Koalition plant offenbar Gesetzestrick: Straßengebühr wird zwar flächendeckend eingeführt, auf kleineren Straßen aber nicht erhoben

Berlin. Lange hat sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gewehrt, jetzt hat er seine Pläne für eine Pkw-Maut doch abgespeckt: Die Vignette wird ab 2016 offenbar nur für Autobahnen und Bundesstraßen eingeführt – die Benutzung von Kreis- und Landesstraßen bleibt gebührenfrei.

Die „Bild am Sonntag“ berichtet allerdings über einen geplanten Gesetzestrick: Formal würde die Maut zwar für alle Straßen eingeführt – auf Kreis- und Landstraßen aber in der Praxis nicht erhoben. Eine Bestätigung dafür gab es nicht, Oppositionspolitiker reagierten auf die Idee mit scharfer Kritik: „Das ist nur noch grotesk“, erklärte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer, die Kanzlerin müsse den „Maut-Unsinn“ endlich beenden.

Nach wie vor macht Dobrindt aus Details seiner endgültigen Pläne ein Geheimnis, seinen überarbeiteten Gesetzentwurf will er erst Ende Oktober vorlegen. Bis dahin – hofft er – werde er grünes Licht von der EU-Kommission erhalten. Schützenhilfe bekam der Verkehrsminister am Sonntag erneut von CSU-Chef Horst Seehofer, dem eigentlichen Vater der Maut-Idee: „Der Streit ist beigelegt, die Maut kommt“, verkündete Seehofer. Mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der zuletzt vor einem zu hohen Verwaltungsaufwand gewarnt hatte, habe er sich besprochen, sagte der CSU-Vorsitzende.

Der Hamburger CDU-Landeschef Marcus Weinberg würde den Maut-Kompromiss begrüßen. „Er wäre politisch gut, weil die anstrengende und ermüdende Diskussion um die Maut, die Wunsch der CSU und weniger der CDU war, damit zu Ende wäre“, sagte er dem Abendblatt. „Auch inhaltlich könnte ich mit dem Kompromiss gut leben.“ Unzufrieden ist Weinberg allerdings mit dem Kommunikationsfluss. Es sei wünschenswert, dass jetzt endlich eine klare und abgestimmte Kommunikation zum möglichen Kompromiss stattfinde. „Das bisherige Hin und Her mit Gerüchten und unabgestimmten Teilergebnissen war kein Beispiel guter Öffentlichkeitsarbeit“, kritisierte Weinberg.

Union und SPD hatten zuvor intern Änderungen an Dobrindts Plänen verlangt – wenn er jetzt liefert, werden sie die Maut aus Gründen der Koalitionsräson aber nicht blockieren. Der CSU-Minister hatte einen Teil des Widerstands selbst verursacht, weil er mit seinem ursprünglichen Konzept vom Koalitionsvertrag abgewichen war. Darin war die Maut sinngemäß nur für Autobahnen vorgesehen. Doch Dobrindt fürchtete, dass Pkw-Fahrer dann auf andere Straßen ausweichen würden – und dass die ohnehin relativ geringen Nettoeinnahmen, die jetzt auf 600 Millionen Euro im Jahr geschätzt werden, sich noch einmal verringern.

Der Plan des Ministers indes, eine deutschlandweite Maut zu erheben, geht nicht auf: In den Grenzregionen, die rückläufige Besucherzahlen aus den Nachbarländern fürchten, gibt es massive Proteste. Deshalb haben einflussreiche CDU-Landesverbände etwa in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen Korrekturen gefordert, während die SPD-geführten Regierungen beider Länder das Konzept rundherum ablehnen; auch aus Baden-Württemberg gibt es massive Kritik. Kritiker verweisen zudem auf den erhöhten Verwaltungsaufwand, wenn die Mauteinnahmen auch noch mit Ländern und Kommunen geteilt werden müssen. Im Ministerium wurde parallel geprüft, nur Grenzregionen von der Maut auszunehmen oder die Gebührenpflicht gleich auf Autobahnen zu beschränken – doch als belastbar gilt in Regierungskreisen nur eine Vignettenpflicht auf Autobahnen und Bundesstraßen. Der teils über Landstraßen laufende Grenzverkehr würde so ohne große Bürokratie entlastet, die Einnahmeerwartungen müssten aber nur geringfügig gesenkt werden. Ein durchaus willkommener Nebeneffekt: Der kleine Koalitionspartner CSU käme ohne Gesichtsverlust aus der Maut-Debatte, die Kritiker wären trotzdem zufriedengestellt. Seehofer jedenfalls versicherte, der Gesetzentwurf werde alle Bedenken auch aus den Grenzregionen „befriedigend lösen“.

Weiter unklar ist aber, ob die EU-Kommission dem Maut-Konzept zustimmen wird. Bislang gibt es aus Brüssel große Bedenken dagegen, dass unterm Strich nur ausländische Pkw-Fahrer belastet werden sollen, weil die Kosten für inländische Fahrer durch eine Senkung der Kfz-Steuer kompensiert würden. In der Regierung hat sich ein Teil der Bedenken indes verflüchtigt, weil inzwischen klar ist, dass Dobrindts Pkw-Maut nur ein Übergangsmodell sein wird: Finanz- und Wirtschaftsministerium lassen Konzepten erarbeiten, wie mehr privates Kapital in den Straßenbau gelenkt werden kann.