Der Hamburger Werbeexperte Stefan Kolle über den Bundestagswahlkampf und gute Slogans

Hamburg. Wahlkampfwerbung ist langweilig. So weit das Klischee. Wir können auch anders, sagt Stefan Kolle, 51, Geschäftsführer Kreation der Agentur Kolle Rebbe (Lufthansa, Google). Den Wahlkampf 2013 sieht er kritisch.

Hamburger Abendblatt:

Herr Kolle, aus Sicht der Werbung: Wer wird der nächste Bundeskanzler, die nächste Kanzlerin?

Stefan Kolle:

Angela Merkel.

Klar, dass Sie das sagen, Sie haben ja ihren letzten Wahlkampf ausgeheckt.

Kolle:

Die gesamte Medienlage ist momentan für sie günstiger als für Peer Steinbrück.

Was muss ein Kandidat, was eine Partei überhaupt tun, um im Zeitalter des Internets und des geringer werdenden Politikinteresses für sich zu werben?

Kolle:

Eigentlich macht Steinbrück das schon richtig. Werbung ist dafür da, den Dingen ein Profil zu geben. Doch er hat jetzt so oft angeeckt, dass er sich denkt: lieber jetzt auf den Weichspülmodus umstellen. Aber dadurch wird er das nötige Profil nicht gewinnen können.

Was passiert, wenn sich die Stimmungslage kurz vor der Wahl dreht?

Kolle:

Der Stratege versucht, insbesondere die Kernwählerschaft zu erreichen. In der CDU sind das die älteren Menschen in ländlichen Gebieten. Deren Stimmen geben am Ende den Ausschlag. Manche denken sich vielleicht: Ach, heute regnet es, die Wahl ist gelaufen, ich brauche gar nicht mehr hinzugehen. Diese Wähler an die Urne zu bewegen, das ist wichtig.

Newcomer wie die Piraten oder die euro-kritische Alternative für Deutschland bekommen mehr Aufmerksamkeit, als sie aufgrund von Umfragen verdienen. Wie macht man aus einem One-Hit-Wonder einen dauerhaften politischen Bestseller?

Kolle:

Durch Substanzarbeit in der Partei, da kann Werbung nichts ausrichten. Diese Parteien ziehen die Protestwähler an, ob die nun Piraten, Schill-Partei oder Anti-Euro-Truppe heißen. Wenn ich alles schlecht finde, sage ich: Jetzt gebe ich denen meine Stimme.

Welche aktuellen oder historischen Wahlslogans sind für Sie die besten?

Kolle:

Die beste Idee aller Zeiten stammt aus dem britischen Wahlkampf 1979 von den Konservativen: „Labour isn’t working“ (Wortspiel: Die Labour-Partei funktioniert nicht, sie hilft nicht, die Arbeitslosigkeit abzubauen). Und darunter war eine Menschenschlange, die vor dem Arbeitsamt steht. Der jetzige Bundestagswahlkampf wird stinklangweilig. Keiner will anecken. Angela Merkel zeigt Porträts von sich, und darüber steht am Ende so etwas wie „Deutschland stärken, CDU wählen“.

Die Hälfte dessen, was für Werbung ausgegeben wird, wird zum Fenster hinausgeworfen. Man weiß nur nicht, welche Hälfte. Das ist eine alte Werberweisheit. Kann man mit politischer Werbung als Agentur überhaupt Geld verdienen?

Kolle:

Ja, sonst hätten wir das nicht gemacht. So weit geht unsere politische Überzeugung nicht, dass ich meine gesamte Arbeitszeit dafür spende. Aber wenn man mit der Bundeskanzlerin und Ministern spricht und Dinge abstimmt, ist das ein besonderes Erlebnis.