Spanische Polizei zerschlägt kriminelles Netzwerk. Unter den Festgenommenen auf Mallorca ist der in Hannover berüchtigte Frank Hanebuth

Madrid/Hannover. Die spanische Polizei hat ein kriminelles Netzwerk der Hells Angels auf den Balearen-Inseln zerschlagen. Bei einer Großrazzia wurden 25 Verdächtige festgenommen, darunter auf Mallorca der „Europachef“ der Motorrad-Gang, teilte die Polizei mit. Bei dem Anführer handelt es sich nach Angaben aus Polizeikreisen um Frank Hanebuth, der früher als zentrale Figur der deutschen Hells Angels galt. Ihnen werden die Bildung einer illegalen Organisation, Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Geldwäsche und Geschäfte mit Prostitution vorgeworfen. Der Europa-Chef habe laut Polizei „die Aktivitäten der Gruppe von den Balearen aus kontrolliert, wo er Eigentümer eines Anwesens im Schätzwert von 2,5 Millionen Euro“ sei.

In Hannover war Frank Hanebuth viele Jahre die bestimmende Größe im Rotlichtmilieu, vielen gilt er bis heute als mächtigster Rocker in Deutschland. Aber die spanische Justiz hat demonstriert, dass sie nicht tatenlos zusehen wird bei Hanebuths Versuch, mit seinen Hells Angels auf der Ferieninsel Mallorca Fuß zu fassen. Die spektakuläre Festnahme von Hanebuth und mehr als 20 weiteren Rockern meist deutscher und türkischer Herkunft zeigt aber auch, wie schwer der Kampf gegen die international verflochtenen Rockerclubs ist.

Hanebuths große Finca in Lloret gleich neben dem Friedhof war nach Augenzeugenberichten eines der durchsuchten Häuser, hier soll er auch festgenommen worden sein. Die spanische Polizei hat die aus ihrer Sicht kriminelle Vereinigung zerschlagen und nach eigenen Angaben Millionensummen an Schwarzgeld beschlagnahmt, die zum Bau einer Autorennstrecke auf der Insel bestimmt waren. Den Festgenommenen werden nun Erpressung, Nötigung, Geldwäsche, Drogenhandel, Zuhälterei und Betrug zur Last gelegt. Insgesamt gibt es 40 aufgelistete vermutete Straftatbestände. Der Zugriff ist das Ergebnis zweijähriger Ermittlungen unter dem Stichwort „Operation Casablanca“. Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten Schrotflinten und Pistolen und stießen auf Hunde gefährlicher Rassen. Mehr als 200 Beamte waren im Einsatz, die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt sogar 50 Personen. Beschlagnahmt wurden nicht nur Millionensummen, auch Akten und Motorräder.

Nach Mitteilung des spanischen Innenministeriums ist die wichtigste Einnahmequelle der Bande die sexuelle Ausbeutung von Frauen in Deutschland gewesen. Die Opfer seien in Deutschland zur Prostitution gezwungen worden, und in mehreren Fällen hätten sie das erpresste Geld persönlich nach Spanien bringen und Mitgliedern des Rockerclubs aushändigen müssen.

Tatsächlich ist Hanebuth offenkundig weiter Betreiber von zwei Bordellen in Hannover. Auffällig ist auch, dass der Versuch der Hells Angels, auf Mallorca Fuß zu fassen, zeitlich genau passt zur Absetzbewegung von Hanebuth aus Hannover. Er organisierte 2010 den sogenannten „Rocker-Frieden“ von Hannover zwischen den verfeindeten Clubs der Hells Angels und Bandidos, kündigte wenig später den Rückzug seiner Firma mit Bodyguards aus dem hannoverschen Rotlichtviertel an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei den Druck auf ihn und seine Männer durch ständige Streifen und Kontrollen bereits massiv verstärkt. Mit der Auflösung des eigenen Clubs kam er zudem einem drohenden Vereinsverbot zuvor. Das Verbot hätte zur Einziehung des Vereinsvermögens geführt. Über den richtigen Umgang mit den Rockern ist in Deutschland lange gestritten worden, und im Norden gibt es bis heute durchaus Unterschiede beim Umgang mit dem Problem. Hamburg verfolgt schon seit den 80er-Jahren die konsequenteste Linie mit dem gerichtlich mehrfach bestätigten Verbot der Hells Angels. Frank Reschreiter, Sprecher von Innensenator Michael Neumann (SPD): „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.“

Bremen hält es ähnlich, und auch in Schleswig-Holstein gilt inzwischen die Devise „Null-Toleranz“. Ausgegeben hat sie 2009 der damalige CDU-Innenminister Klaus Schlie unter dem Eindruck eines regelrechten Rockerkrieges zwischen den zahlenmäßig deutlich überlegenen Hells Angels und den Bandidos. Das Landeskriminalamt gründete eine Sonderkommission (SoKo). Daraufhin ergingen gleich mehrere Vereinsverbote. „Dadurch und durch diverse Festnahmen konnten die Gruppen geschwächt und verunsichert werden“, sagt Stefan Jung, Sprecher des LKA in Kiel. Schlies SPD-Nachfolger Andreas Breitner hat die Null-Toleranz-Politik seines Vorgängers konsequent fortgesetzt.

Eine betont harte Linie fuhr schon ab 2003 auch der niedersächsische CDU-Innenminister Uwe Schünemann. Anders als unter seinen sozialdemokratischen Vorgängern gab es keine verhüllte Zusammenarbeit der Polizei in der Landeshauptstadt mit Hanebuth mehr, der den Machtkampf zwischen rivalisierenden Gruppen im Milieu gewonnen und für eine vordergründige Befriedigung im Rotlichtviertel gesorgt hatte. Auch in diesem Punkt gehen die Hells Angels auf Mallorca ähnliche Wege. Vernommen wurde jetzt auch ein Beamter der „Policia local“. Er steht im Verdacht, die Rocker mit Informationen aus den Sicherheitsbehörden versorgt zu haben.

Und was nun den Umgang der niedersächsischen Politik mit Vereinsverboten angeht, so kann der seit Februar amtierende neue SPD-Innenminister Boris Pistorius, der gegenwärtig urlaubt, noch einmal die Entschließung lesen, mit der der Landtag in Hannover vor Jahresfrist einstimmig die Prüfung von Verbotsverfahren gegen Rockerclubs auch in Niedersachsen gefordert hat. Zu tun gäbe es da genug: Nach der freiwilligen Auflösung der Hells Angels in Hannover haben sich mehrere neue Clubs auf dem flachen Land gegründet, einer in Pattensen vor den Toren der Landeshauptstadt. „Die Polizei wird keine rechtsfreien Räume dulden“ hat Pistorius kürzlich versichert, aber eingeräumt, dass Waffenfunde ein „massives Aufrüsten der Szene“ belegen.