Verbraucher stehen hinter den Zielen der Regierung, wünschen sich aber Ausbau-Bremse beim Ökostrom. RWE will Kraftwerke stilllegen

Berlin. Rund die Hälfte der deutschen Unternehmen stellt Bundesregierung und Ländern bei der Gestaltung der Energiewende die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ aus. Das ergab eine am Montag in Berlin veröffentliche repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Unter dem Strich stehe eine „Vier minus“. Lediglich 3,4 Prozent der Befragten hielten das politische Management der Energiewende für „sehr gut“ oder „gut“. Eine große Mehrheit spricht sich für ein EU-weit einheitliches Fördersystem bei erneuerbaren Energien aus. Seit Monaten warnt die Wirtschaft vor zu hohen Kosten und fordert eine umfassende Reform.

Trotz aller Kosten sind die Verbraucher der Energiewende scheinbar mehr gesonnen als die Wirtschaft. 82 Prozent befürworten den Ausstieg aus der Atomenergie und einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien, ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Dachverbands der Verbraucherzentralen. Aber 48 Prozent halten die Umsetzung für schlecht. Als größte Vorteile der Energiewende werden Klima- und Umweltschutz (38 Prozent) sowie eine höhere Sicherheit durch den schrittweisen Atomausstieg bis 2022 (23 Prozent) genannt. Allerdings wird eine gerechtere Kostenverteilung mit einer Entlastung der Verbraucher gefordert: 62 Prozent lehnen die Rabatte für stromintensive Industriebetriebe ab. Diese Rabatte werden auf die Verbraucherstrompreise aufgeschlagen und machen Strom für sie teurer.

Jeder Privathaushalt subventioniert nach Berechnungen der Umweltschutz-Organisation BUND die Stromrechnung der Industrie mit jeweils mehreren Dutzend Euro pro Jahr. Gäbe es die Ausnahmen für Großverbraucher nicht, würde eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden in diesem Jahr im Schnitt 69,34 Euro weniger ausgeben, als dies aktuell der Fall ist, erklärte der BUND am Montag. Für das kommende Jahr dürften die Subventionen auf Kosten der privaten Verbraucher demnach auf 79,52 Euro steigen.

Vor allem auch das Tempo der Energiewende weg von fossilen Großkraftwerken hin zu erneuerbaren Energien bereitet immer mehr Verbrauchern Unbehagen: Wegen stetig steigender Stromkosten würde es eine knappe Mehrheit der Verbraucher gut finden, wenn das Tempo des Ökostrom-Ausbaus in Deutschland begrenzt wird. Demnach halten es 50 Prozent der Befragten für „klar sinnvoller“ oder „eher sinnvoller“, wenn jedes Jahr „nur eine bestimmte Anzahl erneuerbarer Energieanlagen gebaut beziehungsweise gefördert wird, weil die Kosten so begrenzt und der Netzausbau besser geplant werden können“. Demgegenüber erklärten nur 40 Prozent, dass „wie bisher alle neuen Anlagen für erneuerbare Energien gefördert werden, damit sich ihr Anteil an der Stromerzeugung so schnell wie möglich erhöht“. Zehn Prozent gaben „weiß nicht“ als Antwort.

Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen, warnte davor, die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung zu verspielen. „Damit die Stimmung nicht kippt, sind jetzt Korrekturen in der Umsetzung nötig“, sagte Billen. „Die Energiekosten dürfen nicht weiter steigen“, fügte er hinzu. Es sei dringend notwendig, dass die niedrigeren Börsenpreise für Strom auch an die Verbraucher weitergegeben würden. „Die Kosten müssen gerecht auf alle Schultern verteilt werden“, sagte Billen. Der Bereichsleiter Verbraucherpolitik, Holger Krawinkel, fügte hinzu, die Verantwortlichen hätten versäumt zu berechnen, welche Wege der Energiewende für die Verbraucher am kostengünstigsten wären. Es gehe nicht um das „für“ und „wider“ der Energiewende per se, sondern um die Suche nach einer preiswerteren Alternative für die Verbraucher. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen wollte mit der Umfrage die Stimmung der Stromkunden ermitteln, zwei Jahre nachdem die Bundesregierung den Atomausstieg und die beschleunigte Energiewende beschlossen hatte.

Der Energiekonzern RWE tritt wegen der stark gefallenen Stromgroßhandelspreise Insidern zufolge in seiner Kraftwerkssparte auf die Bremse. Der Versorger plane, mehrere Anlagen stillzulegen oder einzumotten, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person. „Insgesamt geht es um mehrere Tausend Megawatt.“ Betroffen seien auch Stromverträge mit dem Versorger Steag, berichteten zwei Insider. Es sei damit zu rechnen, dass RWE die geplanten Einsparungen im Kraftwerksgeschäft von rund 500 Millionen Euro in den kommenden Jahren noch ausweitet. RWE und auch die Steag kommentierten dies nicht.

RWE-Chef Peter Terium hatte erklärt, Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als 10.000 Megawatt stünden „unter kritischer Beobachtung“. Am Mittwoch legt der Konzern seine Quartalszahlen vor. Insgesamt hat RWE in Europa Anlagen mit einer Leistung von 52.000 Megawatt. „Viele Kraftwerke verdienen kein Geld“, sagte einer der Insider. Stilllegungen muss RWE bei der Bundesnetzagentur anmelden. Die Behörde wollte sich nicht dazu äußern, ob es bereits Anmeldungen von RWE gibt. Insgesamt gebe es Anträge von Versorgern zur Stilllegung von 15 Kraftwerken, teilte die Agentur lediglich mit.

RWE machen wie auch E.on, EnBW und Vattenfall die stark gefallenen Strom-Großhandelspreise zu schaffen. Diese sind wegen der konjunkturell schwachen Nachfrage und dem Ausbau des Ökostroms auf den tiefsten Stand seit Jahren gefallen. E.on hat bereits den Weiterbetrieb von Kraftwerken mit eine Leistung von bis zu 11.000 Megawatt infrage gestellt. RWE habe auch gegenüber der Bundesregierung bereits erklärt, Kraftwerke mit einer Leistung von mehreren Tausend Megawatt auf den Prüfstand zu stellen, sagte der Regierungsvertreter Reuters. Solange dies im Norden oder Westen geschehe sei dies aus Sicht der Versorgungssicherheit kein Problem. Der Konzern habe auch angedeutet, Teile der Kraftwerke wie Turbinen ins Ausland zu verkaufen.