Zwei Jahre nach der Energiewende hagelt es Kritik von allen Seiten – nicht zu Unrecht

Zum Geburtstag gibt es im Regelfall Glückwünsche, Ständchen und Geschenke. Zum zweiten Jahrestag der Energiewende, die im August 2011 mit sechs neuen Gesetzen in Kraft trat, ist alles anders. Für die politische Sturzgeburt der schwarz-gelben Regierung Merkel hagelt es dieser Tage nur Kritik, Schmähgesänge und Wünsche nach Nachbesserungen. Rund die Hälfte der deutschen Unternehmen stellt der Politik bei der Gestaltung der Energiewende nun die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ aus. Am Montag haben sich auch die Umweltschutzorganisation BUND und die Verbraucherzentralen in den Chor der Kritiker eingereiht.

Längst beklagen selbst Befürworter des Atomausstiegs eines der größten Mankos der Energiewende die explodierenden Kosten für die Endverbraucher. Die sogenannte EEG-Umlage erhöht die Stromrechnung für eine vierköpfige Familie inzwischen um rund 200 Euro pro Jahr und steigt weiter. Was als Anschubfinanzierung zum Aufbau von Solar- und Windanlagen gedacht war, hat eine Kostenlawine losgetreten. Und diese Lawine wird größer und größer. Über 20 Jahre garantiert das EEG-Gesetz feste Vergütungen für Ökostromproduzenten; die Kosten dürften sich insgesamt auf 250 Milliarden Euro belaufen. Um die Wirtschaft vor Nachteilen im Wettbewerb zu bewahren, hat die Regierung deshalb stromintensive Betriebe befreit.

Genau dagegen laufen der BUND und die Verbraucherzentralen Sturm. In einem Punkt haben sie recht: Wenn schon die Rechenzentren von Versicherungen oder Sportanlagen in den Genuss der Rabatte kommen, ist das Gesetz verbesserungswürdig. In der Sache aber sind die Entlastungen für energieintensive Industrien eine Überlebensfrage für den Standort. Schon jetzt sind die Strompreise für die Wirtschaft in Deutschland höher als in fast allen Nachbarländern, weitere Steigerungen kaum noch verkraftbar. Gerade für die Hansestadt mit ihrer industriellen Basis sind günstige Strompreise eine Frage von Wachsen oder Weichen. Schon ein Cent mehr für die Kilowattstunde kann Großabnehmern den Garaus machen. EU-Kommissar Günther Oettinger warnte unlängst, die Deindustrialisierung Deutschlands habe begonnen.

Der Streit um die Strompreise und die Privilegien der Wirtschaft ist nur eine der zahlreichen Baustellen der Energiewende. Auch wenn sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) abmüht, nehmen die Probleme nicht ab. Die Energiewende bleibt eine Operation am offenen Herzen der Industriegesellschaft – ständig treten durch die Wechselwirkungen neue Probleme auf. Das ist bei der Größe der Aufgabe nicht verwunderlich. Ein Trost ist das freilich nicht.

Überall hakt es: Die Windenergie auf hoher See kommt nicht voran, obwohl sie am ehesten geeignet ist, die verbliebenen Atomkraftwerke zu ersetzen. Der Netzausbau krankt nicht nur an Kapitalmangel, sondern auch an Widerständen vor Ort. Statt einen bundesweiten Masterplan abzuarbeiten, muddelt jeder Ministerpräsident vor sich hin und bastelt seine eigene lokale Energiewende. Dem Umweltschutz nützt das nichts – ganz im Gegenteil: So sind 2012 beispielsweise die Treibhausgasemissionen, die eigentlich sinken sollten, auch wegen der Neuordnung der Versorgung in Deutschland um zwei Prozent gestiegen. Nicht nur die erneuerbaren Energien wachsen, sondern auch der Einsatz von schmutziger Stein- und Braunkohle wächst.

Und die Kritik. Was vor zwei Jahren als parteiübergreifender Konsens begann, zerfällt längst in Dauerscharmützel von Interessensverbänden und Profilierungen von Politikern. Mit der Kostenexplosion schwindet die Akzeptanz der Energiewende weiter. Für das wichtigste Projekt des Industriestandorts Deutschland sind das keine guten Vorzeichen.