Viele Freunde hat der Ex-Bundespräsident nicht mehr. Unter den verbliebenen ist einer, der überrascht. Ein enger Weggefährte ist zum Feind geworden.

Hannover. Das Wort Freundschaft hat Christian Wulff in den vergangenen 21 Monaten neu definieren müssen. Verloren hat er die, die im Kielwasser seiner Macht mit ihm schwammen. Jetzt, wo Amt, Frau und Status weg sind, sind auch sie abgängig oder haben sich gar öffentlich gegen ihn gewendet. Und dann sind da die, die nun erst recht zu ihm halten. Seine wichtigsten Verbündeten – und einer, mit dem es nichts mehr zu sagen gibt:

Peter Hintze

Er hat schon wieder so eine Bemerkung gemacht, die zumindest missverständlich ist. „Ich wünsche Christian Wulff ein faires Verfahren“, hat Peter Hintze seinem Freund in diesen Tagen mit auf den Weg in Richtung Landgericht Hannover gegeben. Ein Verfahren, „in welchem das Recht über die Stimmungsmache siegt“. Das war bestimmt ganz aufrichtig gemeint und ermunternd und unterstützend. Aber man kann diese guten Wünschen auch ganz anders lesen.

Der frisch gewählte Bundestagsvizepräsident Hintze war der ehemalige „Last-Man-Standing“ des Bundespräsidenten Wulff. Einer, der seinen Parteifreund auch dann noch verteidigt hat, als sich die meisten Christdemokraten längst abgewendet oder wenigstens in Deckung begeben hatten. Hintze war an Wulffs Seite. Er war der Letzte, der sich im Bundespräsidialamt munitionieren ließ und dann rausging an die Medienfront, um sich für Wulff einzusetzen.

Es ist ihm nicht gelungen. Im Gegenteil, mit einem verunglückten Entlastungsangriff in der Talkshow „Günther Jauch“ hat Hintze Wulff eher noch ein Stück näher ans juristische Messer geliefert. Geschadet hat dieser Schnitzer der Freundschaft der beiden nicht. Schließlich war Peter Hintzes Auftritt zwar nicht besonders gut gemacht, auf alle Fälle aber war er gut gemeint.

Heinz Rudolf Kunze

„Er ist ein Kämpfer, der kommt da raus.“ Das sagt einer über Christian Wulff, der ihn schon lange kennt und viele Höhen und Tiefen miterlebt hat. Die Freundschaft zwischen dem Musiker Heinz Rudolf Kunze („Dein ist mein ganzes Herz“) und dem Ex-Bundespräsidenten begann in einer Zeit, als dieser ein einfacher Abgeordneter war. Die Höhen, das war zum Beispiel 2003, als Wulff Sigmar Gabriel als niedersächsischen Ministerpräsidenten ablöste. Kunze hatte sich aus dem Wahlkampf herausgehalten, weil er auch zu Gabriel ein gutes Verhältnis hatte.

2007 verlieh der damalige Ministerpräsident Wulff dem zwei Jahre älteren Kunze den niedersächsischen Staatspreis. Ein Jahr später musste das einstige SPD-Mitglied Kunze aus dem linken Milieu harsche Kritik einstecken, weil er an einer Plakataktion zur Wiederwahl seines Freundes teilgenommen hatte. Er trotzte den Kritikern mit einer öffentlichen Erklärung. Wulff sei ein „Freund“, und wer bei diesem Wort „Ohnmachtsanfälle“ bekäme, der brauche ja nicht weiterlesen.

Auch als Wulff fiel, war Kunze da. Zum Prozessbeginn ging Kunze in die Offensive. „Systematisch zerrüttet und zerstört“ habe man Wulff, sagte der Musiker dem „Südwestrundfunk“. Dabei habe sich dieser „nichts zuschulden kommen lassen“: „Und wissen Sie was? Hätte er sich etwas zuschulden kommen lassen, wäre er trotzdem mein Freund.“ Besser kann man das Wort Freundschaft nicht definieren.

Carsten Maschmeyer

Vielleicht erkennt man daran ja den echten Freund: Dass einer in schwierigen Momenten Ruhe bewahrt und die richtigen Ratschläge erteilt; statt sich aufzuplustern, die dicke Hose anzuziehen und dann erst mal um sich zu hauen.

Carsten Maschmeyer ist im Verlauf der Präsidenten-Affäre ruhig geblieben. Er hat dem Ehepaar Wulff gelegentlich gute Ratschläge gegeben. Aber er hat das nicht an die große Glocke gehängt, was manche vielleicht erwartet hätten von dem ehemaligen Versicherungschef. Er war ja nicht immer so dezent.

