Niedersachsens SPD-Landeschef Stephan Weil über die Regierungsbildung im Bund

Hannover. Energiewende, Arbeitsmarkt, mehr Investitionen in Bildung. Das müssten nach Ansicht des niedersächsischen SPD-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Stephan Weil die Schwerpunkte seiner Partei bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU sein. Zuvor gelte es aber die parteiinterne Debatte zu einem Ergebnis zu führen, „hinter dem die ganze SPD steht“.

Hamburger Abendblatt:

Was soll die SPD denn nun machen in den kommenden vier Jahren? Koalieren oder opponieren?

Stephan Weil:

Spannende Frage, aber ich kann sie im Moment nicht beantworten. Wir sortieren uns ja gerade.

Ihre Empfehlung wäre?

Weil:

Dass man die Dinge wohl bedenkt und am Ende nicht nach Befindlichkeiten, sondern nach Inhalten entscheidet.

Welche Inhalte stehen auf jeden Fall in einem Koalitionsvertrag, den die SPD unterschreiben kann?

Weil:

So weit sind wir nicht. Es ist aber bekannt, dass die SPD in ihrem Wahlprogramm vor allem eine Reform des Arbeitsmarktes, ein ernsthaftes Management der Energiewende und eine gesamtstaatliche Anstrengung für mehr Bildung betont hat. Also wären das auch in Koalitionsverhandlungen die für uns besonders wichtigen Themen.

Was darf auf keinen Fall im Vertrag stehen?

Weil:

Das können wir später diskutieren. Jetzt geht es darum, eine extrem schwierige innerparteiliche Situation so zu organisieren, dass am Ende ein Ergebnis herauskommt, hinter dem die ganze SPD steht. Dazu braucht man Zeit. Dazu muss man alle Argumente hören.

Ihre Kollegin Hannelore Kraft hat die Ablehnungsquote in der NRW-SPD auf 90 Prozent beziffert. Sie spricht sich deshalb gegen ein Bündnis mit der CDU aus.

Weil:

Ich kann und möchte nicht den Verlauf der Willensbildung in anderen Bundesländern diskutieren. Bei uns haben sich die Gremien nach einer sehr sachlichen Diskussion entschlossen, dem Parteikonvent nicht vorzugreifen.

Sie haben im Internet ein internes Forum eingerichtet, in dem Ihre Mitglieder über die Frage Regierungsbeteiligung oder Opposition debattieren können. Wie ist die Stimmung?

Weil:

Die Mehrheit dort zeigt eindeutig keine Neigung, sich erneut auf eine Große Koalition einzulassen. Andererseits gibt es immer mehr Stimmen, die sich fragen, wie eigentlich die Alternative aussähe.

Die Alternative wäre die Opposition. Wäre diese Mist oder Verlockung?

Weil:

In der Opposition kann man immer gut anprangern, was eine Regierung gerade macht. Das ist auf jeden Fall bequemer, setzt aber erst einmal voraus, dass es überhaupt eine Regierung gibt.

Eine andere Alternative wären Neuwahlen. Vorstellbar?

Weil:

Schwierig. Die Politik hat nicht das Recht, so lange wählen zu lassen, bis das Ergebnis passt. Es ist also nicht unsere Aufgabe, Neuwahlen zu organisieren, sondern die Ergebnisse der Bundestagswahl in Politik umzusetzen.

Sie selbst sind auf Mehreinnahmen angewiesen, um Ihr Regierungsprogramm umzusetzen – also keine Koalition ohne Steuererhöhungen?

Weil:

Das gilt für alle Bundesländer. Wir halten, unabhängig von den jeweiligen Parteibüchern, mehr Investitionen in die Bildung für dringend geboten. Aber unter den Bedingungen der Schuldenbremse in der Verfassung sind die wenigsten Länder dazu in der Lage. Ein deutlicher Ausbau, quantitativ und qualitativ, der frühkindlichen Förderung oder die Umsetzung der Inklusion sind nur möglich, wenn sich unsere finanziellen Spielräume erweitern. Es ist leider nicht in allen Köpfen präsent, dass die Schuldenbremse für die Länder so etwas wie eine stille Revolution der Finanzpolitik bedeutet.

Was halten Sie von der Idee, die Parteibasis über eine mögliche Koalition abstimmen zu lassen?

Weil:

Das ist eine Idee, die wir derzeit in der Partei diskutieren, die ich aber vor dem Parteikonvent am Freitag nicht kommentieren möchte.

Können Sie sich einen Moment vorstellen, in dem Ihre Partei sagt, jetzt reicht es. Wir nutzen die linke Mehrheit und schließen ein rot-rot-grünes Bündnis?

Weil:

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben uns alle miteinander festgelegt, dass es eine solche Koalition nach dieser Wahl nicht geben wird. Dazu sind die Parteien im Bereich der Außen- und Finanzpolitik noch viel zu weit auseinander.