Was den Wählern versprochen wird – und wie es finanziert und umgesetzt werden soll. Eine Übersicht der Wahlprogramme

Hamburg. Die Piraten konzentrieren sich vor allen Dingen auf die Netzpolitik, die Alternative für Deutschland auf die Abschaffung des Euro. Die bereits im Bundestag vertretenen Parteien bieten dagegen das gesamte Politikspektrum abdeckende Wahlprogramme an. Das der SPD heißt „Das Wir entscheidet“, Bündnis 90/Die Grünen sieht die „Zeit für den grünen Wandel“ gekommen, die FDP wirbt mit ihrem „Bürgerprogramm 2013“, die Linke findet sich „100 Prozent sozial“, und die Union will „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ handeln. Verschachtelte Sätze, Fremdwörter und Anglizismen machen die Texte allerdings schwer lesbar, meint etwa das Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim.

Um die Wahlprogramme der Bundestagsparteien übersichtlich, vergleichbar und leichter verständlich zu präsentieren, hat das Abendblatt die wichtigsten Aussagen der Parteien zu ausgewählten Schwerpunkten zusammengefasst.

CDU

Steuern sollen auf keinen Fall erhöht werden. Stattdessen stehen alle Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt. Der nächste Haushalt soll ohne neue Schulden vorgelegt werden, um dann damit zu beginnen, Schulden abzutragen. Die Gesamtverschuldung des Staates soll auf maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Steuerhinterziehung soll wirksam bekämpft werden. Für die Finanzmärkte sollen strengere Regeln gelten und die mit zehn anderen EU-Ländern verabredete Finanztransaktionssteuer soll eingeführt werden.

SPD

Die Vermögenssteuer soll wieder eingeführt werden. Bei einem Einkommen ab 100.000 Euro, für Eheleute ab 200.000 Euro, soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent auf 49 Prozent erhöht werden. Kapitaleinkünfte sollen mit 32 Prozent (bisher 25 Prozent) besteuert werden. Die daraus folgenden Mehreinnahmen sollen ausschließlich für eine geringere Neuverschuldung sowie für Investitionen in Bildung und Infrastruktur verwendet werden. Die Finanzmärkte sollen umfassend reguliert und Steuerbetrug soll stärker bekämpft werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Der Grundfreibetrag soll für alle auf mindestens 8700 Euro erhöht werden, derzeit liegt er bei 8130 Euro. Der Spitzensteuersatz soll dagegen auf 45 Prozent bei 60.000 Euro zu versteuerndem Einkommen erhöht werden, um dann bei 80.000 Euro bei 49 Prozent zu liegen. Wer weniger als 60.000 Euro im Jahr verdient, soll entlastet werden. Das derzeitige Aufkommen aus der Erbschaftssteuer soll verdoppelt werden. Eine Vermögensabgabe von 1,5 Prozent auf Nettovermögen von mehr als einer Million Euro ist geplant.

FDP

Die Liberalen fordern eine „Steuerbremse“. Sie wollen im Grundgesetz festschreiben, dass nicht mehr als die Hälfte des Einkommens über Ertragssteuern an den Staat abgeführt werden muss. Steuererhöhungen lehnen die Liberalen grundsätzlich ab. Ab 2015 soll der Bund ohne neue Schulden auskommen. Um das zu erreichen, sollen Subventionen abgebaut und in der öffentlichen Verwaltung gespart werden. Der Solidaritätszuschlag soll rasch verringert und möglichst bald komplett abgeschafft werden.

Die Linke

Die Linke fordert eine Vermögenssteuer für Millionäre in Höhe von fünf Prozent. Der Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer soll auf 9300 Euro erhöht und monatliche Bruttolöhne bis 6000 Euro sollen entlastet werden. Für Einkommen ab 65.000 Euro pro Jahr soll der Steuersatz auf 53 Prozent erhöht werden. Jeder Euro, der über einer Million Euro Einkommen liegt, soll mit 75 Prozent besteuert werden. Mit einer Finanztransaktionssteuer sollen die Spekulationen auf den Finanzmärkten eingedämmt werden.

CDU

Durch „Fleiß, neue Ideen und technischen Fortschritt“ soll Vollbeschäftigung erreicht werden. Ein gesetzlicher Mindestlohn wird abgelehnt. In Bereichen, in denen es keine Tarifverträge gibt, sollen aber Arbeitgeber und Gewerkschaften gesetzlich verpflichtet werden, einen tariflichen Mindestlohn festzulegen. Damit Wohnraum bezahlbar bleibt, sollen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung Mieterhöhungen auf zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt werden.

