Das Geschacher um die einst zum Aufbau Ost benötigten Mehreinnahmen verhindert eine Entlastung der Steuerzahler

Berlin. Bund und Länder loten die Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus. Doch für die Steuerzahler winkt keine Entlastung. Denn Union und SPD sind sich vollkommen einig darin, dass auch nach 2019, wenn der Solidaritätspakt II zum Ausbau Ost ausläuft, die Milliardeneinnahmen aus dem Soli benötigt werden. Nun wird nach alternativen Einnahmequellen gesucht. Vor allem aber streiten Bund und die Länder, wer künftig wie viel Geld bekommen soll.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zum Auftakt der Bund-Länder-Verhandlungen zur Neuordnung der Finanzbeziehungen in der vergangenen Woche ins Spiel gebracht. Als Gegenfinanzierung schlägt er vor, die Einkommen-, die Körperschaft- sowie die Kapitalertragssteuern entsprechend anzuheben. Für den Bürger würde sich somit wenig ändern, da er unter dem Strich genauso viel berappen müsste. Der 1991 als vorübergehende Abgabe eingeführte Soli würde auf diese Weise endgültig zu einer Dauerbelastung. Mit seinem Vorstoß kommt Schäuble aber den Ländern entgegen. Denn während die Soli-Einnahmen von derzeit fast 15 Milliarden Euro pro Jahr allein dem Bund zustehen, gehen die Einnahmen aus den drei Gemeinschaftssteuern an Bund, Länder und Kommunen. Dabei entfallen auf die Gemeinden 15 Prozent, auf Bund und Länder je 42,5 Prozent.

Die Länder reagierten auf Schäubles Pläne allerdings skeptisch. Dies sei kein solidarisches Modell, sagte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke). Vor allem finanzkräftige und einwohnerstarke Länder würden davon profitieren, nicht aber die ostdeutschen. Doch auch aus dem Westen der Republik kommt Widerstand. Nordrhein-Westfalens Kassenwart, Norbert Walter-Borjans (SPD), hält eine Erhöhung der Gemeinschaftssteuern zum Ausgleich für den Wegfall des Solis nicht für einen seriösen Vorschlag. Wenn der Bundesfinanzminister plane, den Solidaritätszuschlag etwa in die Einkommenssteuer einzubauen, sei Vorsicht geboten, mahnte der Sozialdemokrat: „Wie so oft würden sich Schäubles Verhandlungspartner im Nachhinein die Augen reiben, weil sie feststellen, dass der Bundeshaushalt der einzige Gewinner dieser Operation ist.“ Ablehnung signalisierte selbst Schäubles Parteifreundin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die saarländische Ministerpräsidentin warnte, dass auf diese Weise die Schere zwischen armen und reichen Ländern nicht geschlossen, sondern fortgeschrieben würde.

Geht es nach den Ländern, dann sollten ihnen von 2019 an die gesamten Einnahmen aus dem Soli zufließen, die dann laut Prognosen bereits bei 20 Milliarden im Jahr liegen dürften. Das hoch verschuldete Saarland setzt sich dabei gemeinsam mit dem gleichermaßen finanzschwachen Bremen dafür ein, die Mittel aus dem Soli künftig in einen Altlastenfonds fließen zu lassen. Daraus sollten laut Kramp-Karrenbauer nicht nur die Belastungen durch Altschulden der Westländer, sondern auch die der Kommunen gelindert werden. Unterstützung für die Idee eines Altlastenfonds kommt auch aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Ostländer wiederum kämpfen dafür, dass sie über 2019 hinaus einen Ausgleich für ihre im Vergleich zum Westen geringere Steuereinnahmen erhalten.

Finanzlage des Bundes ist schlechter als die der Länder und Kommunen

Der Solidaritätszuschlag ist indes nur eine Facette bei der anstehenden Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern. Insgesamt geht es dabei um die gesamten Steuereinnahmen von derzeit 640 Milliarden Euro. Doch nicht nur die vielfältigen Geldströme zwischen dem Bund und den Ländern sollen neu geordnet werden. Auch der Länderfinanzausgleich, der mittlerweile auf 8,5 Milliarden angeschwollen ist, steht zur Disposition. Die Schuldenbremse, die nicht nur den Bund, sondern auch die Länder zwingt, künftig keine neuen Schulden mehr zu machen, verschärft zugleich überall den Spardruck. Angesichts der Tatsache, dass schon heute, trotz Haushaltsdefiziten, vielerorts das Geld zur Sanierung von Schulen und Straßen fehlt, fordern die Länder mehr Geld vom Bund.

Bundesfinanzminister Schäuble wiederum warnt, der Bund dürfe bei der angestrebten Neuordnung der Finanzbeziehungen mit den Ländern nicht einseitig belastet werden. „Nur auf Mittel des Bundes zu schielen greift zu kurz“, sagte Schäuble zum Auftakt der Haushaltsberatungen des Bundestags. Die Vorstellung, dass die Länder die gesamten Einnahmen aus dem Soli bekommen könnten, wies der CDU-Politiker zurück. Schließlich hätten die Länder bei der Einführung des Solidaritätszuschlags zusätzliche Anteile an der Mehrwertsteuer zulasten des Bundes bekommen. Überdies sei die Finanzlage des Bundes sogar schlechter als die der Länder und Kommunen. Schäuble sprach sich deshalb gegen bloße Finanzverschiebungen aus. Nötig seien klare Verantwortlichkeiten und mehr Eigenverantwortung der Länder.

Ein Anstoß für eine grundlegende Finanzreform in Deutschland kommt vom früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Der Jurist spricht sich dafür aus, den Bundesländern neue Finanzquellen zu erschließen. „Die bundesstaatliche Ordnung ist so zu regeln, dass die einzelnen Bundesländer nach Größe und Leistungsfähigkeit ihre Aufgaben auch erfüllen können“, sagte Papier. Nach dem Grundgesetz hätten grundsätzlich die Länder die Ausgaben zu tragen, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben entstünden. Die anstehende Reform der Finanzverfassung sollte sich auch dieser Ebene widmen, forderte der Verfassungsrechtler. „Ich bin auch dafür, den Bundesländern verstärkt eigene Steuererhebungsrechte zuzubilligen. Zumindest sollten sie in die Lage versetzt werden, die großen, ertragreichen Steuern – insbesondere die Einkommenssteuer – durch bestimmte Ab- oder Zuschläge zu variieren.“ Denkbar sei außerdem, dass Bundesländern ein größerer Anteil der Steuererträge zugewiesen werde, wenn sie anders ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen könnten. Auf einer sekundären Ebene wird hilfsweise der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern weiter eine Rolle spielen. Das gebietet die bundesstaatliche Solidarität. Diese Leistungen dürfen aber nicht dominant werden. Bei der anstehenden Reform müsste es vor allem um die eigenverantwortlich zu gestaltenden Finanzquellen der Länder gehen. Das ist allein schon deswegen geboten, weil die Bundesländer keine bloßen Verwaltungsprovinzen sind, sondern eigene Staaten mit Finanz- und Haushaltsautonomie.