Hamburg. Der Hamburger Filmregisseur Fatih Akin hat einen offenen Brief an Staatspräsident Abdullah Gül geschrieben. Gemeinsam mit 40 Künstlern appellierte er außerdem an Kanzlerin Angela Merkel, für ein Ende der Gewalt in der Türkei einzutreten.

Sehr geehrter Herr Gül,

ich schreibe Ihnen, um Sie über die Ereignisse vom Samstagabend zu informieren, da die türkischen Medien kaum bis gar nicht darüber berichtet haben. In Istanbul wurden erneut Hunderte von Zivilisten durch Polizeigewalt verletzt. Ein 14-jähriger Jugendlicher wurde von einer Tränengaspatrone am Kopf getroffen und hat Gehirnblutungen erlitten. Er (…) schwebt in Lebensgefahr. Freiwillige Ärzte, die verletzten Demonstranten helfen wollten, wurden wegen Terrorverdachts festgenommen. Provisorische Lazarette wurden mit Tränengas beschossen.

Anwälte, die gerufen wurden, festgenommene Demonstranten zu verteidigen, wurden ebenfalls festgenommen. Die Polizei feuerte Tränengaspatronen in geschlossene Räume, in denen sich Kinder aufgehalten haben. Die bedrohten und eingeschüchterten türkischen Nachrichtensender zeigten währenddessen belanglose Dokumentarfilme. Diejenigen, die versuchen über die Ereignisse zu berichten, werden mit hohen Geldstrafen (…) versucht, zum Schweigen zu bringen. Eine Trauerfeier für Ethem Sarisülük, der bei den Demonstrationen ums Leben gekommen ist, wurde verboten! Stattdessen darf ein Staatssekretär alle Demonstranten, die am Taksim Platz erschienen sind, als Terroristen bezeichnen. Und Sie, verehrter Staatspräsident, Sie schweigen!

Vor zehn Jahren sind Sie (…) angetreten, sich für die Grund- und Bürgerrechte in der Türkei einzusetzen. Ich möchte nicht glauben, dass Sie sich um der Macht wegen von Ihrem Gewissen verabschiedet haben. Ich appelliere an Ihr Gewissen: Stoppen Sie diesen Irrsinn! Fatih Akin