Gewalt in dem afrikanischen Land eskaliert, es droht ein Bürgerkrieg. Früherer Vizepräsident Machar ruft Armee zum Putsch gegen Präsident Kiir auf

Juba. Angesichts der sich ausweitenden Kämpfe im Südsudan holt Deutschland seine Staatsbürger aus dem afrikanischen Land zurück. Es seien Maßnahmen zur Evakuierung eingeleitet worden, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin mit. Flugzeuge der Bundeswehr sind auf dem Weg. Ein Krisenstab wurde eingerichtet. Zudem verlautete, ein Krisenunterstützungsteam der Bundeswehr sei bereits in der Region. Am Donnerstag starteten eine Transall-Transportmaschine mit 93 Plätzen aus dem Bundeswehreinsatz im westafrikanischen Mali und ein kleines Passagierflugzeug des Typs Global 5000 mit 13 Plätzen aus Deutschland, um rund 100 Deutsche abzuholen. Sie sollen am Freitag ausgeflogen werden. Bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Fraktionen der Armee sind bisher Hunderte Menschen getötet worden.

Von den blutigen Unruhen ist auch die Bundeswehr betroffen. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Hans-Werner Fritz, der sich auf einer Inspektionsreise in der Krisenregion unterwegs war, soll sich mittlerweile in Sicherheit befinden. Fritz sei mit drei Begleitern in Entebbe (Uganda) gelandet, berichtet die „Rheinische Post“ und berief sich dabei auf Bundeswehrkreise. Zuvor hatte die Zeitung berichtet, Fritz säße mit einer zehnköpfigen Delegation im Südsudan fest. Außer der Delegation beteiligen sich 16 Bundeswehrsoldaten an einem Uno-Friedenseinsatz in dem Land.

Unterdessen spitzen sich die Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Aufständischen weiter zu: Die Armee hat offenbar die Kontrolle über die wichtige Stadt Bor, rund 200 Kilometer nördlich von Juba gelegen, an Rebellen verloren. Anhänger des regierungskritischen Generals Peter Gatdet Yak hätten zunächst die Militärkasernen in der Hauptstadt der Region Jonglei im Osten des Landes angegriffen und schließlich die ganze Stadt eingenommen, berichtete die „Sudan Tribune“.

Hintergrund der seit Sonntag andauernden Gewalt ist ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem im Juli entlassenen ehemaligen Stellvertreter Riek Maschar. Die Unruhen sind auch ethnisch motiviert: Kiir gehört zur Volksgruppe der Dinka, Maschar ist ein Nuer. Zwischen den beiden rivalisierenden Ethnien kommt es in dem bitterarmen ostafrikanischen Land immer wieder zu brutalen Attacken. Auch der abtrünnige General Gatdet Yak sei ein Nuer. Am Donnerstag hat Maschar die Armee zum Putsch gegen Staatschef Kiir aufgefordert. Er rufe die ehemalige Rebellenorganisation und jetzt regierende Sudanesische Volksbefreiungsbewegung „dazu auf, Salva Kiir von seinem Amt an der Staatsspitze zu stürzen“, sagte Maschar dem französischen Sender RFI.

Auch Großbritannien kündigte die Einrichtung einer Luftbrücke an. Zuvor schon hatten die USA begonnen, Landsleute aus dem afrikanischen Krisenland auszufliegen. Die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union zeigen sich schon seit Tagen tief besorgt über die eskalierende Situation. Der Uno lägen Berichte über viele Tote und Verletzte vor. „Das ist eine politische Krise, in die sofort mit politischem Dialog eingegriffen werden muss“, sagte Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon in New York. Beobachter warnen vor einem drohenden Bürgerkrieg. Zehntausende Menschen haben in den vergangenen Tagen Zuflucht in verschiedenen Gebäuden der Uno-Mission Unmiss gesucht.

Einst war der Sudan der flächenmäßig größte Staat Afrikas. Der Südsudan, fast doppelt so groß wie Deutschland, war erst 2011 nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit dem Sudan unabhängig geworden.

Damit gibt es auf dem Gebiet im Nordosten des Kontinents zwei Republiken. Beide sind von einem jahrelangen Bürgerkrieg gebeutelt und bitterarm, verschiedene Grenzgebiete nach wie vor umstritten – ebenso wie die Aufteilung der Ölvorkommen und -einnahmen. Denn die Wirtschaft beider Länder hängt stark von der Ölproduktion ab. Die meisten Reserven liegen im Süden, der Transport läuft aber über Leitungen im Norden.

Die Infrastruktur des Südsudan mit rund elf Millionen Einwohnern ist mangelhaft: Nur etwa 60 Kilometer Straßen sind befestigt, Diesel-Generatoren erzeugen den Strom, fließendes Wasser ist Mangelware. Der Süden mit seiner Hauptstadt Juba hängt weiterhin stark von Importen aus dem Norden ab. Große Summen fließen in das Militär. Mehr als die Hälfte der Bürger lebt unter der Armutsgrenze.