EU bündelt Programme unter dem Namen Erasmus+ – Regierung rechnet mit mehr als 500.000 deutschen Teilnehmern

Berlin. Die europäischen Programme für mehr grenzüberschreitendes Lernen werden neu geordnet und finanziell aufgestockt. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka(CDU) stellte am Donnerstag bei einer nationalen Auftaktveranstaltung in Berlin das neue EU-Jugendaustauschprogramm Erasmus+ vor.

Ein Auslandsaufenthalt von Studenten und Auszubildenden schlage Brücken zwischen den Partnerländern, sagte sie. Zudem biete er jedem Teilnehmer die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln und dazuzulernen. „Das beugt Jugendarbeitslosigkeit vor und schafft Perspektiven für die Jugend Europas.“

Erasmus+ vereint die Programme für Studenten, Schüler und Auszubildende

Das neue Programm Erasmus+ vereint die bisherigen EU-Austauschprogramme Erasmus für Studenten sowie Leonardo da Vinci und Comenius für Auszubildende, Schüler und junge Menschen im Beruf. Die EU stellt dafür bis 2020 rund 14,8 Milliarden Euro zur Verfügung und will vier Millionen junge Menschen erreichen.

In Deutschland werden nach Schätzung des Bundesbildungsministeriums mehr als eine halbe Million Studierende und Auszubildende profitieren. Wanka bezeichnete die Vorgängerprogramme als eine „europäische Erfolgsgeschichte“.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) äußerte die Hoffnung, dass mit der stark verbesserten Finanzausstattung jetzt auch jene jungen Frauen und Männer erreicht werden können, die bislang einen Auslandsaufenthalt während ihrer Ausbildung nicht in Erwägung gezogen haben. „Der internationale Austausch ist auch ein gutes Mittel gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit“, sagte Schwesig.

Nach Einschätzung der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Sylvia Löhrmann (Grüne/Bildungsministerin in Nordrhein-Westfalen), stärkt ein Auslandsaufenthalt nicht nur die Fremdsprachenkenntnisse, sondern auch die interkulturelle Kompetenz der Teilnehmer. „Schüler sollten einmal in ihrer Schulzeit die Möglichkeit haben, Europa in all seiner Vielfalt zu erleben, Freundschaften zu knüpfen und neue Perspektiven zu gewinnen“, sagte Löhrmann in Berlin.

Das Bundesbildungsministerium geht davon aus, dass in Deutschland bis zum Jahr 2020 rund 275.000 Studierende, 150.000 Auszubildende und weitere 130.000 junge Menschen von Erasmus+ profitieren werden. Im vergangenen Jahr war Spanien für Studenten aus Deutschland das beliebteste Erasmus-Gastland – gefolgt von Frankreich und Großbritannien. Bei deutschen Auszubildenden rangierte hingegen Großbritannien auf Platz eins. Beliebt sind aber auch Italien, Finnland, Österreich und Irland.

Alle 28 Staaten der Europäischen Union sind bei Erasmus+ dabei – zusätzlich Island, Norwegen, Liechtenstein, die Türkei und Mazedonien. Zudem können im Hochschulbereich weitere Staaten auch außerhalb Europas in die Förderung einbezogen werden.

Mit der Erhöhung der bisherigen Fördersätze wird jetzt fest gerechnet

Die Erasmus+-Teilnehmer sollen – wie es bürokratisch heißt – ihre Kompetenzen verbessern. Das betrifft etwa Studenten, die ihre Fremdsprachenkenntnisse durch mehr Praxis erweitern oder sich in anderen wissenschaftlichen Methoden ausprobieren möchten. Auszubildende sollen andere Systeme der beruflichen Bildung kennenlernen. Zudem werden innovative, grenzüberschreitende Bildungs- und Jugendprojekte mit Hochschulen wie Unternehmen gefördert.

Die Finanzierung der Programme und Projekte ist nun langfristig gesichert, Auslandsaufenthalte sind damit länger im Voraus planbar, die Antragsmodalitäten wurden vereinfacht. Zudem werden grenzüberschreitende „Wissensallianzen“ zwischen verschiedenen Hochschulen aufgebaut. Neu sind zinsgünstige Darlehen für ein gesamtes Masterstudium im Ausland – bis zu 18.000 Euro für zwei Jahre.

Für Studenten aus Deutschland betrug die monatliche Förderung in der Vergangenheit im Durchschnitt 220 Euro pro Monat – oft viel zu wenig, um die Mehrkosten für ein Studium oder Praktikum im Ausland abzudecken. Die Mietkosten in europäischen Metropolen und traditionsreichen und beliebten Hochschulstädten wie Bologna, Paris und Barcelona sind zum Teil erheblich.

Schon seit mehreren Jahren gab es daher Forderungen nach Mietzuschüssen oder dem Bau von mehr Studentenwohnungen. Mit der Erhöhung der bisherigen Fördersätze wird jetzt fest gerechnet. Beim Berufsbildungsprogramm Leonardo da Vinci wird etwa ein dreiwöchiger Lernaufenthalt in Großbritannien derzeit mit knapp 1000 Euro unterstützt. Von einzelnen Hochschulen, Betrieben und Kammern gibt es zusätzliche Hilfen. Studierende erhalten Informationen über einen Antrag auf Förderung an den akademischen Auslandsämtern ihrer Hochschule. Die örtlichen Kammern geben Auskunft und Tipps für Auszubildende und junge Menschen im Beruf.

Neben Erasmus gibt es weitere Förderprogramme für Auslandsaufenthalte: So können Studenten, die einen Anspruch auf BAföG haben, vom ersten Semester an auch im Ausland studieren. In den vergangenen Jahren taten dies allerdings nur 6,5 Prozent der BAföG-Empfänger, etwa 40.000 pro Jahr. Dabei absolvieren inzwischen etwa 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland mindestens ein Auslandssemester oder ein mehrwöchiges Praktikum in einem EU-Nachbarland.