Viele Bundesländer schließen Schulen parallel. Tourismus und ADAC fürchten Chaos. Streit zwischen Kultus- und Wirtschaftsminister um Zeitkorridor

Berlin. Die Sommerferien 2014 versprechen Stress und Streit: für Autofahrer, für Familien mit Urlaubswünschen, aber auch für Ferienhausvermieter und Hoteliers. Der Zeitkorridor der Ferientage wird so eng sein wie lange nicht mehr. Es drohen überteuerte Unterkünfte, Staus auf den Fernstraßen – und gleichzeitig wirtschaftliche Verluste in jenen Branchen, die vom Tourismus leben. 2014 müssen alle 16 Bundesländer innerhalb von nur 71 Tagen ihre Schulkinder in den Urlaub schicken. Den Anfang macht Nordrhein-Westfalen am 7. Juli, die Bayern haben am 15. September ihren letzten Ferientag. Damit wird die wichtigste Urlaubssaison im Vergleich zu 2013 mal eben um zwei Wochen verkürzt. Geht es nach den Kultusministern, sollen die Sommerferien ab 2018 öfter derart dicht gedrängt sein. Die Suche nach Urlaubsunterkünften für Familien könnte in den Sommerwochen damit langfristig zum bundesweiten Wettlauf werden. Allein die drei einwohnerstärksten Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg werden im nächsten Jahr über drei Wochen gleichzeitig in den Schulferien sein.

Gegen die Ferienpläne 2014 können die Gegner aus Wirtschaft und Politik nichts mehr ausrichten. Gegen die – noch nicht beschlossenen – Langfristpläne der Kultusministerkonferenz bis 2024, die im kommenden Jahr ausgehandelt werden, laufen inzwischen nicht nur die Wirtschaftsminister Sturm. Der Konflikt erreicht längst die Ebene der Ministerpräsidenten der Länder. So blickt der Regierungschef von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), sorgenvoll auf die nächsten Sommer. Denn auch 2015 wird die Ferienspanne mit 78 Tagen unter dem Jahresdurchschnitt von 83 Tagen liegen.

Sellerings Bundesland lebt fast ausschließlich von den warmen Monaten an der Ostsee und versteht sich als Familienziel. „Es ist sehr ärgerlich, dass die Schulferien in den nächsten Jahren so dicht gedrängt sind“, beklagt sich der Ministerpräsident. „Das muss künftig besser organisiert werden.“ Eine Entzerrung der Ferientermine sei nicht nur wichtig für die Tourismusbranche. „Es profitieren vor allem Familien mit Schulkindern davon, weil sie es dann leichter haben, ein Urlaubsquartier zu finden und ihr Urlaubsziel ohne größere Staus zu erreichen“, stellt er klar.

Sein Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) hat vor der derzeit laufenden Wirtschaftsministerkonferenz noch einmal den Kampf mit den Kultusministern aufgenommen: Er fordert sogar eine Ausweitung des Zeitraums auf 90 Tage ab 2018. Wie konnte es soweit kommen in diesem Streit um die schönsten und wirtschaftlich wichtigsten Ferien des Jahres? Sommerferien sind anders als der Rest der Schulferien allein Verhandlungssache der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Ressortchefs hecken alle sechs Jahre einen Sechs-Jahres-Plan für die Sommerferien in ganz Deutschland aus. Während die Wirtschaftsminister an die Tourismusindustrie, freie Autobahnen und bezahlbare Unterkünfte denken, sorgen sich die Kultusminister vor allem um das Wohl der Schüler. In diesem Sommer legten sie sieben Punkte fest, die sie bei der Ferienplanung berücksichtigen wollen: Schülern sollen kontinuierliche Lernzeiträume ermöglicht werden; Prüfungsabläufe sollen so weit wie möglich gesichert sein; nach längeren Unterrichtsphasen muss es Entspannungsphasen geben; Unterrichtsphasen müssen mindestens sechs Wochen umfassen; Klassenfahrten und Sportwettkämpfe sollen auf das Jahr verteilt werden können; die Schulhalbjahre sollen ungefähr gleich lang sein; bei einem Umzug in ein anderes Bundesland soll wegen der Sommerferienspanne nicht zu viel Unterricht versäumt werden.

Von 2018 an, so der Plan der Kultusminister, sollen die Sommerferien weiter zusammengerückt werden: „Nach dem Tendenzbeschluss der Kultusminister gibt es 2018 bis 2024 einen Rückgang auf 79,5 Tage. Das ist aus Sicht eines Tourismuslandes keine glückliche Bewegung“, schimpft Wirtschaftsminister Glawe. Die KMK bezieht sich in ihren Plänen auf ein Länderabkommen aus dem Jahr 1971, wonach die Sommerferien stets zwischen dem 1. Juli und 10. September liegen sollten und „in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten festgelegt“. Der Korridor würde dann bei nur noch 72 Tagen liegen. Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Udo Michallik, versucht zu beschwichtigen. Bislang liege nur ein Referentenentwurf vor, betont er.

Dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband bereitet der nächste Sommer erhebliche Sorgen. „Die Kultusminister haben offenbar keine Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Eine Schädigung von Verbrauchern und Betrieben sei bei einem Zeitkorridor von wenig mehr als 70 Ferientagen programmiert. Hartges prophezeit: „Die Übernachtungsbetriebe werden höhere Preise verlangen müssen.“ Sie ist der Meinung, es wäre allen geholfen, den Zeitkorridor dauerhaft auf 80 bis 85 Tage festzulegen. „Nächstes Jahr ist ein Beispiel dafür, wie man es nie wieder machen darf“, so Hartges. Auch der ADAC meldet sich mahnend zu Wort. Dessen Präsident Peter Meyer fürchtet ein Sommerchaos 2014: „Noch nie war die Überschneidung der Sommerferien so eng. Es wird immer schwieriger, die Urlaubsströme zu beherrschen.“ Als Folge sieht Meyer „lange Staus auf den Autobahnen und überfüllte Ferienorte“.