Insofern ist es fast schon tragisch, dass es Maschmeyer gewesen ist, der mit seiner Einladung zum Mallorca-Urlaub einer derjenigen war, die die Präsidentenaffäre ins Rollen brachte. Man kann darüber meckern, es kleinkariert und neidbesessen finden: Aber es kommt einfach nicht so gut an, wenn ein gerader gewählter Bundespräsident quasi als erste Amtshandlung in das Luxus-Urlaubsdomizil eines befreundeten Unternehmers fliegt.

Wulff wusste das alles in Wahrheit. Und vielleicht ahnte es auch der Freund, der Wulff eben nicht einlud, sondern bezahlen ließ. Bei anderen hätte er darauf womöglich verzichtet. Aber darüber schweigt Maschmeyer weiter beharrlich. Und auch das macht ja einen Freund aus: Schweigen zu können.

Diether Dehm

Er ist nicht nur neu in Wulffs überschaubarem Freundeskreis, sondern auch der Ungewöhnlichste unter denen, die dem Ex-Präsidenten jetzt zur Seite stehen: der Linken-Bundestagsabgeordnete und Liedermacher Diether Dehm („1001 Nacht“). Politisch kennen sich beide schon lange, doch die Sympathien hielten sich in überschaubaren Grenzen. Diether Dehm war viele Jahre angriffslustiger Landeschef der niedersächsischen Linken. Privat hat er Wulff vor einem Jahr das erste Mal getroffen. Heinz-Rudolf Kunze hatte ein Essen zu dritt arrangiert. Seit jenem Abend treffen sich beide gelegentlich, tauschen sich regelmäßig per SMS aus.

Dehm ist überzeugt, dass Wulff freigesprochen werden wird. „Der Ministerpräsident soll sich für den Film über den Siemens-Manager John Rabe, der Tausende Chinesen rettete, eingesetzt haben, weil er bestochen wurde? Mit einem Hotelzimmer, das ansonsten sowieso die Staatskanzlei gezahlt hätte? Ein grotesker Vorwurf!“ Es muss ein seltsames Gefühl für Christian Wulff sein, öffentlich von einem Linken verteidigt zu werden.

Der Ex-Freund: Olaf Glaeseker

Das hätte man sich auch nicht vorstellen können, Anfang 2010 in Hannover. Als noch alles gut war. Als die niedersächsische Regierungsmaschine schnurrte, die Opposition am Boden lag und alle sich bestenfalls fragten: Was macht dieser Wunder-Wulff als Nächstes? König, Kaiser, Kanzler, der Himmel stand doch offen. Und einer, der das Tor mit aufgestoßen hatte, stand meist ein wenig im Hintergrund und freute sich still in sich hinein: Olaf Glaeseker. Wulffs Regierungssprecher, sein „siamesischer Zwilling“, sein „Alter Ego“, der, bei dessen Abwesenheit „man sich Sorgen machen“ sollte um den Ministerpräsidenten. Der Einzige, von dem alle glaubten, dass er alles wüsste über Wulff. Weil er ihn ja selbst geschaffen hatte: den erfolgreichen, coolen Politiker Christian Wulff.

Jetzt haben die beiden sich nichts mehr zu sagen. Der eine nimmt dem anderen übel. Und der andere lässt den einen hängen. So empfindet Glaeseker die Zeugenaussage seines früheren Chefs, nach der er nichts gewusst hat von den Urlaubsreisen seines Regierungssprechers zum Partyveranstalter Manfred Schmidt. Und von der Sponsorensuche, bei der Glaeseker im Vorfeld der sogenannten Nord-Süd-Dialoge eben diesem Schmidt geholfen hat. An dieser Aussage Wulffs zweifeln viele in Hannover, Glaeseker verzweifelt fast an ihr.

Wenn Wulff nichts gewusst haben will von Glaesekers Tun, dann könnte dessen mögliches Strafmaß im zweiten Prozess der Wulff-Affäre in existenzgefährdende Höhen schnellen. Dieses Verfahren beginnt am 9. Dezember ebenfalls vor dem Landgericht Hannover, und der Ex-Regierungssprecher ist angeklagt wegen Bestechlichkeit. Kein Richter hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf zurückgestuft, kein Staatsanwalt zweifelt an einer Verurteilung. Glaesekers Verteidigung wird belegen müssen, dass der Zeuge Wulff gelogen hat. Noch ein harter Gang für alle.