Bundesgericht: Folgen für Kolonie in dem Segeberger Kalkfelsen mangelhaft untersucht

Kiel/Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Planfeststellungsbeschluss für den rund zehn Kilometer langen Abschnitt der Küstenautobahn A20 in Höhe Bad Segeberg gekippt. Die möglichen Folgen für die größte deutsche Fledermauskolonie in dem Segeberger Kalkfelsen seien nur mangelhaft erkundet worden, urteilten die Richter. Zudem hätten die Planer mögliche Alternativtrassen nicht ausreichend untersucht. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD), der die Planung nachbessern will, rechnet nun mit zweijährigen Verzögerungen: „Das in der Koalitionsvereinbarung verankerte Ziel, die aus Richtung Lübeck kommende A20 in dieser Legislaturperiode bis an die A7 heranzuführen, kann damit nicht mehr erreicht werden.“

Erfolgreich waren Klagen der beiden Naturschutzorganisationen Nabu und BUND sowie der Gemeinde Klein Gladebrügge gegen den Abschnitt von Weede bis Wittenborn. Andere Gemeinden sowie Privatkläger wie der Hamburger Milliardär und Ex-Tchibo-Chef Günter Herz scheiterten dagegen vor dem 9. Senat des Gerichts mit ihren Klagen. Herz hatte sich geweigert, auf seinem Gestüt Lasbek Nutzungseinschränkungen im Zuge der Schaffung von Ausgleichsflächen zu akzeptieren.

In seinem Urteil weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass das FFH-Schutzgebiet Segeberger Kalkberghöhle, in einem Abstand von nur 1,5 Kilometer von der vorgesehen Trasse gelegen, das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands mit über 20.000 überwinternden Tieren ist. Hier leben unter anderem die unter Naturschutz stehende Bechsteinfledermaus und Deutschlands größte Fledermausart, das Große Mausohr.

Den Planern der Landesstraßenbauverwaltung wirft das Gericht vor, es sei bei der Erfassung der Bestände von den Standardmethoden abgewichen, und zwar „ohne nähere Vorortuntersuchungen“. Die Konsequenz: „Daher konnte das Gericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Vorhaben mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets Segeberger Kalkberghöhle verträglich ist.“ Der zweite Fehler der Planer: Sie hätten laut Gericht südlichere Trassenvarianten für die Autobahn nicht einfach zu den Akten legen dürfen. Rechtens sei es aber gewesen, dass insbesondere aus städtebaulichen Gründen eine Stadtautobahn durch Bad Segeberg verworfen worden sei.

Nabu und BUND begrüßten die Entscheidung: „Trotz der von uns im Verfahren deutlich benannten massiven Bedenken war leider erst unsere Klage vor Gericht in der Lage, der Natur zu ihrem notwendigen Recht zu verhelfen.“ Als herben Rückschlag bezeichnete dagegen Friederike C. Kühn, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein, den Richterspruch: „Mit der Entscheidung rückt unser Land ein Stück weit ins wirtschaftsgeografische Abseits.“ Noch drastischer formulierte es Uli Wachholtz, Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein: „Das verkehrspolitische Dilemma in Schleswig-Holstein setzt sich fort. Wenn dies so weitergeht, können wir in absehbarer Zeit hinter dem Elbtunnel abschließen.“