Rente, Europa, Haushalt, Energiewende, Maut. Einige Gesetze müssen schnell auf den Weg gebracht werden

Berlin. Mit der Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vereidigung ihrer Minister startet die Große Koalition. Es wird höchste Zeit: Einige wichtige Projekte müssen noch in dieser Woche auf den Weg gebracht werden, bei anderen haben sich die Koalitionäre durch Versprechungen und selbst gesetzte Fristen unter Druck gesetzt. Ein Überblick:

Energiewende

Die Energiewende steht für die Große Koalition ganz oben auf der Prioritätenliste: Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel und sein neues Superministerium für Wirtschaft und Energie sollen bis Ostern eine Reform der ausufernden Ökostrom-Förderung ausarbeiten. Bis zum Sommer soll das reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auch Bundesrat und Bundestag passiert haben. Die Wirtschaft dringt auf bezahlbare Energiepreise und fürchtet um den Standort Deutschland, die großen Industriegewerkschaften Metall und Bergbau, Chemie, Energie (BCE) um Arbeitsplätze. Auch die EU-Kommission macht Druck. EU-Kommissar Joaquin Almunia will ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland einleiten. Er hält die Ausnahmen für Unternehmen, die viel Energie verbrauchen, und die Ökostrom-Förderung insgesamt für wettbewerbsverzerrend. Gabriel muss nun die Ausnahmen für die Industrie und die Fördersätze für Strom aus Wind- und Biomasseanlagen neu regeln, um der EU-Kritik zu begegnen. Zugleich muss der neue Energieminister dafür sorgen, dass der nötige Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze vorangeht. Im Koalitionsvertrag haben sich CDU/CSU und SPD vorgenommen, den Ökostromanteil auf 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 zu erhöhen und den Stromverbrauch bis 2020 um zehn Prozent zu senken.

Verkehr

Im nächsten Jahr soll erstmals eine Pkw-Maut auf Autobahnen in Deutschland Gesetz werden. Dies ist die Aufgabe des neuen Verkehrsministers Alexander Dobrindt, der von seinem Parteichef Horst Seehofer ins Kabinett geschickt wurde. Die Mission ist nicht ganz einfach: Deutsche Fahrzeughalter sollen unterm Strich nicht mehr belastet werden. Das Gesetz muss mit EU-Recht in Einklang stehen und darf Ausländer nicht diskriminieren. Einfacher dürfte die Erhöhung der bestehenden Maut-Sätze bei der Lkw-Maut auf Autobahnen möglich sein. Technisch kompliziert ist die Ausweitung auf alle Bundesstraßen. Es wird daher frühestens für 2016 eine Umsetzung erwartet.

Rente/Mindestlohn

Die Rentenreform wird das soziale Großprojekt der „Groko“. Schon an diesem Donnerstag gibt es den Auftakt: SPD und Union bringen ein Gesetz ein, mit dem verhindert wird, dass zum Jahreswechsel der Beitragssatz als Folge der hohen Überschüsse in der Rentenkasse sinkt. Denn die Koalitionäre wollen mit den Milliardenreserven die geplanten Verbesserungen für ältere Mütter sowie die Rente mit 63 finanzieren. Sowohl die Aufwertung der Erziehungszeiten für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, als auch die abschlagsfreie Frührente für langjährige Beitragszahler sollen bereits von kommendem Sommer an gelten. Die designierte Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) wird sich beeilen müssen, um diesen ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten. Die Deutsche Rentenversicherung zweifelt jedenfalls, dass sich die Mütterrente so schnell berechnen lässt, denn neun Millionen Rentenbescheide müssen geändert werden. Unklar ist bislang auch, wer alles in den Genuss der abschlagsfreien Rente mit 63 kommen wird. Laut Koalitionsvertrag sollen 45 Beitragsjahre die Voraussetzung sein, wobei aber auch Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden. Experten warnen, dass damit rund jeder zweite Mann von dem neuen Frührentenprogramm profitieren könnte; bei den Frauen wären es allerdings aufgrund der Familienphasen sehr viel weniger. Auch die angekündigten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sollen schon im Sommer in Kraft treten. Mehr Zeit will sich die Große Koalition dagegen für die „solidarische Lebensleistungsrente“ lassen. Vorgesehen ist, ab 2016 langjährig versicherten Geringverdienern die Rentenansprüche auf 850 Euro aufzustocken.

Das zweite Großvorhaben, das Nahles umsetzen soll, ist der flächendeckende Mindestlohn. Allerdings drängt auch hier die Zeit nicht, weil der erst 2015 in Kraft treten soll. Vor allem um die Ausnahmen, die der Koalitionsvertrag vorsieht, dürfte es ein heftiges politisches Gerangel geben. Die CSU preschte schon einmal vor und will Schüler, Studenten und Rentner sowie ehrenamtlich tätige Empfänger von Aufwandspauschalen keinen Mindestlohn zahlen.

Haushalt

Der Koalitionsvertrag sieht zwar keine großen Reformen im Steuersystem vor. Schwarz-Rot will das System nur an ein paar Stellen vereinfachen. Dennoch liegt vor der Regierung eine Menge Arbeit. Bis Mitte des Jahres muss der Haushalt stehen. Zwar hat das Finanzministerium die Eckpunkte für 2014 schon ausgearbeitet. Doch beim Budget der Ressorts dürfte es Änderungen geben, da viele Ministerien neue Zuschnitte haben. So ist das Wirtschaftsministerium um den Bereich Energie erweitert worden. Parallel dazu muss das Ministerium einen ersten Entwurf für 2015 und die mittelfristige Finanzplanung vorlegen. Die Richtschnur ist klar: 2014 soll der Haushalt strukturell – bereinigt um konjunkturelle Ausgaben – ausgeglichen sein. 2015 will der Bund erstmals seit vier Jahrzehnten keine neuen Schulden machen. Doch um die Verteilung der Einnahmen wird es harte Auseinandersetzungen geben.

Europapolitik

Die Reform der Euro-Zone hat wegen der Bundestagwahlen fast ein Jahr Pause gemacht. Nun gehen die Umbauarbeiten wieder los. Schon in dieser Woche steht die erste große Entscheidung an. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird zum Treffen der Finanzminister nach Brüssel reisen. Dort wollen sie die letzten offenen Fragen zur Bankenunion klären, bevor Donnerstag und Freitag die Regierungschefs die seit gut einem Jahr hängende Reform beschließen wollen. Bei der Bankenunion geht es um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Kosten aus Bankenpleiten auf die Steuerzahler umgelegt werden. Im kommenden Jahr wird das Thema Griechenland dann schnell wieder auf die Tagesordnung rücken.