Die Polit-Neulinge haben mehr Aufmerksamkeit verdient - den Bürgern zuliebe

Der Absturz der Piratenpartei war beinahe genauso atemberaubend wie ihr kometenhafter Aufstieg: Nach 14 Prozent in den einschlägigen Umfragen landeten sie nach monatelangen Personalquerelen bei kaum noch messbaren zwei. Mittlerweile sind sie wieder auf Augenhöhe mit der FDP - wenn auch aus der Froschperspektive von vier Prozent.

Aber immerhin! Und der Parteitag vom Wochenende in Neumarkt sollte den Konsolidierungsprozess festigen. Eine neue Geschäftsführerin wurde gewählt, Parteichef Schlömer keilte kräftig gegen die etablierte Konkurrenz, und das Programm sollte auf breitere Beine als nur Internet-Themen gestellt werden. Das ist gelungen - wenn auch in einer etwas kruden Melange aus Grundeinkommen für alle, flächendeckenden Mindestlöhnen und freiem Nahverkehr, ohne freilich zu sagen, wer das wie bezahlen soll. Der immerhin im Grundgesetz verankerte Begriff "Ehe" soll durch "eingetragene Lebenspartnerschaft" ersetzt werden, 30 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum dürften es schon sein, das Abbrennen von Feuerwerk gilt als "fester Bestandteil der Fankultur" und so weiter und so fort. Ein konsistentes gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Programm sieht sicherlich anders aus.

Aber selbst auf ihrem ureigensten Feld, der Netzpolitik, tun sich die Delegierten schwer. Vom Staat Freiheit zu verlangen war die leichtere Übung. Mit ihr und den Möglichkeiten des Internets selbst umzugehen eine unvergleichlich schwerere. Seit Jahren streiten die Polit-Neulinge um die Einführung einer "ständigen Mitgliederversammlung", mit der die Parteibasis online ständig auf Entscheidungen Einfluss nehmen könnte. Nur wie soll das gehen, wenn einerseits Freiheit und Anonymität gewahrt bleiben sollen, andererseits aber verbindliche Entscheidungen fallen und Manipulationen ausbleiben müssen? Die Erleuchtung kam auch in der Oberpfalz nicht über die Delegierten. Die Debatte geht weiter. Das krampfhafte Bemühen um Andersartigkeit auch. Daraus entsteht nicht zwangsläufig bessere Politik. Bemerkenswert ist vielmehr, dass sich die Piraten trotz allem über Zuspruch oder doch zumindest eines gewissen Interesses freuen können. Genauso wie die Euro-Gegner der Alternative für Deutschland (AfD) oder die Freien Wähler. So viel Erosion und Neugründung an den Rändern des Politikbetriebes war selten. Und das spricht nicht eben für die im Bundestag mit der Wahrnehmung der Interessen der Bürger betrauten Parteien.

Neben den Chancen und Gefahren des Internets treibt immer mehr Menschen angesichts immer größerer Rettungsmaßnahmen für Krisenländer und den Euro die Sorge um ihr Erspartes um. Eine parteiübergreifende Mehrheit hat diese Politik bisher mitgetragen. Leidenschaftlich verteidigt hat sie niemand. Der eine oder andere aus den Reihen von Grünen oder SPD gedenkt, im Wahlkampf selbst noch Kapital aus der Euro-Politik der Kanzlerin zu schlagen. Was nicht besonders glaubwürdig wäre und zudem der Konkurrenz der echten Euro-Skeptiker in die Hände spielt. Die Regierungschefin wiederum übt sich einmal mehr im Aussitzen. Vielleicht zerlegen sich die Piraten ja in Kürze wieder selbst und die Attraktivität der AfD und anderer Schwarzmaler, die auch nicht frei von Eitelkeiten und Postengerangel sind, mag wieder verblassen, wenn die von ihnen angekündigten Katastrophen nicht eintreten.

Mag sein, dass weder Piraten noch AfD noch Freie Wähler den Sprung in den Bundestag schaffen. Insgesamt aber können sie sehr wohl Einfluss auf künftige Regierungskonstellationen haben - indem sie anderen ein paar wichtige Prozente wegnehmen. Ewas mehr Aufmerksamkeit ihnen gegenüber könnte also nicht schaden - den Bürgern und ihren Sorgen gegenüber sowieso nicht.