Die Partei bemüht sich um Einigkeit. Viele Hoffnungen ruhen auf der neuen Geschäftsführerin Katharina Nocun. Für ihre kämpferische Bewerbungsrede bekam sie lauten Applaus.

Neumarkt. Bernd Schlömer kann nichts mehr erschüttern. Das zeigt sich spätestens, als kurz vor der Abschlusspressekonferenz zum Bundesparteitag ein Pirat aus der Halle gezerrt wurde. Der Mann, der kurz zuvor Hausverbot erteilt bekommen hatte, rief noch: „Ich bin Pirat und wollte nur einen Redebeitrag abgeben!“ Natürlich hatte er etwas mehr gemacht, nämlich Zettelchen der Alternative für Deutschland verteilt. Da ergriff Schlömer, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, das Wort und rief : „Alles ist gut! Schauen Sie auf mich.“

Dann verkaufte er seine Version des Piratentreffens in Neumarkt: Alles toll hier. Das Wahlprogramm wurde beschlossen. Und mit der frisch gewählten politischen Geschäftsführerin Katharina Nocun haben die Piraten nun eine neue Hoffnungsträgerin. Ermutigt von einer neuen Umfrage, in der die Partei bundesweit wieder bei vier Prozent steht, hielt Schlömer vor den rund 1200 anwesenden Mitgliedern eine kämpferische Rede und griff die Großparteien an. „Vielfalt soll herrschen und nicht Vetternwirtschaft!“, rief Schlömer in Richtung CSU. Er sprach vom „Ideenwunder Mr. 120-km/h-Sigmar Gabriel“, oder von der FDP, die für „Finde deinen Pforteil“ stehe. Die Piraten im Saal johlten. Schlömer hielt das Ziel Bundestag hoch. Der etablierte Fraktionszwang sei für Piraten nichts. Schlömer: „Die anderen Parteien haben es sich gemütlich gemacht.“ Und: „Die Piraten werden eine neue, andere Kultur einbringen.“ Wie diese andere Kultur aussehen kann, zeigten die Piraten bei der hitzigen Diskussion über die Ständige Mitgliederversammlung (SMV), jener Frage, ob auch zwischen Parteitagen online Beschlüsse gefasst werden können – ob die Piraten digitales Neuland betreten und sich von den anderen Parteien abgrenzen wollen.

Schlömer und viele andere Piraten plädierten dafür. Die Piraten lieferten sich jedoch Schlachten um Details der Geschäftsordnung. Erst am späten Nachmittag, als viele Piraten bereits auf dem Weg nach Hause waren, stand das Ergebnis fest: 64,2 Prozent waren für eine sehr weit gehende SMV. 23 Stimmen fehlten für eine Zweidrittelmehrheit. In die Satzung schafft die SMV es damit nicht. Die Diskussion geht damit weiter.

Zuvor hatten die Piraten ihr Wahlprogramm beschlossen. Sie fordern unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen – ohne eine Höhe vorzuschlagen. Sie sind für einen gesetzlichen Mindestlohn, sehen die Euro-Rettungspolitik kritisch, bekennen sich jedoch zu Europa. In einer Erklärung grenzten sie sich von der Euro-kritischen AfD ab. Werbung für die Piraten-Themen soll vor allem die neue Geschäftsführerin Nocun machen. Obwohl die Datenschützerin als Spitzenkandidatin mitverantwortlich für die Wahlschlappe bei der Landtagswahl in Niedersachsen ist, gilt sie nun als Hoffnung der Piraten. Die 26-Jährige aus der Nähe von Osnabrück tritt damit die Nachfolge des gescheiterten Johannes Ponader an.

Die in Polen geborene Nocun erhielt eine Zustimmung von 81,7 Prozent. Für ihre kämpferische Bewerbungsrede bekam sie lauten Applaus. Auch sie wetterte gegen die etablierte Politik und rief dem Publikum zu: „Ich möchte nie wieder von irgendjemandem in der Piratenpartei hören, dass wir den Bundestag nicht wuppen. Wir werden uns verdammt noch mal den Arsch aufreißen, um die anderen anzugreifen.“