Telefonüberwachung, Abfangen von E-Mails und Durchsuchungen: Die Hamburger Gesetzesinitiative wird von Medizinern unterstützt. Auch Pharmafirmen können belangt werden.

Hamburg. Mit einem scharfen Gesetzentwurf will der Hamburger Senat bundesweit härter gegen Korruption im Gesundheitswesen vorgehen. Ähnlich wie bei organisierter Kriminalität oder Terrorverdacht sollen Ermittler mit Telefonüberwachung, Abfangen von E-Mails und Durchsuchungen gegen schwere Fälle von Bestechung bei Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten und Pharmafirmen vorgehen. Die Strafen für überführte Täter sollen bis zu drei Jahre Haft, für besonders schwere Fälle bis zu fünf Jahre betragen. Der Gesetzentwurf, der dem Hamburger Abendblatt vorliegt, soll am 7. Juni in den Bundesrat und sieht vor, dass ein neuer Paragraf in das Strafgesetzbuch (299a) aufgenommen wird. Hintergrund für den beispiellosen Vorstoß sind Milliardenschäden, die vor allem den Krankenkassen und damit den Versicherten durch betrügerische Machenschaften entstehen.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der eine Gesetzeslücke moniert hatte, eine schnelle Lösung versprochen. Doch Bahr will lediglich eine Strafvorschrift ins Sozialgesetzbuch V aufnehmen. Das reicht den verantwortlichen Hamburger Ressortchefinnen nicht. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte dem Abendblatt: „Wir müssen auch über strafrechtliche Sanktionen sicherstellen, dass ausschließlich medizinische Gründe für eine Therapieentscheidung maßgeblich sind. Das betrifft alle Gesundheitsberufe, nicht nur Ärzte. Das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Unabhängigkeit ihrer Behandler muss geschützt werden. Eine Sanktion von Bestechung im Gesundheitswesen ist auch im Interesse der ganz überwiegenden ehrlichen Mehrheit der dort Tätigen.“

In Hamburg hat etwa jeder neunte Beschäftigte einen Job im Gesundheitswesen, von Arztpraxen über Kliniken bis zu Krankenkassen. Gleichzeitig sind in der Stadt Betrugs- und mutmaßliche Korruptionsfälle von erheblichem Umfang bekannt geworden (das Abendblatt berichtete). Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) sagte: „Auch im Gesundheitswesen müssen wir die Korruption effektiv bekämpfen. Die derzeitigen berufsrechtlichen Sanktionen reichen nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es sich zum Beispiel bei der durch die Staatsanwaltschaft Hamburg aufgedeckten Praxis um strafwürdige Korruption handelt. Die bestehende Gesetzeslücke im Strafgesetzbuch müssen wir schließen. Um unlautere Praktiken aufzudecken, brauchen wir effektive Ermittlungsinstrumente der Staatsanwaltschaft.“

Die Ankläger mussten etliche Verfahren einstellen, nachdem der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr geurteilt hatte, dass sich niedergelassene Ärzte nicht strafbar machen können, wenn sie als Gegenleistung für das Verschreiben von Medikamenten bestimmter Hersteller eine Prämie von diesen bekommen. Schließlich, so die höchsten Richter, seien die freiberuflichen Ärzte keine Amtsträger oder Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen. Auch die Firmen, die die Prämien zahlen, können nicht belangt werden. Allerdings gab der BGH zu bedenken, dass die Rechtslage klarer geregelt werden müsste (Az.: GSSt 2/11).

Basis für das Grundsatzurteil war auch ein Fall aus Hamburg. Ein Allgemeinmediziner hatte sich von der Firma Ratiopharm eine Software auf den Praxiscomputer spielen lassen. Jedes Mal, wenn er ein Rezept ausstellte, prüfte das Programm, ob es da nicht ein Produkt von Ratiopharm gibt, das den Wirkstoff enthält. Der Arzt verschrieb nach den Regeln der Kunst seine Pillen, bevorzugte aber die Firma aus Ulm. Die zahlte ihm insgesamt 10.641 Euro. Dafür verurteilte ihn das Landgericht Hamburg zu einer Geldstrafe und die verantwortliche Pharmareferentin gleich mit.

Der BGH jedoch kassierte das Urteil. In der Verhandlung in Hamburg war klar geworden, dass diese Prämien gängige Praxis waren. Ratiopharm betonte aber später, dieses Geschäftsmodell nicht mehr zu verfolgen. Die Angestellte hatte in dem Verfahren darüber berichtet, wie Ärzte mit Geld, Reisen und Geschenken geködert werden.

Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks sagte: „Eine Strafnorm im Sozialgesetzbuch für die gesetzliche Krankenversicherung, wie sie die Regierungskoalition plant, bietet keinen ausreichenden Schutz.“ Die Betroffenen könnten schließlich auch privat versichert sein. Ärztekammern und Krankenkassen hätten zurzeit keine ausreichenden Instrumente, um effektiv gegen die schwarzen Schafe vorzugehen. Deshalb dürften laut Hamburger Gesetzentwurf künftig Staatsanwaltschaften auch von sich aus tätig werden.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery, sagte dem Abendblatt, die Ärzte begrüßten die Hamburger Initiative. „Der Entwurf betrifft alle Beschäftigten im Gesundheitswesen und richtet sich auch gegen die, die bestechen.“ Die Ärzte wollten aus einem „Grundverdacht“ herauskommen. Allerdings bemängelte er, dass der Tatbestand konkreter gefasst werden müsse. Außerdem lehnen die Ärzte eine Telekommunikationsüberwachung schon beim Verdacht ab. „Wir wollen nicht, dass intime Details aus einem Arzt-Patienten-Gespräch abgehört werden“, so Montgomery.