Expertenkommission: Ökostromförderung in Deutschland bringt nichts und gehört abgeschafft

Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dürften das harsche Urteil ihrer eigenen Berater gar nicht nicht gerne hören. Die Kommission Forschung und Innovation (EFI), die die Bundesregierung berät, kommt in einem am Mittwoch vorgestellten Gutachten zu dem Schluss, dass die gesamte deutsche Ökostromförderung abgeschafft gehöre. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei kein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz, urteilen die Experten – in den letzten beiden Jahren sind die Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland sogar gestiegen. Das liegt aber daran, dass neben Öko- auch Kohlestrom boomt. Noch nie wurde so viel Strom ins Ausland exportiert wie 2013.

Auf 22,9 Milliarden Euro seien die Ökostrom-Förderzahlungen 2013 angewachsen, kritisiert das Gutachten. Doch die Kanzlerin und ihr für die Energiewende zuständiger Gabriel (SPD) dürften die Forderung ignorieren, zumal der Gutachterblick etwas kurzfristig und einseitig ist. Denn die Energiewende ist ein bis 2050 angelegtes Großprojekt, mit dem neben dem Atomausstieg bis 2022 auch Schritt für Schritt die Kohleverstromung zurückgedrängt werden soll – beide Energieformen verursachen Folgekosten in Milliardenhöhe. Gabriel sagt, dass dank des EEG der Ökostrom-Anteil bereits bei 25 Prozent liegt.

Und der Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter weist den Vorwurf zurück, dass es durch das EEG keinen Innovationsschub in Deutschland gegeben habe. „In weniger als 15 Jahren hat eine Entwicklung vom Mini-Bastler-Windrad zur hocheffizienten Großtechnik stattgefunden. Bei der Fotovoltaik hat es in zehn Jahren eine Kostendegression von über 80 Prozent gegeben.“ So geht die Debatte schon lange: Für die einen ist das EEG ein Wunderinstrument, für die anderen ein Ausdruck teurer Planwirtschaft.

Ob Gabriel überhaupt Zeit findet, die Expertise der Regierungsberater zu lesen? Er will das EEG nicht abschaffen, sondern generalüberholen. Und darum tobt ein erbitter Kampf, seit die ersten Referentenentwürfe durchgesickert sind. Horrorberechnungen werden verschickt, der Verlust von Jobs oder höhere Fahrpreise im Bahnverkehr heraufbeschworen. Gabriel muss fürchten, dass seine Reform wie so manche zuvor zerfleddert wird – und am Ende der Bürger beim Strompreis kaum etwas davon spürt.

Es droht an einigen Stellen ein Zusammensacken der Einsparpläne. Über 4000 Förderkategorien gibt es im EEG – für jedes Windrad und jede Solaranlage feste Fördersätze, meist auf 20 Jahre garantiert. Um die Industrie, die besonders viel Strom verbraucht, vor übermäßigen Belastungen zu schonen, gibt es Rabatte bei den Förderkosten. In diesem Jahr werden rund 2100 Unternehmen begünstigt, die anderen Stromverbraucher – und dazu gehören alle privaten Haushalte – müssen im Gegenzug 5,1 Milliarden Euro zusätzlich schultern. Denn alle Kosten werden auf den Strompreis abgewälzt.

Derzeit droht ein Aufweichen der Gabriel-Pläne gleich an mehreren Schauplätzen: Gabriel muss auf Druck der EU-Kommission die Nachlässe für die Industrie neu regeln – aber zugleich will er auch Rabatte für Bahnen, die aus ökologischen Gründen Vorteile genießen, anders gestalten. Die von der Deutschen Bahn zu zahlenden Ökostrom-Kosten könnten von 2015 bis 2018 auf 800 Millionen Euro steigen, weil Gabriel so die anderen Stromverbraucher entlasten will. Neben den bisher zu zahlenden 108 Millionen im Jahr kämen bis zu 139 Millionen pro Jahr für die Bahn hinzu, sagen Fachpolitiker. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD), fordert daher Gabriel zum Nachbessern auf – sonst drohten höhere Ticketpreise. „Ich frage mich schon, warum dieser klimafreundliche Verkehrsträger stärker belastet werden soll.“ Das Problem: Dreht man an der einen Stellschraube, führt es zu Mehrbelastungen in einem anderen Bereich.

Schätzungsweise rund 500 Millionen Euro könnte Gabriel einsparen, wenn Unternehmen und Bürger, die Strom selbst erzeugen und verbrauchen, mit einem „Energie-Soli“ von rund einem Cent je Kilowattstunde zur Kasse gebeten werden. Denn sie zahlen bisher keine Ökostromumlage, auch dadurch steigen die Belastungen für andere Verbraucher. Aber unter anderem Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) argumentiert mit dem Bestandsschutz. Unternehmen hätten in eigene Kraftwerke im Vertrauen darauf investiert, dass sie nicht weiter belastet werden. Wegen steigender Kosten liegt der Eigenstromverbrauch im Trend, unter anderem die Autolobby läuft Sturm gegen den Plan.

Die Kappung der Förderung ist ebenfalls umstritten. Gabriel will die Vergütung bei neuen Anlagen auf im Schnitt zwölf Cent je Kilowattstunde senken – bisher angeschlossene Anlagen bekommen weiter die auf 20 Jahre zugesagte Förderung. Aber schon 2013 gab es laut Bundesverband Erneuerbare Energie nur noch eine durchschnittliche Vergütung von 12,7 Cent – am günstigsten war Wind an Land mit 9,3 Cent, am teuersten Meeres-Windkraft mit 19 Cent und Geothermie mit 25 Cent. Da versucht wird, Einschnitte und Stichtage, ab denen Kürzungen gelten sollen, bei Windkraft an Land abzumildern, könnte auch hier die Einsparung geringer ausfallen. Gabriel wird daran gemessen werden, was er gegen die zahlreichen Interessenvertreter durchsetzt. Mit all dem Geld, das die für Lobbyarbeit einsetzten, ließe sich der Strompreis wohl schon dämpfen.