CSU will sich vor den Wahlen von der CDU abgrenzen. Dazu gehört auch die Abgabe für ausländische Autofahrer

Berlin. Horst Seehofer zelebriert einen Wohlfühlwahlkampf. Im Moment sei die Führung noch „locker, aufgeräumt und in guter Stimmung“, sagte der CSU-Chef nach der letzten Vorstandssitzung seiner Partei vor den Wahlen zum Bundestag und zum Landtag im September. Doch eigentlich ist ja noch gar nicht Wahlkampf. Oder? Zumindest hatte sich die CSU vorgenommen, sich auf wenige Wochen im Hochsommer zu beschränken, kündigte Seehofer an. Die Startphase wäre demnach schon die heiße Phase. Ein leicht zu durchschauendes Manöver, um ihre Gelassenheit zur Schau zu stellen. Immerhin passt dazu, dass sich die Partei sehr lange Zeit gelassen hat, ihre eigenen Vorstellungen für die Wahlen vorzulegen. Am Dienstag aber nun geht der sogenannte Bayern-Plan endlich raus.

Der Entwurf wurde gestern vom Parteivorstand angenommen. Das 25-seitige Papier „ist das Programm für den Landtagswahlkampf und kein eigenes Bundestagswahl-Programm“, erklärte ein Parteisprecher. Ganz so verhält es sich nicht. Denn der CSU-Chef, der seine Partei im Bund wie in Bayern positionieren will, muss auch Muskeln zeigen. Andernfalls hätte er es ja machen können wie Volker Boufier (CDU) in Hessen. Der lässt am gleichen Tag wie der Bund wählen, er hofft, dadurch Ministerpräsident zu bleiben. Bayern wählt eine Woche früher, und alles, was Seehofer in einem gemeinsamen Programm mit der Schwester nicht verankern konnte, steht nun im Bayern-Plan. Der gilt deshalb nicht nur am 15. September, sondern auch noch am 22.

Das Papier soll die Trennlinie zur CDU ziehen. Insofern ist der „Bayern-Plan“ eine Novität, nach all den Bekenntnissen der vergangenen Wochen, wie einig man sich doch sei. Die Uneinigkeit war schon im gemeinsamen Unionsprogramm spürbar. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hätte die mehr als 120 Seiten gern einfacher und kürzer formuliert. Der Hang der CDU, noch die kleinste Wählergruppe anzusprechen, ist ihm zuwider. Und der gelegentlich salbungsvolle Ton seines CDU-Pendants Hermann Gröhe ist es kaum weniger. Die Existenz des Bayern-Plans dokumentiert auch diese Konkurrenz der beiden Programm-Verantwortlichen. Verständlicher und leichter lesbar als das gemeinsame Programm ist er ohne Zweifel. Doch so wird der Dissens auch umso deutlicher.

Zu den Dissenspunkten gehört, dass in wichtigen europapolitischen Fragen bundesweite Volksabstimmungen eingeführt werden sollen. Schon hier wird deutlich, dass es nicht nur um die Landtagswahl gehen kann. Für diese Forderung wachse die Zustimmung in der CDU, heißt es in der CSU. Noch so eine Spitze. Gar nicht erfreut sind viele CDU-Politiker über den Wunsch, die Erbschaftssteuer zu regionalisieren, mit dem Ziel einen Steuerwettbewerb unter den Bundesländern zu initiieren. Bayern wolle sich zum Steuerparadies machen, unken manche in der CDU. Dass es um diesen Vorschlag zuletzt etwas ruhiger geworden war, hing wohl vor allem mit der Hoeneß-Affäre zusammen. Auch in der CSU-Führung wurde bemängelt, dass man damit ein seltsames Signal setze. Doch der Wunsch ist Teil des Plans geblieben.

Die CSU beharrt zudem auf der Einführung einer Pkw-Maut, die vor allem Autobahnbenutzer aus dem Ausland belasten soll. Im Unionsprogramm ist die Maut nicht erwähnt. Im Bayern-Plan wird darauf gepocht. Seehofer gab sich auch am Montag überzeugt, dass er die Abgabe in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP werde durchsetzen können. „Alles im Leben ist eine Sache von Verhandlungen.“ Da im Unionsprogramm viele teure Ziele vereinbart worden seien, rechne er damit, dass zusätzliche Ausgaben für die Infrastruktur nur über eine Pkw-Maut zu finanzieren seien.

Der Erlös der Maut müsse zweckgebunden für den Straßenbau eingesetzt werden. Wie das technisch umzusetzen ist, bleibt aber unklar. Dafür hat auch das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium noch kein klares Konzept. Dennoch gibt sich Seehofer kämpferisch: „Da soll sich niemand täuschen drüber, dass wir das nicht ernsthaft verfolgen.“ Als Druckmittel für neue Forderungen taugt die Maut allemal. Auch wenn sie am Ende nicht Eingang in einen Koalitionsvertrag finden sollte. Seehofer hat damit Verhandlungsmasse geschaffen.

CSU und CDU bemühen sich, die Sprengkraft der Dissensthemen herunterzuspielen. Angela Merkel hatte erst vergangene Woche bei der CSU-Klausur im Kloster Banz deutlich gemacht, dass ihr die eigenständigen CSU-Forderungen keine großen Sorgen machen. Sie kategorisierte sie als bayerische Eigenart: „Damit es Unterschiede gibt, muss es Unterschiede geben.“

Ein Stück Pflichtübung sind sie natürlich. Denn die CSU hatte sich Merkel in mancherlei Hinsicht unterworfen. Nach der anfangs deutlichen Kritik am Krisenmanagement der Kanzlerin in der Euro- und Schuldenkrise ist sie längst auf Merkels Kurs eingeschwenkt. Seehofer hatte registriert, dass vor allem die Popularität Merkels der Union und auch der CSU nutzt. Bayerische Absetzbewegungen von der Führungsfigur würden der CSU weder bei der Bundestags- noch bei der Landtagswahl nutzen. Deshalb betont die CSU öffentlich stets mehr die Einigkeit als die Differenzen. „Man muss lange zurückdenken, um sich an eine solche gemeinsame Union zu erinnern, wie wir es heute erleben“, sagte Seehofer.