Experten sind skeptisch, dass das Urteil zu mehr Selbstanzeigen führen wird

Hamburg. Über die Frage, inwieweit der Hoeneß-Prozeß Signalwirkungen auf die Steuermoral haben könnte, sind die Meinungen geteilt. „Das große Signal aus dem Prozess gegen Uli Hoeneß ist, dass die strafbefreiende Selbstanzeige weiterhin ein gutes Instrument ist, in die Steuerehrlichkeit zurückzufinden“, sagte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, dem Abendblatt. „Die Selbstanzeige muss allerdings sorgfältig angefertigt sein, vollständig und rechtzeitig erfolgen.“ Wer nicht steuerehrlich sei, „der muss mit der vollen Wucht des Rechtsstaates rechnen. Das Urteil macht deutlich, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist.“ Die dreieinhalb Jahre Haft seien ein „angemessenes Urteil“. Er glaube aber nicht, so Holznagel weiter, dass der Hoeneß-Prozess eine besondere Signalwirkung habe. „Die Höhe der Beträge, um die es dort geht, spiegelt nicht die Realität des Normalbürgers wider.“ Vielmehr habe sich der Druck auf etwaige Steuersünder unter anderem durch den Ankauf von Steuer-CDs verstärkt. „In den vergangenen vier Jahren hatten wir 55.000 Selbstanzeigen in Bezug auf unversteuerte Kapitalerträge im Ausland. Das Klima ist heute ein anderes als vor 20 Jahren, als Steuerhinterziehung noch salonfähig war.“

„Dieses konkrete Urteil wird wohl keine Auswirkung auf die Steuermoral haben“, sagte der Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, Otmar Kury. „Man kann in den vergangenen Jahren eine erhebliche Zunahme an Selbstanzeigen erkennen. Die Sorge vor der Entdeckung ist gestiegen.“ Eine Abschaffung der strafbefreiende Selbstanzeige, so Kury, „würde im Hinblick auf das Vermögen, das noch immer unversteuert im Ausland liegt, für den Staat schwere finanzielle Nachteile bringen.“

„Mich hat die Prozesstaktik der Verteidigung gewundert“, sagte Ute Mascher, Präsident des Steuerberaterverbandes Hamburg. Die Selbstanzeige sei wohl „mit der heißen Nadel gestrickt worden“ und nicht vollständig. Bei der Signalwirkung zerfalle „die Gesellschaft in zwei Teile“, so Mascher. „Es wird die geben, die das Entdeckungsrisiko höher einschätzen als bisher und die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige annehmen. Aber es wird auch solche geben, die sagen: Wenn der für 28,5 Millionen hinterzogene Steuern nur dreieinhalb Jahre Haft kriegt, dann ist das ja gar nicht so schlimm.“ Mancher könnte auf die Idee kommen zu überlegen, dass bei Zinserträgen von beispielsweise 15.000 Euro pro Jahr die Steuern nur wenige Tausend Euro wären und dann meinen: „Das sitze ich weiter aus.“ Sie sei „sicher“, so Ute Mascher, „dass gerade bei den kleineren Fällen die Einsicht fehlen könnte, die Selbstanzeige zu machen.“