SPD

Die SPD setzt sich das Ziel „Vollbeschäftigung in guter Arbeit“. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro soll eingeführt werden. Leiharbeiter sollen bei gleicher Arbeit den gleichen Lohn erhalten wie fest angestellte Kollegen. Bei Neuvermietungen soll die Miete nur maximal zehn Prozent über ortsüblichen Vergleichspreisen liegen dürfen. Bei bestehenden Verträgen soll es nur noch eine Erhöhung um maximal 15 Prozent binnen vier Jahren geben. Mit einem Milliardenprogramm soll der soziale Wohnungsbau gestärkt werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Prekäre Beschäftigung und Minijobs sollen durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden. Leiharbeiter sollen bei gleicher Arbeit ab dem ersten Tag den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten. Den Hartz-IV-Regelsatz wollen die Grünen von derzeit 382 auf 420 Euro erhöhen. Finanziert werden soll diese Anhebung durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro, denn durch ihn würden viele Lohnaufstockungen erwerbstätiger Menschen durch Hartz IV unnötig werden.

FDP

Die FDP lehnt einen allgemeinen flächendeckenden und gesetzlichen Mindestlohn ab. Im Sozialsystem plant sie die schrittweise Einführung eines sogenannten liberalen Bürgergeldes. Dabei sollen das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen), der Kinderzuschlag und das Wohngeld zusammengefasst werden. Findet ein Bezieher Arbeit, soll er mehr von seinem Einkommen behalten dürfen.

Die Linke

Die Linke fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro. Bis zum Ende der Wahlperiode soll er auf zwölf Euro steigen. Leiharbeit soll verboten, der Missbrauch von Werkverträgen unterbunden werden. Die Hartz-IV-Sätze sollen auf 500 Euro erhöht und die „Hartz-IV-Sanktionen“ abgeschafft werden. Arbeitszeiten sollen bei vollem Lohn- und Personalausgleich auf zunächst 35, längerfristig auf 30 Wochenstunden verkürzt werden. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor soll entstehen.

CDU

Das Ehegattensplitting soll bleiben und um ein Familiensplitting ergänzt werden, indem die Steuerfreibeträge von Kindern schrittweise auf Erwachsenenniveau angehoben werden. Zugleich sollen Kindergeld und Kinderzuschlag erhöht werden. Ein Teilelterngeld soll einführt werden, das bis zu 28 Monate bezogen werden kann. In Zukunft will sich die Union für eine familiengerechtere Arbeitswelt einsetzen. Eltern soll die Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigungen erleichtert werden. Eine „Großelternzeit“ soll kommen.

SPD

Das von der schwarz-gelben Koalition neu eingeführte Betreuungsgeld soll abgeschafft und das dadurch gesparte Geld komplett in den Ausbau von Kitas und Tagespflege investiert werden. Das Kindergeld soll neu strukturiert werden, um Familien mit geringen und mittleren Einkommen davor zu bewahren, auf Hartz-IV-Niveau abzurutschen. Für künftige Ehen soll ab einem Stichtag anstelle des Ehegattensplittings ein Partnerschaftstarif für Ehegatten gelten, bei dem beide Partner individuell besteuert werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Das Betreuungsgeld soll abgeschafft und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ausgebaut werden. Außerdem wollen die Grünen eine Kindergrundsicherung. Jedes Kind soll so, unabhängig vom Einkommen seiner Familie, die gleiche finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten. Das Ehegattensplitting wollen die Grünen durch eine „Individualbesteuerung mit übertragbarem Existenzminimum“ ersetzen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft soll in sämtlichen Rechtsbereichen der Ehe gleichgestellt werden.

FDP

Das kürzlich mit ihrer Unterstützung eingeführte Betreuungsgeld will die FDP auf den Prüfstand stellen. Außerdem wollen sie den Ausbau des qualitativ hochwertigen Betreuungsangebots für unter Dreijährige weiter vorantreiben. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, wollen sie die Nutzung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, Heimarbeitsmöglichkeiten und den Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit in Unternehmen erleichtern. Die eingetragene Lebenspartnerschaft soll mit der Ehe gleichgestellt werden.

Die Linke

Eine Kindergrundsicherung von 536 Euro soll Kinder wirksam vor Armut schützen. Außerdem soll es einen flexiblen Elterngeldanspruch von zwölf Monaten pro Elternteil (bzw. 24 Monate für Alleinerziehende) geben. Das Betreuungsgeld soll wieder abgeschafft werden. Die Ganztagsbetreuung für Kinder soll bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig ausgebaut werden. Die Linke spricht sich für die gesetzliche Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften aus. Das Ehegattensplitting will sie abschaffen.

CDU

Die Energiewende soll zügig und mit Augenmaß umgesetzt werden. Zugleich müssen die Energiekosten weiterhin für Verbraucher und für die Industrie bezahlbar sein, damit letztere international wettbewerbsfähig bleiben. Ein zentrales Vorhaben stellt die Senkung des Rohstoffverbrauchs dar. Dazu soll die Wiederverwertung von Rohstoffen durch Einführung einer einheitlichen Wertstofftonne ausgebaut werden. Den Flächenverbrauch möchte die Union im Verhältnis zu heute bis 2020 um 30 Prozent senken, wozu sie auch Flächen renaturieren will.

