Union und SPD wollen Zwangsprostitution bestrafen und den Menschenhandel eindämmen. Unterschiedliche gesetzliche Regelungen in Europa

Berlin. Freiern in Deutschland droht künftig eine Strafe, wenn sie die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Dieser Plan gehört zur umfassenden Reform des Prostitutionsgesetzes, die eine Große Koalition schon kommendes Jahr in Angriff nehmen will. Dies sei „eine der ersten Aufgaben, die die Bundesregierung angehen muss“, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig am Montag in Berlin. Zur Reform des zwölf Jahre alten Gesetzes gehören auch eine stärkere Kontrolle von Bordellen und das Verbot von ausbeuterischen Praktiken wie „Flatrate-Sex“. Hintergrund der geplanten Maßnahmen sind Berichte über den Anstieg der Zwangsprostitution seit den noch von Rot-Grün beschlossenen Neuregelungen zur Prostitution. Schätzungen gehen von rund 400.000, andere von deutlich mehr Prostituierten bundesweit aus – darunter viele Osteuropäerinnen.

Seit dem Jahr 2002 gilt in der Bundesrepublik eines der liberalsten Prostitutionsgesetze weltweit. Es verbesserte die soziale und rechtliche Stellung von Prostituierten, das Gewerbe wurde nicht länger als sittenwidrig erachtet. In einem Bordell angestellte Frauen sind sozialversicherungspflichtig. Das Verbot der Zuhälterei wurde gelockert. Die Ausbeutung von Prostituierten und die Prostitution von Minderjährigen sind aber weiterhin verboten.

Union und SPD planen jetzt zwar eine strengere Reglementierung, doch eine so weitgehende Reform wie in Frankreich steht nicht auf der Tagesordnung. „Eine generelle Bestrafung von allen Freiern wird nicht erwogen“, versicherte der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl. Französische Gesetzespläne sehen eine Geldstrafe von mindestens 1500 Euro für sämtliche Freier vor, die zu einer Prostituierten gehen.

In Deutschland wollen CDU, CSU und SPD nur jene Freier bestrafen, „die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen“. Auf diese Formulierung im schwarz-roten Koalitionsvertrag hatten sich die zuständigen Familienpolitiker Anfang November verständigt.

In der Koalitionsarbeitsgruppe der Innen- und Rechtspolitiker soll das Vorhaben allerdings kontrovers diskutiert worden sein. Kritiker bemängeln, im konkreten Fall dürfte dem Freier nur schwer nachzuweisen sein, dass er es „wissentlich“ mit einer Zwangsprostituierten zu tun hatte. Uhl sprach deshalb von Fällen „erkennbarer Zwangsprostitution“, etwa wenn die Prostituierte mit Gewalt vorgeführt werde oder erkennbar unter Drogen stehe.

Schwesig betonte jedoch, unabhängig vom Problem der Nachweisbarkeit wäre ein solcher Straftatbestand ein „wichtiges Zeichen“. Das Recht müsse auch Maßstäbe festlegen, was in der Gesellschaft geboten und was verboten sei. Welche Strafe den Freiern konkret droht, ist bislang allerdings völlig offen. Schwesig räumte ein, über die konkrete Ausgestaltung müsse noch mit Juristen und Praktikern beraten werden.

In Europa wird recht unterschiedlich mit dem Problem verfahren. Schweden führte bereits 1999 Strafen für Freier ein und ist damit Vorreiter in Europa. Wer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt, dem drohen Geldstrafen und bis zu sechs Monate Haft. Das Gesetz ist inzwischen aber nicht mehr umstritten. Zudem wird die Frage gestellt, ob die Polizei angesichts der Zunahme von Prostitutions-Angeboten im Internet überhaupt in der Lage ist, das Gesetz durchzusetzen. In Skandinavien führten auch Norwegen und Island Strafen für Freier ein. In keinem der drei skandinavischen Länder wurde aber jemals eine Haftstrafe gegen einen Freier verhängt.

In Großbritannien werden Freier bestraft, welche – auch unwissentlich – die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Auch Zuhälterei und das Anwerben von Kunden ist verboten. Prostitution stellt aber keinen Gesetzesverstoß dar, wenn die Prostituierte selbstständig arbeitet und ihren Beruf in den eigenen Räumlichkeiten ausübt. In der Slowakei droht Freiern eine bis zu zehnjährige Haftstrafe. Die Prostitution selbst ist nicht verboten, und während es offiziell keine Bordelle gibt, sind „Massagesalons“ erlaubt. Im Kampf gegen den Straßenstrich verhängt die spanische Großstadt Barcelona Geldstrafen von bis zu 3000 Euro für Freier und von bis zu 700 Euro für Prostituierte, die ihre Dienste auf der Straße anbieten. Die Hauptstadt Madrid plant Geldstrafen nur für Freier. Bordelle sind in Spanien aber erlaubt.

In der Schweiz dürfen schon 16-Jährige sexuelle Dienste anbieten

Frankreich will Freier mit Geldbußen von 1500 Euro, im Wiederholungsfall 3000 Euro bestrafen. Ein entsprechendes Gesetz wird derzeit im Parlament beraten. Anders als bislang soll das Anwerben von Freiern durch die Prostituierten künftig nicht mehr bestraft werden.

In Dänemark wurde die Prostitution 1999 legalisiert. Prostituierte müssen ihre Einkünfte angeben und Steuern zahlen. Pläne, Freier zu bestrafen, wurden vergangenes Jahr von der Regierung fallen gelassen. Die Niederlande erlaubten die freiwillige Prostitution von Erwachsenen im Jahr 2000, ebenso die Zuhälterei, wenn sie ohne Zwang ausgeübt wird. Auch in der Schweiz ist die Prostitution erlaubt, hier dürfen schon 16-Jährige sexuelle Dienste anbieten, weil mit 16 das Alter der sexuellen Mündigkeit erreicht ist. In Griechenland ist die Prostitution in registrierten Bordellen erlaubt.