Der Verteidigungsminister will erst im Mai von den Problemen mit der Drohne „Euro Hawk“ erfahren haben. SPD und Linke fordern den Rücktritt.

Berlin. Verteidigungsminister Thomas de Maizière lehnt einen Rücktritt in der „Euro Hawk“-Affäre ab, prüft aber personelle Konsequenzen in seiner Behörde wegen gravierender Informationsmängel. „Ich wurde unzureichend eingebunden“, beklagte der CDU-Politiker. Zugleich verteidigte er den Stopp des milliardenschweren Drohnen-Projekts mit einer US-Firma, das bereits Hunderte Millionen Euro verschlang: „Es handelt sich nicht um eine Fehlentscheidung. Es war eine richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, die fehlerhaft zustande gekommen ist.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundete erneut volles Vertrauen in den Minister. Die Opposition zeigte sich dagegen empört. SPD und Linke forderten de Maizières Rücktritt. Er sei als Minister verantwortlich für den Geist, in dem das Ministerium arbeite, sagte der SPD-Abgeordnete Hans-Peter Bartels in einer Debatte im Bundestag. Sein Parteikollege Rainer Arnold warf de Maizière schäbiges Verhalten vor. Es seien mehr als 500 Millionen Euro verpulvert worden, und der Minister weise die Verantwortung den Staatssekretären zu. De Maizière entgegnete, er habe diesen nichts „in die Schuhe geschoben“.

In einer schriftlichen Stellungnahme legt der Minister aber dar, dass er lange nicht über Zulassungsprobleme und Kostenexplosion des Vorhabens informiert wurde. Er stellt fest: „Eine solche Entscheidungsfindung auf Staatssekretärsebene entspricht einer in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelebten Tradition des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten. Gleichwohl ist sie nicht in Ordnung.“ Er behalte sich personelle Konsequenzen vor.

Milder ging der Minister in einer Pressekonferenz mit den beiden betroffenen Staatssekretären Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf um. „Aber es ist nicht so, dass ich den Vorwurf erhebe, dass sie (Wolf und Beemelmans) mich nicht genügend unterrichtet haben, sondern dass das Haus mich nicht informiert hat.“

Dabei gestand er aber auch ein, dass er sein Haus nicht im Griff gehabt habe. Es sei schlechte Tradition im Verteidigungsministerium, Unangenehmes vom Minister fernzuhalten. „Ich hätte früher auch in diesem Bereich mein Haus so ordnen müssen, dass ich als Minister bei Entscheidungen dieser Größenordnung beteiligt werde“, sagte er. „Ich bedauere das.“

Auf die Frage, ob er nicht mit seinem Rücktritt die Verantwortung für das Drohnen-Desaster übernehmen müsse, sagte er: „Wir müssen Mentalitäten verändern.“ Er wolle dazu beitragen, dass sich das verändert. „Dafür braucht es einige Jahre“, sagte de Maizière. An welche Personalkonsequenzen er denkt, ließ er offen.

Beim Nato-Drohnen-Projekt bleibt Berlin mit 480 Millionen Euro beteiligt

Im Fokus steht neben den Staatssekretären Beemelmans und Wolf die dritte Ebene des Ministeriums. Etwa Ministerialdirektor Detlef Selhausen, der die Abteilung Ausrüstung, Nutzung und Informationstechnologie leitet, die laut Bericht des Bundesrechnungshofs über den Fortgang des Projekts informiert war und offenbar lange nichts nach oben meldete. Es wirkt fast, als kokettiere de Maizière, indem er immer wieder auf mangelhafte Zuarbeit verweist.

So hatte er noch etwa im Mai vergangenen Jahres für den Kauf von „Global Hawks“, auf denen die „Euro Hawks“ basieren, im Rahmen des Nato-Projekts AGS geworben. Ob er da nichts Näheres über den „Euro Hawk“ wissen wollte, wird er gefragt. „In den Unterlagen war dieses Problem nicht erwähnt“, sagt de Maizière lapidar.

Dass in der Vergangenheit gerade Rüstungsprojekte häufig an der Politik vorbei zwischen der Rüstungsindustrie und den für die Rüstung Zuständigen im Ministerium ausgeklüngelt und vorangetrieben wurden, scheint ihn nicht bekümmert zu haben. Das Nato-Projekt solle nun geprüft werden, kündigte der Minister an. Deutschland bleibe jedoch vertragstreu, hatte er den Partnern bereits zugesichert. Mit mehr als 480 Millionen Euro ist Berlin daran beteiligt.

Der Grünen-Politiker Omid Nouripour sagte, am Montag müsse der Minister im Verteidigungsausschuss noch offene Fragen beantworten. Sonst schlössen die Grünen einen Untersuchungsausschuss nicht aus.

Der Minister kündigte die Suche nach Alternativen für die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ an. Als Lehre aus dem Drohnen-Desaster will er eine spezielle Luftfahrtbehörde schaffen, die für alle militärischen Luftfahrzeuge die Zulassungsfragen entscheiden soll. Ferner soll dem Verteidigungsminister künftig regelmäßig ein Statusbericht zu größeren Rüstungsvorhaben und ihren Problemen vorgelegt werden. Das Parlament werde darüber informiert.

Der eigentliche Geburtsfehler des Projekts liegt für ihn in der Zeit der Großen Koalition, als der Entwicklungsvertrag mit EADS und dem US-Rüstungskonzern Northrop Grumman Ende Januar 2007 abgeschlossen wurde. „Die Grundannahme, dass eine amerikanische Zulassung in Deutschland letztlich nur angepasst werden müsse (…), war irrig.“ Damals war Franz Josef Jung (CDU) Verteidigungsminister. De Maizière betonte: „Als ich mein Amt angetreten habe, war das meiste Geld schon weg.“