SPD

Die Energiewende wollen die Sozialdemokraten durch ein eigenes Energieministerium steuern. Dabei wollen sie die Bezahlbarkeit der Energiewende gewährleisten und weitere Belastungen für die produzierende Wirtschaft und die privaten Haushalte vermeiden, etwa durch die Senkung der Stromsteuer. Aufgrund des steigenden Verbrauchs von Ressourcen soll es eine Entkoppelung von Wohlstand und quantitativem Wachstum geben. Dies soll durch „eine Senkung der Materialintensität, die Minimierung von Abfall und durch Kreislaufsysteme“ geschehen.

Bündnis 90/Die Grünen

Ein Klimaschutzgesetz soll eine Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen (bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 95 Prozent im Vergleich zu 1990) vorschreiben. Bis 2030 soll der Strom zu 100 Prozent erneuerbar produziert werden. Die „immer üppigeren Befreiungen der Industrie von den Umlagen für Stromnetze und erneuerbare Energien“ sollen auf das „wirklich notwendige Maß“ zurückgeführt werden. Die Wertstoffsammlung soll besser gesammelt werden. Bereits bei der Produktion sollen Anreize für umweltfreundlicheres Verhalten gesetzt werden.

FDP

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll mit dem Ziel, den gesamten Energiemarkt marktwirtschaftlicher zu gestalten, reformiert werden. Die erneuerbaren Energien sollen schneller und konsequenter als bisher an den Markt herangeführt werden. Die Ausnahmen von EEG-Umlage, Netzentgelten und Stromsteuer insbesondere für energieintensiv produzierende Unternehmen verteidigen die Liberalen. Das Naturschutzrecht soll grundsätzlich „entrümpelt“ werden – welche Instrumente herausgenommen werden sollen, erklärt das Wahlprogramm nicht.

Die Linke

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung soll bis 2020 auf 50 Prozent erhöht werden. Außerdem soll bis 2020 der Treibhausgasausstoß in der Bundesrepublik gegenüber 1990 halbiert und bis 2050 um mindestens 90 Prozent reduziert werden. Die Energieversorger sollen dazu verpflichtet werden, einen Sockeltarif für Strom einzuführen, durch den jeder Privathaushalt ein kostenloses, an der Haushaltsgröße orientiertes Grundkontingent an Strom erhält. Öffentlicher Nahverkehr soll entgeltfrei sein und über Steuern finanziert werden.

CDU

Mehr Videoüberwachung soll es an öffentlichen Plätzen geben. Illegal erworbene Vermögen sollen leichter eingezogen werden können. Das Ausweisungsrecht für ausländische Straftäter soll verschärft werden. Eine generelle doppelte Staatsbürgerschaft wird weiterhin abgelehnt. Die Bundeswehr soll in Afghanistan nach dem Abzug der Kampftruppen ab 2015 nur noch für Ausbildung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte tätig sein. Bei den allgemeinen Menschenrechten liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz religiöser Minderheiten.

SPD

Sicherheit und Bürgerrechte sollen keinen Gegensatz bilden. Polizisten sollen gut aus- und weitergebildet und für ihre Arbeit angemessen ausgestattet werden. Angekündigt wird eine institutionelle Reform der Sicherheitsbehörden. Die Sozialdemokraten streben zudem eine Neubelebung der transatlantischen Beziehungen an. Die USA seien der „wichtigste strategische Partner“ der Bundesrepublik. Angestrebt werden gemeinsame Initiativen für den Friedensprozess im Nahen Osten und in der arabischen Welt unter Einbeziehung Russlands.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Vorratsdatenspeicherung soll gestoppt und der Datenschutz verbessert werden. In den Geheimdiensten soll nach dem Debakel um die NSU-Morde ein Neustart stattfinden. Zu den Forderungen der Grünen gehören auch eine Einbürgerungsoffensive und die doppelte Staatsangehörigkeit für Migranten. Deutschland soll weniger Waffen exportieren und mehr auf zivile Konfliktbearbeitung und Entwicklungshilfe setzen. Um Menschen vor Unterdrückung oder Diktatur zu schützen, sind Militäreinsätze im Rahmen eines Uno-Mandats möglich.

FDP

Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung lehnen die Liberalen strikt ab, ebenso das Instrument der heimlichen Online-Durchsuchung. Wo Eingriffe in die Bürgerrechte notwendig seien, müssten diese stets erst begründet werden und verhältnismäßig sein. Die Integration in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union soll vertieft werden. Die Verwirklichung einer transatlantischen Freihandelszone soll trotz der Spannungen wegen des Abhörskandals um den US-Geheimdienst NSA weiter vorangetrieben werden.

Die Linke

Für uniformierte Polizeibeamte ist eine Kennzeichnungspflicht geplant. Eine unabhängige Ombudsstelle soll polizeiliches Fehlverhalten untersuchen. Der Einsatz privater Sicherheitsdienste soll zurückgedrängt werden. Deutsche Waffenexporte soll es nicht mehr geben. Zudem soll die Bundeswehr aus allen Kampfeinsätzen abgezogen werden, nicht nur aus Afghanistan. Für friedenserhaltende Maßnahmen lässt dies theoretisch Spielraum. Die Bundeswehr soll aber zu einer „strukturell nicht angriffsund interventionsfähigen Armee“ abgerüstet werden.