch die Frage, wie viel Solidarität unter den Bundesländern bleibt und wie viel Wettbewerb die Politik zwischen Bundesländern zulässt. Es geht um Geld – und Moral.

Als sich die Großkoalitionäre von Union und SPD im vergangenen Jahr zu Verhandlungen über die Politik einer gemeinsamen Regierung zusammengesetzt haben, sollen sich der designierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) über die Linien der Finanzpolitik eng abgestimmt haben. Manche sagen, die beiden haben das Konzept im Alleingang ausgearbeitet und den Ländern vorgesetzt. Auch in diesen Wochen, in denen die Finanzminister von Bund und Ländern die im Koalitionsvertrag beschlossene Neuordnung ausarbeiten, sind Schäuble und Scholz eng beieinander. Ein internes Papier mit ihren Ideen liegt dem Abendblatt vor. Doch Widerstand gegen den Vorstoß hat sich bereits formiert.

Ab Seite 62 geht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD um die „soliden Finanzen“. Bis zur Mitte der Legislaturperiode, also bis Herbst 2015, wolle die Regierung Reformen vorschlagen für den Länderfinanzausgleich, den auslaufenden „Soli“, aber auch für den Umgang mit Altschulden. Schäuble und Scholz wollen den Solidaritätszuschlag ab 2019 nicht einfach wegfallen lassen. Er soll in die Einkommensteuer integriert werden. Die Steuer soll im Zuge der Reform aber der allgemeinen Preissteigerung angepasst werden. Am Ende dürfe es nicht zu Steuererhöhungen für einzelne Einkommensgruppen kommen, heißt es in dem Papier. Die rund 14 Milliarden Euro des Solis stünden dann nur noch zu 42 Prozent dem Bund zu. Länder und Gemeinden bekämen neue Milliarden.

Der Vorschlag von Schäuble und Scholz zielt dennoch auf eine größere Macht des Bundes ab. Der Bund darf – anders als die Länder – laut Verfassung auch ab 2016 Schulden machen, maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, etwa acht Milliarden Euro. Und so übernehme der Bund laut Arbeitspapier nach und nach die Kosten der Länder und Kommunen für Sozialleistungen, wie beispielsweise das Wohngeld, die Unterkünfte für Langzeitarbeitslose oder das Geld für die Hilfe für behinderte Menschen. Für die Entlastung der Länder soll der Bund mehr Mitsprache bei der Sozialgesetzgebung der Länder und Kommunen erhalten. Auch das „Schuldenmanagement“ von Bund und Ländern soll in Berlin zusammengeführt werden. Der Stabilitätsrat, ein Gremium, das die Haushalte der Republik überwacht, erhält nach Scholz’ und Schäubles Plänen mehr Aufgaben.

Finanzminister aus hoch verschuldeten Bundesländern wollen aus dem Soli zudem einen Altschuldenfonds finanzieren. Der Bund würde dabei mit den Soli-Einnahmen die Zinslasten der „höchstverschuldeten“ Bundesländer tragen. Hamburg gehört nicht dazu. Trotz steigender Schulden sinkt die Zinsbelastung der Stadt seit Jahren.

Scholz und Bundesfinanzminister Schäuble wollen mit dem Papier die Debatte über die Neuordnung der Finanzen beschleunigen. Doch nicht überall kommt der Vorstoß im Duett gut an. „Die Verhandlungen sind zu einer großkoalitionären Hinterzimmer-Veranstaltung geworden“, kritisiert die Hamburger Grünen-Abgeordnete Anja Hajduk. Sie sitzt im Haushaltsausschuss im Bundestag. Das Parlament sei nicht eingebunden. Zudem greife die vorgeschlagene Integration des Solidaritätszuschlages in die Einkommensteuer zu kurz. „Der Zuschlag ist ausdrücklich an einen Aspekt der Solidarität geknüpft“, sagte Hajduk dem Abendblatt. Eine solidarische Lösung aber sei es, wenn der Soli weiterhin finanzschwachen Ländern als Hilfe zukomme. Die Länder könnten zudem empfindlich auf die Einmischung des Bundes in ihre Sozialpolitik reagieren, die mit der Kostenübernahme bei Hilfen für Behinderte oder Arbeitslose verbunden ist.

In der Tat melden sich im Zuge der Verhandlungen vor allem die reichen Länder im Süden der Republik zu Wort. Die Finanzminister von Bayern und Baden-Württemberg fordern in einem eigenen Papier „mehr Steuerautonomie für die Länder“. Vor allem bei der Einkommensteuer wollen sie einen „Korridor“, in dem Steuern gesenkt oder erhöht werden können – jedes Land nach eigenem Gusto. Reiche Regionen könnten so Arbeitnehmer entlasten und Kapital ins Land holen. Berlin oder das Saarland könnten auf hohe Steuersätze nicht so einfach verzichten. Die Südländer argumentieren mit Verantwortung, die jedes Land selbst für die Finanzen trage. Das schaffe Transparenz und Wettbewerb unter den Ländern.

Hamburgs Bundestagsabgeordneter und SPD-Politiker Metin Hakverdi ärgert sich über Bayern und Baden-Württemberg, die „derzeit Stimmung gegen schwache Bundesländer“ machen würden. Er fordert gerade von den Starken „mehr Solidarität“ in der Debatte. Hakverdi sitzt im Finanzausschuss des Bundestags. Er unterstützt das Konzept von Schäuble und SPD-Kollege Scholz. Die führende Rolle des Bundes bei den Finanzen stärke die Solidarität in Deutschland. „Gleichzeitig bleiben der Anreiz und die Verpflichtung der Länder, die Schuldenbremse einzuhalten und zu sparen. Alles andere schürt nur neoliberalen Wettbewerb“, sagte Hakverdi dem Abendblatt.