Baden-Württembergs Finanzminister fordert, der Hauptstadt den Länderstatus abzuerkennen und wie Washington zum Sonderterritorium zu machen

Berlin. Schwaben haben in Berlin keinen guten Ruf. Dass sich dies durch eine neue Idee aus Schwaben ändern lässt, ist zu bezweifeln. Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) bringt den Gedanken ins Spiel, dass Berlin den Status als eigenständiges Bundesland verlieren könnte. Auf den Gedanken gekommen ist Schmid beim Blick auf den Länderfinanzausgleich, in dem die wohlhabenden Länder die ärmeren bezuschussen, wovon besonders Berlin profitiert.

Weil dies nach Ansicht von Schmid nicht ewig so bleiben kann, stellt er Berlin vor eine heikle Wahl. Die erste Möglichkeit sehe so aus, „dass Berlin als Hauptstadt viel stärker vom Bund finanziert werden muss“. Das aber führt laut Schmid zu „der Frage, ob Berlin noch ein Bundesland mit Stimmrecht im Bundesrat bleiben kann oder nicht vielmehr zu einem Sonderterritorium des Bundes wird wie zum Beispiel Washington D.C.“. Washington untersteht direkt dem US-Kongress. Würde dies auf Berlin angewendet, wäre es mit dem Sitz Berlins in der Länderkammer vorbei. Schon Anfang November hatte Schmids Chef, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für eine Diskussion über die Frage plädiert, „ob der Ausgleich der Sonderbedarfe der Stadtstaaten und insbesondere Berlins eine Aufgabe der Länder ist oder ob das nicht eher Aufgabe des Bundes ist“.

In Berlin ist man über solche Ideen gar nicht amüsiert. „Berlin braucht keinen Sonderstatus“, sagte der parteilose Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Berlin halte sich „an die Vereinbarungen mit dem Bund und den Ländern“ und habe „sogar schon frühzeitig 2012 Schulden getilgt“. Das werde Berlin „dieses Jahr und die kommenden Jahre fortsetzen“. Nußbaum schickt eine Spitze hinterher: „Wenn die Mittel, die wir als Hauptstadt zusätzlich vom Bund erhalten, als Argument für einen Sonderstatus herhalten sollen, dann müsste Stuttgart mit seinem S-21-Projekt längst Stuttgart D.C. heißen.“

Doch benutzt Baden-Württemberg die Sonderstatus-Idee nur als Drohung. Denn es gibt, sagt Schmid, eine andere Möglichkeit. Der Status Berlins bleibt, wie er ist – was Schmid bevorzugt: „Ich bin sehr dafür, dass Berlin Bundesland bleibt.“ Doch fügt Schmid eine Mahnung hinzu. Berlin müsse „akzeptieren, dass es im Rahmen des Länderfinanzausgleichs nicht über Gebühr von den anderen Ländern bezuschusst werden kann“. Faktisch baut Schmid Druck für Verhandlungen über die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs auf. Der kommt 2014 auf die Tagesordnung, wenn sich das Bundesverfassungsgericht mit einer Klage befasst, die von den Geberländern Hessen und Bayern eingereicht wurde. Baden-Württemberg, ebenfalls Zahlerland, hat sich an der Klage zwar nicht beteiligt. Doch auch Schmid kritisiert die Regeln: Man müsse „über die Rolle der Stadtstaaten und besonders Berlins sprechen“. Berlin hat rund ein Drittel aller Gelder aus dem Ausgleichstopf erhalten, dürfte in den kommenden Jahren aber dank der guten wirtschaftlichen Lage einen Haushaltsüberschuss einfahren.

Angesichts dessen ist man in Stuttgart nicht mehr bereit, die bisherige Bezuschussung Berlins zu akzeptieren. Konkret wird die Kritik in einer Stellungnahme Baden-Württembergs in dem Mitte November verfassten „Meinungsbild“ der Länderfinanzminister zur „Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“. In diesem „Meinungsbild“ vermerkt Baden-Württemberg, man müsse beim Länderfinanzausgleich über eine Frage verhandeln, die die Stadtstaaten – also auch Hamburg und besonders Berlin – betrifft. Gemeint ist die sogenannte Einwohnerwertung. Die bedeutet für Stadtstaaten, dass für deren Einwohner pro Kopf ein höherer Finanzbedarf berechnet wird. Was zur Folge hat, dass Berlin aus dem Finanzausgleich mehr Geld bezieht, als der Hauptstadt nach ihrer Einwohnerzahl zusteht. Dies will man in Baden-Württemberg nicht länger akzeptieren: „Diese Einwohnerwertungen hinsichtlich der Landesebene und der kommunalen Ebene konnten in der bestehenden Form und Höhe in der Vergangenheit nicht konkret gerechtfertigt werden“, schreibt das Stuttgarter Finanzministerium. Zudem verweist es darauf, dass die Einwohnerwertung eine „mangelnde Differenzierung zwischen den Stadtstaaten“ bedeute.

Doch dies ist nicht der einzige Länderkampf ums Geld. „Mit großem Nachdruck“, so Schmid, würden die Länder nun den gesamten Komplex der Bund-Länder-Finanzen angehen, wozu es eine neue Föderalismuskommission geben wird. Dort dürfte es heftige Diskussionen zwischen Bund und Ländern geben, wie aus jenem „Meinungsbild“ hervorgeht. Zwölf der 16 Länder fordern, dass der Bund ihnen ab 2020 mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr mehr gibt. Nur so könne gewährleistet werden, dass sie über eine „ausreichende, den Aufgaben angemessene Finanzausstattung“ verfügen. Der Grund: Der Solidarpakt für Ostdeutschland und andere Finanzhilfen für die Länder laufen Ende 2019 aus. Die Länder argumentieren, diese Effekte entlasteten den Bundeshaushalt um eben jene 20 Milliarden Euro pro Jahr. Das wollen die Länder nicht akzeptieren. „Für die Zeit ab 2020 sind Anschlussregelungen erforderlich, um den Ländern auch künftig entsprechende Mittel in Höhe von 20 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung zu stellen“, schreiben sie.

Doch vorläufig können sich die Länder kaum Hoffnungen auf mehr Hilfe vom Bund machen. Denn im Vertrag der Großen Koalition setzte die Union gegen die SPD durch, dass es keine Steuererhöhungen geben soll. An sich, so Schmid, kämen die Länder „in dem Vertrag nicht schlecht weg, weil auf Drängen der SPD einige für die Länder sehr wichtige Punkte verankert wurden, etwa die stärkere Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe für Behinderte oder die Aufstockung der Mittel für die außeruniversitäre Forschung“. Doch wäre nach Schmids Ansicht „ eine größere Hilfe des Bundes für die Länder sinnvoll gewesen“.